Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
sondern auch in's Grünliche übergehen, das Grüne blaugrün oder gelb- 2. Ueber die Farben gießt sich wieder das reine Licht und bestimmt
ſondern auch in’s Grünliche übergehen, das Grüne blaugrün oder gelb- 2. Ueber die Farben gießt ſich wieder das reine Licht und beſtimmt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0058" n="46"/> ſondern auch in’s Grünliche übergehen, das Grüne blaugrün oder gelb-<lb/> grün, wie das Violette rothblau oder blauroth ſein; das Braune, das<lb/> ſeiner breiten Herrſchaft wegen neben den Hauptfarben angeführt wurde,<lb/> ſchattirt ſich in das Gelbe, Blaue, Rothe; das Graue kann gelbliche, grün-<lb/> liche, bläuliche, bräunliche Beimiſchung haben u. ſ. w. Jede Schattirung<lb/> dieſer Art hat wieder eine unendlich lange Leiter von Stufen. Es<lb/> gibt übrigens natürlich kein bläuliches Orange, kein röthliches Grün, kein<lb/> gelbliches Violett. Neben dieſe Reihe von Schattirungen tritt aber nun<lb/> noch die Stufenleiter der Intenſität, der Verdünnungen in’s Weiße oder<lb/> Vertiefungen in’s Schwarze: der unendliche Unterſchied der <hi rendition="#g">Töne</hi>. Wie<lb/> ſehr durch dieſen die ſittlich-ſinnliche Wirkung der Farbe verändert wird,<lb/> mache man ſich nur z. B. an der ſanften Stimmung des Blaßrothen gegen<lb/> das Hochrothe deutlich: jenes iſt ſüß und anmuthig, während dieß pracht-<lb/> voll erhaben iſt. Die Stimmung wird offener, heller, milder, je mehr<lb/> eine Farbe gegen das Weiße, ſie wird gedrängter, energiſcher, je mehr<lb/> ſie gegen das Schwarze zunimmt, doch über einer gewißen Grenze wird<lb/> die Verdünnung charakterlos matt, die Vertiefung trüb und traurig. Nun<lb/> beginnt aber eine neue Reihe von Beſtimmtheiten, wenn man die Ton-<lb/> leiter der Verdünnung oder Vertiefung mit der Leiter der Schattirungen<lb/> verbindet: die gemiſchte Empfindung, welche die Schattirung hervorbringt,<lb/> verbindet ſich mit der beſondern Weiſe der Stimmung, welche die Erhellung<lb/> oder Verdunklung mit ſich führt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Ueber die Farben gießt ſich wieder das reine Licht und beſtimmt<lb/> ihren Eindruck durch die Intenſität oder Trübung ſeines Tons. Es färbt<lb/> ſich aber auch ſelbſt und ſo entſteht eine neue Welt von Reizen. Das<lb/> Sonnenlicht durch ein vor ihm ſtehendes erhelltes Medium geröthet über-<lb/> gießt eine ganze Landſchaft und ihre Lokalfarben mit glühendem Roth, es<lb/> erleuchtet, aus dem Meerwaſſer der blauen Grotte auf Capri widerſtrahlend,<lb/> die Räume derſelben mit wunderbarem Blau u. ſ. w. Das Feuer ver-<lb/> breitet ſeinen unruhigeren röthlichen, bläulichen Schein. Trifft die Farbe<lb/> mit Glanz zuſammen, ſo werden nun erſt die verſchiedenen Arten deſſelben:<lb/> metalliſcher Glanz, Perlmutterglanz, Seidenglanz, Schmelz u. ſ. w. wichtig.<lb/> Von beſonderem Reize iſt auch farbige ſammtartige Oberfläche, welche ein<lb/> mattes Licht an ihren Rändern und Falten hinzieht und durch ihren zart<lb/> wolligen Charakter der Farbe eine beſondere edle Dämpfung verleiht.<lb/> In der durchſichtigen Farbe verbindet ſich die geiſtig tiefe Bedeutung des<lb/> Durchſichtigen (§. 243, <hi rendition="#sub">2.</hi>) mit der ſpezifiſchen Wirkung der Farbe. Durch<lb/> dieſe behauptet ſich ein Körper in ſeiner Individualität gegen das allgemeine<lb/> Licht, indem er aber das Licht zugleich durchläßt und ſich daher hinzugeben,<lb/> ſeine ſpröde Materialität zu opfern ſcheint, ſo gewinnt er ſeine ſpezifiſche<lb/> Beſtimmtheit in verſtärkter Kraft und Gluth, die in unendliche Tiefen ſich<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0058]
