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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.

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nackigen, kurzhalsigen, breitgeschulterten und breitbrustigen, schmalhüftigen,
aber mit starkem Hintertheil versehenen, langgeschenkelten, überall muskel-
starken athletischen Bildung steht als Extrem die langgezogene, hagere
und zugleich muskelschlaffe Bildung gegenüber, die häufig bei abstract
geistigen Naturen vorkommt. Die breite und kurze Gestalt tritt aber auch
in schwammiger Fette auf, wobei häufig die Hüften zu weiblicher Breite
anschwellen und die feinen Hände und Füße einen zarten, etwa dem
Schönen und Geschmackvollen zugeneigten, aber auch weichlichen und
genußlustigen Menschen zu verrathen scheinen. Dagegen faßt sich der
athletische Typus zu feiner Schlankheit, geschmeidiger Kraft zusammen
in dem behenden und klugen Mercur; die hohe und gezogene Gestalt
sammelt sich zu straffer und schwungvoller Erhabenheit in dem begei-
sterten Apoll. Dieß sind dürftige Andeutungen; nur von der Hand,
welcher gewöhnlich der Fuß in seiner Bildung entspricht, noch Einiges.
Hier ist Carus (Ueber Grund und Bedeutung der verschiedenen Formen
der Hand in verschiedenen Personen) auf etwas sichererem Boden und
gibt fruchtbare Bemerkungen nach d'Arpentigny, den er auf geordnetere
Grundbegriffe zurückführt. Auf die doppelte Bedeutung der Hand als
Gefühls-Organ und als Ergreifungs-, Bewegungs-, Kunst-Organ wird
zunächst der Gegensatz der sensibeln und der motorischen Hand gegründet.
Jene ist klein, weich, fein, von nicht allzubreiter Fläche, die zarten Finger
neigen sich zur konischen Zuspitzung, schwellen aber am Ende etwas
spatelförmig an, der Daumen ist klein, die Gelenkbildung sehr wenig
vorragend; sie verräth eine feinere, zu Phantasie, Kunst und Scharfsinn
geneigte, weiche, weiblichere Seele. Diese ist größer, knotig durch stark
ausragende Gelenke, von derben Muskeln und Knochen, die Finger
endigen sich viereckig, der Daumen ist groß, der Ballen stark, die Hand-
fläche mittelmäßig, hohl und derb; es ist die Hand des willenskräftigen,
handelnden Menschen, der männlichen Seele. Vor diesen Gegensatz stellt
er die elementare Hand, das rohe Gebilde, wo die Handfläche noch vor-
herrscht und eine nur unvollkommene Entwicklung kurzer und unbeholfener
Finger gegeben ist: das Werkzeug des Naturmenschen, der zur schweren
Arbeit bestimmt ist, das aber nicht nur im Naturzustande der Völker und
im dienenden Stande, sondern immer und in allen Klassen vorkommt.
Ueber jenen Gegensatz aber stellt er diejenige Hand, die er die seelische
nennt, die Hand, worin die motorische und sensible vereinigt ist: mittlere
Größe, die Handfläche mäßig breit, die Finger fein, schlank und ziemlich
lang, die Gelenke nicht hervorragend oder nur leicht wellenförmig erhoben,
an der äußeren Phalange konisch ausgezogen. Es ist die Hand des
denkenden, zur Wissenschaft berufenen Geistes, der zugleich das Zweck-
mäßige und Große thut, aber nicht im eigentlich praktischen Gebiete,

nackigen, kurzhalſigen, breitgeſchulterten und breitbruſtigen, ſchmalhüftigen,
aber mit ſtarkem Hintertheil verſehenen, langgeſchenkelten, überall muskel-
ſtarken athletiſchen Bildung ſteht als Extrem die langgezogene, hagere
und zugleich muskelſchlaffe Bildung gegenüber, die häufig bei abſtract
geiſtigen Naturen vorkommt. Die breite und kurze Geſtalt tritt aber auch
in ſchwammiger Fette auf, wobei häufig die Hüften zu weiblicher Breite
anſchwellen und die feinen Hände und Füße einen zarten, etwa dem
Schönen und Geſchmackvollen zugeneigten, aber auch weichlichen und
genußluſtigen Menſchen zu verrathen ſcheinen. Dagegen faßt ſich der
athletiſche Typus zu feiner Schlankheit, geſchmeidiger Kraft zuſammen
in dem behenden und klugen Mercur; die hohe und gezogene Geſtalt
ſammelt ſich zu ſtraffer und ſchwungvoller Erhabenheit in dem begei-
ſterten Apoll. Dieß ſind dürftige Andeutungen; nur von der Hand,
welcher gewöhnlich der Fuß in ſeiner Bildung entſpricht, noch Einiges.
Hier iſt Carus (Ueber Grund und Bedeutung der verſchiedenen Formen
der Hand in verſchiedenen Perſonen) auf etwas ſichererem Boden und
gibt fruchtbare Bemerkungen nach d’Arpentigny, den er auf geordnetere
Grundbegriffe zurückführt. Auf die doppelte Bedeutung der Hand als
Gefühls-Organ und als Ergreifungs-, Bewegungs-, Kunſt-Organ wird
zunächſt der Gegenſatz der ſenſibeln und der motoriſchen Hand gegründet.
Jene iſt klein, weich, fein, von nicht allzubreiter Fläche, die zarten Finger
neigen ſich zur koniſchen Zuſpitzung, ſchwellen aber am Ende etwas
ſpatelförmig an, der Daumen iſt klein, die Gelenkbildung ſehr wenig
vorragend; ſie verräth eine feinere, zu Phantaſie, Kunſt und Scharfſinn
geneigte, weiche, weiblichere Seele. Dieſe iſt größer, knotig durch ſtark
ausragende Gelenke, von derben Muskeln und Knochen, die Finger
endigen ſich viereckig, der Daumen iſt groß, der Ballen ſtark, die Hand-
fläche mittelmäßig, hohl und derb; es iſt die Hand des willenskräftigen,
handelnden Menſchen, der männlichen Seele. Vor dieſen Gegenſatz ſtellt
er die elementare Hand, das rohe Gebilde, wo die Handfläche noch vor-
herrſcht und eine nur unvollkommene Entwicklung kurzer und unbeholfener
Finger gegeben iſt: das Werkzeug des Naturmenſchen, der zur ſchweren
Arbeit beſtimmt iſt, das aber nicht nur im Naturzuſtande der Völker und
im dienenden Stande, ſondern immer und in allen Klaſſen vorkommt.
Ueber jenen Gegenſatz aber ſtellt er diejenige Hand, die er die ſeeliſche
nennt, die Hand, worin die motoriſche und ſenſible vereinigt iſt: mittlere
Größe, die Handfläche mäßig breit, die Finger fein, ſchlank und ziemlich
lang, die Gelenke nicht hervorragend oder nur leicht wellenförmig erhoben,
an der äußeren Phalange koniſch ausgezogen. Es iſt die Hand des
denkenden, zur Wiſſenſchaft berufenen Geiſtes, der zugleich das Zweck-
mäßige und Große thut, aber nicht im eigentlich praktiſchen Gebiete,

