Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.Tödtlich sind zwar in den meisten Fällen nur die Verletzungen der §. 285. Die Gestalt des Thiers, welche weit unter der Größe der Pflanze bleibt, Durch ihre Größe, welche wieder durch die lange Dauer bedingt ist, Die Grundform des Thierleibs ist von den höheren Thieren, den Tödtlich ſind zwar in den meiſten Fällen nur die Verletzungen der §. 285. Die Geſtalt des Thiers, welche weit unter der Größe der Pflanze bleibt, Durch ihre Größe, welche wieder durch die lange Dauer bedingt iſt, Die Grundform des Thierleibs iſt von den höheren Thieren, den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0116" n="104"/> <p> <hi rendition="#et">Tödtlich ſind zwar in den meiſten Fällen nur die Verletzungen der<lb/> Organe des vegetativen Prozeſſes, aber eine Verkümmerung, ein Schmerz,<lb/> eine Entſtellung zum Häßlichen iſt jede Verwundung, Verſtümmlung. Nur<lb/> der Thierleib iſt ein ſchlechtweg zuſammengehöriges Ganzes, über deſſen<lb/> ausgebreitete Glieder die ſtreng zuſammenhaltende Seele der Lebendigkeit<lb/> ergoſſen iſt. Der Zahn, der Rüßel, das Horn, die Klaue, der Huf<lb/> zeigen ſchon dem erſten Anblick, daß dieſes Lebendige ſich auch im Kampfe<lb/> zu behaupten beſtimmt iſt.</hi> </p> </div><lb/> <div n="5"> <head>§. 285.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die Geſtalt des Thiers, welche weit unter der Größe der Pflanze bleibt,<lb/> verläßt die aufſteigende, dann zu einer Krone ſich ausbreitende Form der<lb/> letzteren und erſcheint im Allgemeinen als ein der Länge nach auf die Bewegungs-<lb/> organe geſtellter ovaler Cylinder, der ſich in drei Hauptſyſteme, den, zwar wie<lb/> die Baumkrone, aber in ganz verändertem Maßſtabe der Größe, der Kugelform<lb/> zuſtrebenden Kopf, die Bruſt und den Unterleib theilt. Die Organe des<lb/> Ernährungs-Prozeſſes, welche an der Pflanze auswendig ſind oder aus denen<lb/> vielmehr die ganze Pflanze beſteht, ſind als Eingeweide zu einem Inwendigen<lb/> geworden, von dem das Gebäude wie ein Zimmerwerk tragenden Knochengerüſte<lb/> umſchloſſen und das Ganze vom Fleiſche und der Haut, deren weiche und<lb/> elaſtiſche Subſtanz überall gerundete Wendungen der Oberfläche bedingt, über-<lb/> zogen. Die Zeugungs-Organe ſind zu unterſt geſtellt und verborgen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Durch ihre Größe, welche wieder durch die lange Dauer bedingt iſt,<lb/> fallen alle bedeutenden Pflanzengebilde, des übrigen Unterſchieds innerhalb<lb/> dieſer Form unbeſchadet, unter den Standpunkt des Erhabenen und zwar<lb/> des quantitativ Erhabenen (§. 90). Das Thier wird nicht ſo groß und<lb/> nicht ſo alt: die höhere Werthſtufe zieht die Größen-Verhältniſſe auf einen<lb/> kleineren, aber intenſiveren Kreis des Raums und der Zeit zuſammen,<lb/> und im Allgemeinen können wir ſagen, es trete hier, wenn das Erhabene<lb/> der vorſtechende Charakter iſt, das der Kraft ein, richtiger jedoch, ein<lb/> Uebergang von dieſem in das Erhabene des Subjects.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Die Grundform des Thierleibs iſt von den höheren Thieren, den<lb/> Rückenwirbelthieren, näher den vierfüßigen Säugethieren, und gewiß mit<lb/> Fug, entlehnt. Man könnte ſagen, ſie ſtelle einen umgelegten Baum vor.