ſondern auch in’s Grünliche übergehen, das Grüne blaugrün oder gelb-
grün, wie das Violette rothblau oder blauroth ſein; das Braune, das
ſeiner breiten Herrſchaft wegen neben den Hauptfarben angeführt wurde,
ſchattirt ſich in das Gelbe, Blaue, Rothe; das Graue kann gelbliche, grün-
liche, bläuliche, bräunliche Beimiſchung haben u. ſ. w. Jede Schattirung
dieſer Art hat wieder eine unendlich lange Leiter von Stufen. Es
gibt übrigens natürlich kein bläuliches Orange, kein röthliches Grün, kein
gelbliches Violett. Neben dieſe Reihe von Schattirungen tritt aber nun
noch die Stufenleiter der Intenſität, der Verdünnungen in’s Weiße oder
Vertiefungen in’s Schwarze: der unendliche Unterſchied der Töne. Wie
ſehr durch dieſen die ſittlich-ſinnliche Wirkung der Farbe verändert wird,
mache man ſich nur z. B. an der ſanften Stimmung des Blaßrothen gegen
das Hochrothe deutlich: jenes iſt ſüß und anmuthig, während dieß pracht-
voll erhaben iſt. Die Stimmung wird offener, heller, milder, je mehr
eine Farbe gegen das Weiße, ſie wird gedrängter, energiſcher, je mehr
ſie gegen das Schwarze zunimmt, doch über einer gewißen Grenze wird
die Verdünnung charakterlos matt, die Vertiefung trüb und traurig. Nun
beginnt aber eine neue Reihe von Beſtimmtheiten, wenn man die Ton-
leiter der Verdünnung oder Vertiefung mit der Leiter der Schattirungen
verbindet: die gemiſchte Empfindung, welche die Schattirung hervorbringt,
verbindet ſich mit der beſondern Weiſe der Stimmung, welche die Erhellung
oder Verdunklung mit ſich führt.
2. Ueber die Farben gießt ſich wieder das reine Licht und beſtimmt
ihren Eindruck durch die Intenſität oder Trübung ſeines Tons. Es färbt
ſich aber auch ſelbſt und ſo entſteht eine neue Welt von Reizen. Das
Sonnenlicht durch ein vor ihm ſtehendes erhelltes Medium geröthet über-
gießt eine ganze Landſchaft und ihre Lokalfarben mit glühendem Roth, es
erleuchtet, aus dem Meerwaſſer der blauen Grotte auf Capri widerſtrahlend,
die Räume derſelben mit wunderbarem Blau u. ſ. w. Das Feuer ver-
breitet ſeinen unruhigeren röthlichen, bläulichen Schein. Trifft die Farbe
mit Glanz zuſammen, ſo werden nun erſt die verſchiedenen Arten deſſelben:
metalliſcher Glanz, Perlmutterglanz, Seidenglanz, Schmelz u. ſ. w. wichtig.
Von beſonderem Reize iſt auch farbige ſammtartige Oberfläche, welche ein
mattes Licht an ihren Rändern und Falten hinzieht und durch ihren zart
wolligen Charakter der Farbe eine beſondere edle Dämpfung verleiht.
In der durchſichtigen Farbe verbindet ſich die geiſtig tiefe Bedeutung des
Durchſichtigen (§. 243, 2.) mit der ſpezifiſchen Wirkung der Farbe. Durch
dieſe behauptet ſich ein Körper in ſeiner Individualität gegen das allgemeine
Licht, indem er aber das Licht zugleich durchläßt und ſich daher hinzugeben,
ſeine ſpröde Materialität zu opfern ſcheint, ſo gewinnt er ſeine ſpezifiſche
Beſtimmtheit in verſtärkter Kraft und Gluth, die in unendliche Tiefen ſich
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