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[212/0224] nackigen, kurzhalſigen, breitgeſchulterten und breitbruſtigen, ſchmalhüftigen, aber mit ſtarkem Hintertheil verſehenen, langgeſchenkelten, überall muskel- ſtarken athletiſchen Bildung ſteht als Extrem die langgezogene, hagere und zugleich muskelſchlaffe Bildung gegenüber, die häufig bei abſtract geiſtigen Naturen vorkommt. Die breite und kurze Geſtalt tritt aber auch in ſchwammiger Fette auf, wobei häufig die Hüften zu weiblicher Breite anſchwellen und die feinen Hände und Füße einen zarten, etwa dem Schönen und Geſchmackvollen zugeneigten, aber auch weichlichen und genußluſtigen Menſchen zu verrathen ſcheinen. Dagegen faßt ſich der athletiſche Typus zu feiner Schlankheit, geſchmeidiger Kraft zuſammen in dem behenden und klugen Mercur; die hohe und gezogene Geſtalt ſammelt ſich zu ſtraffer und ſchwungvoller Erhabenheit in dem begei- ſterten Apoll. Dieß ſind dürftige Andeutungen; nur von der Hand, welcher gewöhnlich der Fuß in ſeiner Bildung entſpricht, noch Einiges. Hier iſt Carus (Ueber Grund und Bedeutung der verſchiedenen Formen der Hand in verſchiedenen Perſonen) auf etwas ſichererem Boden und gibt fruchtbare Bemerkungen nach d’Arpentigny, den er auf geordnetere Grundbegriffe zurückführt. Auf die doppelte Bedeutung der Hand als Gefühls-Organ und als Ergreifungs-, Bewegungs-, Kunſt-Organ wird zunächſt der Gegenſatz der ſenſibeln und der motoriſchen Hand gegründet. Jene iſt klein, weich, fein, von nicht allzubreiter Fläche, die zarten Finger neigen ſich zur koniſchen Zuſpitzung, ſchwellen aber am Ende etwas ſpatelförmig an, der Daumen iſt klein, die Gelenkbildung ſehr wenig vorragend; ſie verräth eine feinere, zu Phantaſie, Kunſt und Scharfſinn geneigte, weiche, weiblichere Seele. Dieſe iſt größer, knotig durch ſtark ausragende Gelenke, von derben Muskeln und Knochen, die Finger endigen ſich viereckig, der Daumen iſt groß, der Ballen ſtark, die Hand- fläche mittelmäßig, hohl und derb; es iſt die Hand des willenskräftigen, handelnden Menſchen, der männlichen Seele. Vor dieſen Gegenſatz ſtellt er die elementare Hand, das rohe Gebilde, wo die Handfläche noch vor- herrſcht und eine nur unvollkommene Entwicklung kurzer und unbeholfener Finger gegeben iſt: das Werkzeug des Naturmenſchen, der zur ſchweren Arbeit beſtimmt iſt, das aber nicht nur im Naturzuſtande der Völker und im dienenden Stande, ſondern immer und in allen Klaſſen vorkommt. Ueber jenen Gegenſatz aber ſtellt er diejenige Hand, die er die ſeeliſche nennt, die Hand, worin die motoriſche und ſenſible vereinigt iſt: mittlere Größe, die Handfläche mäßig breit, die Finger fein, ſchlank und ziemlich lang, die Gelenke nicht hervorragend oder nur leicht wellenförmig erhoben, an der äußeren Phalange koniſch ausgezogen. Es iſt die Hand des denkenden, zur Wiſſenſchaft berufenen Geiſtes, der zugleich das Zweck- mäßige und Große thut, aber nicht im eigentlich praktiſchen Gebiete,

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/224>, abgerufen am 23.11.2024.