Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
Das Katzengeschlecht nun erinnert durch die hängende Haltung des seitlich Je geläufiger und dem Menschen näher die Thierwelt wird, desto §. 313. Der Hund ist hirschähnlicher, hat längeren, mehr horizontalen Kopf,
Das Katzengeſchlecht nun erinnert durch die hängende Haltung des ſeitlich Je geläufiger und dem Menſchen näher die Thierwelt wird, deſto §. 313. Der Hund iſt hirſchähnlicher, hat längeren, mehr horizontalen Kopf, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#fr"><pb facs="#f0164" n="152"/> Das <hi rendition="#g">Katzengeſchlecht</hi> nun erinnert durch die hängende Haltung des ſeitlich<lb/> flachen Leibs an ſie und den Bären, iſt jedoch rundköpfig und von fein gezeich-<lb/> neter Naſe. Den größeren, wilden Katzenarten, dem bemähnten Löwen, dem<lb/> gefleckten Tiger u. ſ. w. ſteht als ſchmeichleriſcher Genoſſe des Menſchen die<lb/> Hauskatze gegenüber, ohne jedoch den verſchloſſenen, falſchen, lauernden Charakter,<lb/> der jenen eigen iſt und worüber ſich nur der ſtolze, aber großmüthige, königliche<lb/> Löwe theilweiſe erhebt, völlig aufzugeben.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Je geläufiger und dem Menſchen näher die Thierwelt wird, deſto<lb/> weniger iſt zu erläutern. Die Hyäne iſt ſchweinsartig durch den fiſchähnlich<lb/> an den Seiten flachgedrückten, auf dem Rückgrate borſtigen Leib. Sie<lb/> knickt die Hinterfüße ein, iſt daher hinten niedrig und ſcheint kreuzlahm;<lb/> dieß iſt katzenartig, die Mopsſchnauze aber hundeartig. Der Charakter<lb/> dieſes ſcheußlichen Thiers, im ſchmutzigen, klebrigen Glanze des giftig<lb/> blickenden Auges, ſowie im Geheule vorzüglich ausgeſprochen, iſt bekannt.<lb/> Daß die Katzen ebenfalls einen ſeitlich flachen Leib haben und im Gange<lb/> das Kreuz und den Kopf hängen laſſen, zeigt der erſte Blick auf die<lb/> Hauskatze; im Sitzen ſind ſie ſchöner, die Bruſt namentlich tritt gewölbt<lb/> hervor. Der Löwe freilich unterſcheidet ſich auch im Gange zu ſeinem<lb/> Vortheil. Der feine Schnitt der Naſe mußte beſonders hervorgehoben<lb/> werden. Die Katzen nun ſind vorzüglich die eigentlichen Springer, die<lb/> ſich heranſchleichen, mit dem Schwanze ringelnd lauern und ſich mit einem<lb/> Satze „wie ein geſpanntes Holz, das dem Wagner ausgleitet und ſauſend<lb/> hinausſpringt“ (ſagt <hi rendition="#g">Theokrit</hi> trefflich vom Nemeiſchen Löwen) auf die<lb/> Beute werfen. Löwe, Tiger, Panther, Leoparde, Jaguar, wilde Katze<lb/> brauchen keine weitere Darſtellung. Die Hauskatze iſt beſonders durch<lb/> ihr behagliches ſogenanntes Spinnen, die niedlichen Bewegungen, wenn<lb/> ſie ſich putzt, ihr ſchmeichelndes Anſchmiegen ein gemüthlicher Hausgenoſſe,<lb/> läßt aber nicht von der Falſchheit. Mehr von ihr im folgenden §. Den<lb/> Luchs erwähnen wir nicht beſonders; er macht etwa den Uebergang von<lb/> der Katze zum Hund, iſt durch ſein ſcharfes Auge ſprichwörtlich und<lb/> in dieſem Sinne auch äſthetiſch verwendbar.</hi> </p> </div><lb/> <div n="5"> <head>§. 313.