Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.
empfangende Prinzip gegenüber dem zeugenden (Erde und Sonne u. s. w.) Dieß Prinzip gegenüberstellender Theilung entspricht ganz der verstei- §. 430. Diese Gegensätze sind aber nicht zugleich ästhetische, denn die unreife1 Vischers's Aesthetik. 2. Band. 28
empfangende Prinzip gegenüber dem zeugenden (Erde und Sonne u. ſ. w.) Dieß Prinzip gegenüberſtellender Theilung entſpricht ganz der verſtei- §. 430. Dieſe Gegenſätze ſind aber nicht zugleich äſthetiſche, denn die unreife1 Viſchers’s Aeſthetik. 2. Band. 28
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empfangende Prinzip gegenüber dem zeugenden (Erde und Sonne u. ſ. w.)
darſtellt. Der eigentliche Dualiſmus tritt dann im verzehrenden Siwa
und den, das zerſtörte Band mit der überſinnlichen Welt herſtellenden
Awataren Wiſchnu’s auf. Das dunkle Urweſen iſt in Perſien Zeruane
Akerene gegenüber der concreten Götterwelt, weibliche Form ſpielt in dem
männlichen Geiſte dieſer Religion allerdings keine Rolle, aber der volle
Dualiſmus iſt in dem Kampfe des Ormuzd und Ariman um ſo ſtärker
ausgeſprochen. Den vorderaſiatiſchen Semiten fehlt nicht das eigen-
ſchaftsloſe Urweſen: ſo verehrten die Babylonier die Allmutter Omoroka;
in der perſönlichen Götterwelt herrſcht hier durchgängig der Gegenſatz
einer männlichen und weiblichen Hauptgottheit, Sonne und Mond, Him-
mel und Erde (Baal und Mylitta der Babylonier u. ſ. w.); der eigent-
liche Dualiſmus aber als Kampf eines guten und böſen Gottes tritt bei
Syrern und Phöniziern ebenſo auf wie bei Aegyptiern: dort iſt es Ado-
nis und Typhon, hier Oſiris und Typhon. Das dunkle Urweſen iſt bei
den Letzteren unter der Form des Ammon, Ptah, vorzüglich aber der
Neith mit der geheimnißvollen Inſchrift ihres Tempels zu Sais zu er-
kennen und den Gegenſatz einer weiblichen und männlichen Hauptgottheit
(Iſis und Oſiris) theilen ſie ebenfalls mit den Semiten. Die Juden ſelbſt
haben ſich keineswegs vom Dualiſmus befreit; Satan iſt Ariman, Typhon.
Dieß Prinzip gegenüberſtellender Theilung entſpricht ganz der verſtei-
nerten Scheidung der Stände und Thätigkeiten in den orientaliſchen Staaten,
deren harte Nothwendigkeit ſelbſt wieder in der Vermengung des Gött-
lichen und Weltlichen ihren Grund hat. Der Deſpot iſt unbegriffene
Macht wie die dunkle Urgottheit, aber ebenſoſehr erkennt man in ihm
den oberſten perſönlichen Gott mit ſeinen Geiſtern und Heerſchaaren. In
Indien ſtehen über den Königen die Bramanen, ſie ſtammen aus dem
Munde Brama’s, die Krieger und Könige ſind aus den Armen, die Ge-
werb- und Ackerbautreibenden aus der Hüfte, die Dienenden aus dem Fuße
entſprungen. Man ſieht ſogleich, wie ſolche theilende Symbolik dem In-
tereſſe des Schönen, das wir nun wieder aufnehmen, im Innerſten
widerſtreitet.
§. 430.
Dieſe Gegenſätze ſind aber nicht zugleich äſthetiſche, denn die unreife
Phantaſie iſt überhaupt noch vom Intereſſe des Symbols gebunden. Von den
in §. 404 aufgeſtellten Arten nun muß ihr vorzüglich die bildende und in
dieſer die meſſende zufallen, von den in §. 402 aufgeführten die erhabene.
Allein der Dualiſmus als Symbolik beſtimmt dieſe meſſende Erhabenheit zu dem
Drange, die fehlende Qualität durch Quantität zu erſetzen, und treibt ſie in
das Formloſe und Ungeheure, in das überladen Prachtvolle, insbeſondere, wo
Viſchers’s Aeſthetik. 2. Band. 28
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