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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.

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C.
Die menschliche Schönheit.
§. 316.

Das organische Leben erhebt sich zu der absoluten Gestalt, welche In-
begriff und Maß aller Schönheit der unorganischen, der vegetabilischen und
thierischen Schönheit ist. Es geht aber mit ihr eine neue Welt auf, welche
unendlich mehr, als organisches Naturleben ist, denn diese Gestalt ist das reine
Aeußere eines Innern, welches nicht nur mit allen Mitteln der nun über-
wundenen Naturstufen sich die übrige Welt zum Objecte macht, sondern, indem
es durch die That des Selbstbewußtseins sich selbst und die in ihm gesammelte
Natur sich als Subject gegenüberstellt, nun erst auf wahrhafte Weise auch die
ganze umgebende Welt sich zum Objecte macht und ebenso die Wesen der
eigenen Gattung erkennt, mit ihnen in bewußte Gemeinschaft tritt und neue
Werke, eine zweite Natur aufbaut. In diesem persönlichen Wesen, dem Ich
der Welt hat erst die Idee ihre wahre Wirklichkeit und durch die schlechtweg
entsprechende Einheit des Aeußern und Innern das Schöne sein wahres Dasein
gefunden. Ebendieß ist auch so auszudrücken, daß jetzt der Zuschauer sich selbst
nicht mehr erst durch Leihung in den Gegenstand zu legen hat, sondern sich
wirklich darin findet.

Die Schönheit des Menschen ist noch eine organische und wäre daher
unter B als dritte Unterabtheilung c zu setzen. Der Mensch ist das
schönste Säugthier des Landes. Dieser Superlativ ist aber falsch; statt
des Schönsten tritt ein wahrhaft Schönes ein, welches nicht mehr thierisch
ist. Der Mensch ist Natur und ebenso absolut nicht mehr Natur, die
höchste Stufe ein unendlicher Sprung. Daher muß statt einer letzten
Unterabtheilung c eine neue Abtheilung C stehen; denn auch die Gestalt

C.
Die menſchliche Schönheit.
§. 316.

Das organiſche Leben erhebt ſich zu der abſoluten Geſtalt, welche In-
begriff und Maß aller Schönheit der unorganiſchen, der vegetabiliſchen und
thieriſchen Schönheit iſt. Es geht aber mit ihr eine neue Welt auf, welche
unendlich mehr, als organiſches Naturleben iſt, denn dieſe Geſtalt iſt das reine
Aeußere eines Innern, welches nicht nur mit allen Mitteln der nun über-
wundenen Naturſtufen ſich die übrige Welt zum Objecte macht, ſondern, indem
es durch die That des Selbſtbewußtſeins ſich ſelbſt und die in ihm geſammelte
Natur ſich als Subject gegenüberſtellt, nun erſt auf wahrhafte Weiſe auch die
ganze umgebende Welt ſich zum Objecte macht und ebenſo die Weſen der
eigenen Gattung erkennt, mit ihnen in bewußte Gemeinſchaft tritt und neue
Werke, eine zweite Natur aufbaut. In dieſem perſönlichen Weſen, dem Ich
der Welt hat erſt die Idee ihre wahre Wirklichkeit und durch die ſchlechtweg
entſprechende Einheit des Aeußern und Innern das Schöne ſein wahres Daſein
gefunden. Ebendieß iſt auch ſo auszudrücken, daß jetzt der Zuſchauer ſich ſelbſt
nicht mehr erſt durch Leihung in den Gegenſtand zu legen hat, ſondern ſich
wirklich darin findet.

Die Schönheit des Menſchen iſt noch eine organiſche und wäre daher
unter B als dritte Unterabtheilung c zu ſetzen. Der Menſch iſt das
ſchönſte Säugthier des Landes. Dieſer Superlativ iſt aber falſch; ſtatt
des Schönſten tritt ein wahrhaft Schönes ein, welches nicht mehr thieriſch
iſt. Der Menſch iſt Natur und ebenſo abſolut nicht mehr Natur, die
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Unterabtheilung c eine neue Abtheilung C ſtehen; denn auch die Geſtalt

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[[157]/0169] C. Die menſchliche Schönheit. §. 316. Das organiſche Leben erhebt ſich zu der abſoluten Geſtalt, welche In- begriff und Maß aller Schönheit der unorganiſchen, der vegetabiliſchen und thieriſchen Schönheit iſt. Es geht aber mit ihr eine neue Welt auf, welche unendlich mehr, als organiſches Naturleben iſt, denn dieſe Geſtalt iſt das reine Aeußere eines Innern, welches nicht nur mit allen Mitteln der nun über- wundenen Naturſtufen ſich die übrige Welt zum Objecte macht, ſondern, indem es durch die That des Selbſtbewußtſeins ſich ſelbſt und die in ihm geſammelte Natur ſich als Subject gegenüberſtellt, nun erſt auf wahrhafte Weiſe auch die ganze umgebende Welt ſich zum Objecte macht und ebenſo die Weſen der eigenen Gattung erkennt, mit ihnen in bewußte Gemeinſchaft tritt und neue Werke, eine zweite Natur aufbaut. In dieſem perſönlichen Weſen, dem Ich der Welt hat erſt die Idee ihre wahre Wirklichkeit und durch die ſchlechtweg entſprechende Einheit des Aeußern und Innern das Schöne ſein wahres Daſein gefunden. Ebendieß iſt auch ſo auszudrücken, daß jetzt der Zuſchauer ſich ſelbſt nicht mehr erſt durch Leihung in den Gegenſtand zu legen hat, ſondern ſich wirklich darin findet. Die Schönheit des Menſchen iſt noch eine organiſche und wäre daher unter B als dritte Unterabtheilung c zu ſetzen. Der Menſch iſt das ſchönſte Säugthier des Landes. Dieſer Superlativ iſt aber falſch; ſtatt des Schönſten tritt ein wahrhaft Schönes ein, welches nicht mehr thieriſch iſt. Der Menſch iſt Natur und ebenſo abſolut nicht mehr Natur, die höchſte Stufe ein unendlicher Sprung. Daher muß ſtatt einer letzten Unterabtheilung c eine neue Abtheilung C ſtehen; denn auch die Geſtalt

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. [157]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/169>, abgerufen am 27.11.2024.