<lb/> Die Pflanze genießt für den Nachtheil der Gebundenheit an den Boden<lb/> den Vortheil des ſchönen Aufſtrebens; das Thier hat ſich vom Boden<lb/> befreit und zur Strafe muß es ſich bücken und an ihm hinſuchend dem<lb/> Planeten ſeinen Zoll abtragen. Wie niedrig dieſe Bildung, der wie eine<lb/> mechaniſche Laſt auf die Füße gelegte Rumpf iſt, wird ſich erſt im Gegen-<lb/> ſatze gegen die menſchliche zeigen. Der Rumpf wiederholt alſo nach unſerer<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0116]
Tödtlich ſind zwar in den meiſten Fällen nur die Verletzungen der
Organe des vegetativen Prozeſſes, aber eine Verkümmerung, ein Schmerz,
eine Entſtellung zum Häßlichen iſt jede Verwundung, Verſtümmlung. Nur
der Thierleib iſt ein ſchlechtweg zuſammengehöriges Ganzes, über deſſen
ausgebreitete Glieder die ſtreng zuſammenhaltende Seele der Lebendigkeit
ergoſſen iſt. Der Zahn, der Rüßel, das Horn, die Klaue, der Huf
zeigen ſchon dem erſten Anblick, daß dieſes Lebendige ſich auch im Kampfe
zu behaupten beſtimmt iſt.
§. 285.
Die Geſtalt des Thiers, welche weit unter der Größe der Pflanze bleibt,
verläßt die aufſteigende, dann zu einer Krone ſich ausbreitende Form der
letzteren und erſcheint im Allgemeinen als ein der Länge nach auf die Bewegungs-
organe geſtellter ovaler Cylinder, der ſich in drei Hauptſyſteme, den, zwar wie
die Baumkrone, aber in ganz verändertem Maßſtabe der Größe, der Kugelform
zuſtrebenden Kopf, die Bruſt und den Unterleib theilt. Die Organe des
Ernährungs-Prozeſſes, welche an der Pflanze auswendig ſind oder aus denen
vielmehr die ganze Pflanze beſteht, ſind als Eingeweide zu einem Inwendigen
geworden, von dem das Gebäude wie ein Zimmerwerk tragenden Knochengerüſte
umſchloſſen und das Ganze vom Fleiſche und der Haut, deren weiche und
elaſtiſche Subſtanz überall gerundete Wendungen der Oberfläche bedingt, über-
zogen. Die Zeugungs-Organe ſind zu unterſt geſtellt und verborgen.
Durch ihre Größe, welche wieder durch die lange Dauer bedingt iſt,
fallen alle bedeutenden Pflanzengebilde, des übrigen Unterſchieds innerhalb
dieſer Form unbeſchadet, unter den Standpunkt des Erhabenen und zwar
des quantitativ Erhabenen (§. 90). Das Thier wird nicht ſo groß und
nicht ſo alt: die höhere Werthſtufe zieht die Größen-Verhältniſſe auf einen
kleineren, aber intenſiveren Kreis des Raums und der Zeit zuſammen,
und im Allgemeinen können wir ſagen, es trete hier, wenn das Erhabene
der vorſtechende Charakter iſt, das der Kraft ein, richtiger jedoch, ein
Uebergang von dieſem in das Erhabene des Subjects.
Die Grundform des Thierleibs iſt von den höheren Thieren, den
Rückenwirbelthieren, näher den vierfüßigen Säugethieren, und gewiß mit
Fug, entlehnt. Man könnte ſagen, ſie ſtelle einen umgelegten Baum vor.
Die Pflanze genießt für den Nachtheil der Gebundenheit an den Boden
den Vortheil des ſchönen Aufſtrebens; das Thier hat ſich vom Boden
befreit und zur Strafe muß es ſich bücken und an ihm hinſuchend dem
Planeten ſeinen Zoll abtragen. Wie niedrig dieſe Bildung, der wie eine
mechaniſche Laſt auf die Füße gelegte Rumpf iſt, wird ſich erſt im Gegen-
ſatze gegen die menſchliche zeigen. Der Rumpf wiederholt alſo nach unſerer
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