tung im unmittelbaren, natürlichen Sinn aus und opfert dieses Band der höheren, sittlichen Gattung, in die sie sich eingereiht.
2. Es gibt allerdings Stufen, worin die sittliche Idee und das Schöne sich zu trennen scheinen. Die hier gegebene Skizze des reinen Gehalts, der in das Schöne eingeht, muß weite Schritte nehmen. Im vorhergehenden §. ist der erkennende Geist nicht erwähnt. Er ist rein innerlicher Art, allein mit dem Object noch in einem Gegensatze be- griffen, der zu Spannungen führt, welche allerdings Inhalt für das Schöne abgeben (Empedokles, Faust), nur gehört dies noch nicht in die Lehre vom einfach Schönen. Abstractere Formen des handelnden Geistes sind namentlich das Recht und die subjective Moral, jenes zu äußerlich, diese zu innerlich. Allein wenn sich zeigen wird, wie das Schöne seine Formen wechselt, so werden wir finden, daß es auch diesen Sphären folgen kann; freilich nur unter gewissen Bedingungen, d. h. um es vorher anzudeuten, nur in gewissen Kunst-Gattungen und nur so, daß eine solche Sphäre nicht das Ganze eines Kunstwerks ausmacht, sondern blos ein Moment darin bildet. Man denke z. B. an den Rechtshandel im Kaufmann von Venedig.
§. 21.
Jede einzelne Idee für sich betrachtet begreift eine Einheit von Momenten in sich, die sie theils gleichzeitig vereinigt, theils in der Zeitfolge durch Be- wegung ausbreitet. Je bedeutender aber eine Idee, desto reicher und desto be- stimmter treten, indem sie den Inhalt der untergeordneten Ideen vertiefend und erweiternd in sich aufnimmt, diese Momente als Kreise im Kreis hervor, desto lebendiger durchdringt sie aber auch die Einheit und führt sie in sich zurück.
Dieser §. ist durch einen vorläufigen Blick in die bestimmten Er- scheinungen der natürlichen und sittlichen Welt zu erläutern. Selbst das gewöhnlich sogenannte Unorganische ist nicht einfach, sondern eine Ein- heit von Unterschiedenem und entweder Resultat eines lebendigen Pro- zesses oder wirklich ein solcher. Je höher aber ein Wesen, desto man- nigfaltiger und lebendiger die Einheit. Das Thier vereinigt die Systeme in sich, welche in der Pflanze sind, vermehrt sie und gibt ihnen ver- änderte Bedeutung durch einen neuen Einheitspunkt, im Menschen treten neue Organe zu den thierischen und alle sind in eine wesentlich andere Einheit zusammengefaßt. Höher aber entfaltet sich das Staatsleben in
tung im unmittelbaren, natürlichen Sinn aus und opfert dieſes Band der höheren, ſittlichen Gattung, in die ſie ſich eingereiht.
2. Es gibt allerdings Stufen, worin die ſittliche Idee und das Schöne ſich zu trennen ſcheinen. Die hier gegebene Skizze des reinen Gehalts, der in das Schöne eingeht, muß weite Schritte nehmen. Im vorhergehenden §. iſt der erkennende Geiſt nicht erwähnt. Er iſt rein innerlicher Art, allein mit dem Object noch in einem Gegenſatze be- griffen, der zu Spannungen führt, welche allerdings Inhalt für das Schöne abgeben (Empedokles, Fauſt), nur gehört dies noch nicht in die Lehre vom einfach Schönen. Abſtractere Formen des handelnden Geiſtes ſind namentlich das Recht und die ſubjective Moral, jenes zu äußerlich, dieſe zu innerlich. Allein wenn ſich zeigen wird, wie das Schöne ſeine Formen wechſelt, ſo werden wir finden, daß es auch dieſen Sphären folgen kann; freilich nur unter gewiſſen Bedingungen, d. h. um es vorher anzudeuten, nur in gewiſſen Kunſt-Gattungen und nur ſo, daß eine ſolche Sphäre nicht das Ganze eines Kunſtwerks ausmacht, ſondern blos ein Moment darin bildet. Man denke z. B. an den Rechtshandel im Kaufmann von Venedig.
§. 21.