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Der <hi rendition="#g">Hund</hi> iſt hirſchähnlicher, hat längeren, mehr horizontalen Kopf,<lb/> runderen Leib, trägt ſich geſammelter, elaſtiſcher, höher, iſt vielfacherer Bewe-<lb/><note place="left">1</note>gungen fähig, läßt die blutige Wildheit dem hyänenartigen <hi rendition="#g">Wolfe</hi>, die Liſt,<lb/><note place="left">2</note>dieſe geringere Form der Intelligenz, dem ſpitzſchnauzigen <hi rendition="#g">Fuchſe</hi> und iſt nicht<lb/> nur das gelehrigſte und geſcheuteſte, ſondern auch das durch Analogie ſittlicher<lb/> Tugenden ausgezeichnetſte Landthier. Dieſer treue Begleiter, Luſtigmacher,<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0164]
Das Katzengeſchlecht nun erinnert durch die hängende Haltung des ſeitlich
flachen Leibs an ſie und den Bären, iſt jedoch rundköpfig und von fein gezeich-
neter Naſe. Den größeren, wilden Katzenarten, dem bemähnten Löwen, dem
gefleckten Tiger u. ſ. w. ſteht als ſchmeichleriſcher Genoſſe des Menſchen die
Hauskatze gegenüber, ohne jedoch den verſchloſſenen, falſchen, lauernden Charakter,
der jenen eigen iſt und worüber ſich nur der ſtolze, aber großmüthige, königliche
Löwe theilweiſe erhebt, völlig aufzugeben.
Je geläufiger und dem Menſchen näher die Thierwelt wird, deſto
weniger iſt zu erläutern. Die Hyäne iſt ſchweinsartig durch den fiſchähnlich
an den Seiten flachgedrückten, auf dem Rückgrate borſtigen Leib. Sie
knickt die Hinterfüße ein, iſt daher hinten niedrig und ſcheint kreuzlahm;
dieß iſt katzenartig, die Mopsſchnauze aber hundeartig. Der Charakter
dieſes ſcheußlichen Thiers, im ſchmutzigen, klebrigen Glanze des giftig
blickenden Auges, ſowie im Geheule vorzüglich ausgeſprochen, iſt bekannt.
Daß die Katzen ebenfalls einen ſeitlich flachen Leib haben und im Gange
das Kreuz und den Kopf hängen laſſen, zeigt der erſte Blick auf die
Hauskatze; im Sitzen ſind ſie ſchöner, die Bruſt namentlich tritt gewölbt
hervor. Der Löwe freilich unterſcheidet ſich auch im Gange zu ſeinem
Vortheil. Der feine Schnitt der Naſe mußte beſonders hervorgehoben
werden. Die Katzen nun ſind vorzüglich die eigentlichen Springer, die
ſich heranſchleichen, mit dem Schwanze ringelnd lauern und ſich mit einem
Satze „wie ein geſpanntes Holz, das dem Wagner ausgleitet und ſauſend
hinausſpringt“ (ſagt Theokrit trefflich vom Nemeiſchen Löwen) auf die
Beute werfen. Löwe, Tiger, Panther, Leoparde, Jaguar, wilde Katze
brauchen keine weitere Darſtellung. Die Hauskatze iſt beſonders durch
ihr behagliches ſogenanntes Spinnen, die niedlichen Bewegungen, wenn
ſie ſich putzt, ihr ſchmeichelndes Anſchmiegen ein gemüthlicher Hausgenoſſe,
läßt aber nicht von der Falſchheit. Mehr von ihr im folgenden §. Den
Luchs erwähnen wir nicht beſonders; er macht etwa den Uebergang von
der Katze zum Hund, iſt durch ſein ſcharfes Auge ſprichwörtlich und
in dieſem Sinne auch äſthetiſch verwendbar.
§. 313.
Der Hund iſt hirſchähnlicher, hat längeren, mehr horizontalen Kopf,
runderen Leib, trägt ſich geſammelter, elaſtiſcher, höher, iſt vielfacherer Bewe-
gungen fähig, läßt die blutige Wildheit dem hyänenartigen Wolfe, die Liſt,
dieſe geringere Form der Intelligenz, dem ſpitzſchnauzigen Fuchſe und iſt nicht
nur das gelehrigſte und geſcheuteſte, ſondern auch das durch Analogie ſittlicher
Tugenden ausgezeichnetſte Landthier. Dieſer treue Begleiter, Luſtigmacher,
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