Jede einzelne Idee für ſich betrachtet begreift eine Einheit von Momenten in ſich, die ſie theils gleichzeitig vereinigt, theils in der Zeitfolge durch Be- wegung ausbreitet. Je bedeutender aber eine Idee, deſto reicher und deſto be- ſtimmter treten, indem ſie den Inhalt der untergeordneten Ideen vertiefend und erweiternd in ſich aufnimmt, dieſe Momente als Kreiſe im Kreis hervor, deſto lebendiger durchdringt ſie aber auch die Einheit und führt ſie in ſich zurück.
Dieſer §. iſt durch einen vorläufigen Blick in die beſtimmten Er- ſcheinungen der natürlichen und ſittlichen Welt zu erläutern. Selbſt das gewöhnlich ſogenannte Unorganiſche iſt nicht einfach, ſondern eine Ein- heit von Unterſchiedenem und entweder Reſultat eines lebendigen Pro- zeſſes oder wirklich ein ſolcher. Je höher aber ein Weſen, deſto man- nigfaltiger und lebendiger die Einheit. Das Thier vereinigt die Syſteme in ſich, welche in der Pflanze ſind, vermehrt ſie und gibt ihnen ver- änderte Bedeutung durch einen neuen Einheitspunkt, im Menſchen treten neue Organe zu den thieriſchen und alle ſind in eine weſentlich andere Einheit zuſammengefaßt. Höher aber entfaltet ſich das Staatsleben in
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tung im unmittelbaren, natürlichen Sinn aus und opfert dieſes Band
der höheren, ſittlichen Gattung, in die ſie ſich eingereiht.
2. Es gibt allerdings Stufen, worin die ſittliche Idee und das
Schöne ſich zu trennen ſcheinen. Die hier gegebene Skizze des reinen
Gehalts, der in das Schöne eingeht, muß weite Schritte nehmen. Im
vorhergehenden §. iſt der erkennende Geiſt nicht erwähnt. Er iſt rein
innerlicher Art, allein mit dem Object noch in einem Gegenſatze be-
griffen, der zu Spannungen führt, welche allerdings Inhalt für das
Schöne abgeben (Empedokles, Fauſt), nur gehört dies noch nicht
in die Lehre vom einfach Schönen. Abſtractere Formen des handelnden
Geiſtes ſind namentlich das Recht und die ſubjective Moral, jenes zu
äußerlich, dieſe zu innerlich. Allein wenn ſich zeigen wird, wie das
Schöne ſeine Formen wechſelt, ſo werden wir finden, daß es auch dieſen
Sphären folgen kann; freilich nur unter gewiſſen Bedingungen, d. h.
um es vorher anzudeuten, nur in gewiſſen Kunſt-Gattungen und nur
ſo, daß eine ſolche Sphäre nicht das Ganze eines Kunſtwerks ausmacht,
ſondern blos ein Moment darin bildet. Man denke z. B. an den
Rechtshandel im Kaufmann von Venedig.
§. 21.
Jede einzelne Idee für ſich betrachtet begreift eine Einheit von Momenten
in ſich, die ſie theils gleichzeitig vereinigt, theils in der Zeitfolge durch Be-
wegung ausbreitet. Je bedeutender aber eine Idee, deſto reicher und deſto be-
ſtimmter treten, indem ſie den Inhalt der untergeordneten Ideen vertiefend und
erweiternd in ſich aufnimmt, dieſe Momente als Kreiſe im Kreis hervor, deſto
lebendiger durchdringt ſie aber auch die Einheit und führt ſie in ſich zurück.
Dieſer §. iſt durch einen vorläufigen Blick in die beſtimmten Er-
ſcheinungen der natürlichen und ſittlichen Welt zu erläutern. Selbſt das
gewöhnlich ſogenannte Unorganiſche iſt nicht einfach, ſondern eine Ein-
heit von Unterſchiedenem und entweder Reſultat eines lebendigen Pro-
zeſſes oder wirklich ein ſolcher. Je höher aber ein Weſen, deſto man-
nigfaltiger und lebendiger die Einheit. Das Thier vereinigt die Syſteme
in ſich, welche in der Pflanze ſind, vermehrt ſie und gibt ihnen ver-
änderte Bedeutung durch einen neuen Einheitspunkt, im Menſchen treten
neue Organe zu den thieriſchen und alle ſind in eine weſentlich andere
Einheit zuſammengefaßt. Höher aber entfaltet ſich das Staatsleben in
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/90>, abgerufen am 24.11.2024.
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