Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
Maaßen, Zirkelriß u. s. w. für Curven und andere, zusammengesetztere
Maaßen, Zirkelriß u. ſ. w. für Curven und andere, zuſammengeſetztere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0049" n="209"/> Maaßen, Zirkelriß u. ſ. w. für Curven und andere, zuſammengeſetztere<lb/> mathematiſche Formen im Steinſchnitte zu bearbeiten. Dadurch erſt iſt<lb/> der Baukünſtler im Stande, jeden Theil ſo zu fügen, daß jenes leben-<lb/> dige Wechſelverhältniß der Kräfte entſteht, das alle Baukunſt fordert.<lb/> Ihre ganze Wichtigkeit erhält dieſe Grundbedingung freien Baus in der<lb/> Decke: „da aus der Ueberſpannung und Ueberdeckung der Räumlichkeit<lb/> wie der freien Stützenweiten die Gliederung der Deckung hervorgeht und<lb/> wiederum an die Gliederung der Deckung das Schema des Planes, die<lb/> Diſpoſition und die realen Abſtands- oder Spannweiten der freiſtehenden<lb/> Stützen gebunden ſind und nach ihr geſtimmt werden, ſo kann man ſagen:<lb/> der Bauſtyl ſtehe in Hinſicht auf Mechanik“ (nicht blos dieß) „am höch-<lb/> ſten, welcher mittelſt einer künſtlichen, Momente erzeugenden Gliederung<lb/> der Decke jedes Material ſo weit beſiegt habe, daß er nicht allein die<lb/> größeren Raum- oder Stützweiten überſpannen, ſondern dabei auch jed-<lb/> wedes Schema der Räumlichkeit überdecken könne und mithin möglich<lb/> mache“ (Bötticher a. a. O. Excurs <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 2). — Die zweite Bedingung<lb/> iſt eine Textur des Materials, welche die der allgemeinen und einzelnen<lb/> Aufgabe entſprechende künſtleriſche Bearbeitung der Oberfläche und Aus-<lb/> führung des Decorativen zuläßt. Der Ausdruck iſt abſichtlich unbeſtimmt<lb/> gehalten; ein Bauwerk fordert ſeiner Bedeutung nach feinere Bearbeitung,<lb/> Schleifung, Politur, einem andern ſteht eine rauhere Oberfläche, ſicht-<lb/> barer Meißelſchlag beſſer an; ein gewiſſer Grad von Feinheit, Glätte<lb/> wird dem ernſt monumentalen Styl immer widerſprechen, dagegen dem<lb/> prachtvollen, glänzenden, leichten, ſchlanken günſtiger ſein; der Zufall,<lb/> daß gerade ein Material zur Hand iſt, das in dieſer Beziehung die eine<lb/> oder andere Behandlungsweiſe bedingt, kann aber auch auf die Stimmung<lb/> des Künſtlers tief zurückwirken und ſo auf den Grundcharakter ſeines<lb/> Werkes einfließen. Was insbeſondere die Glieder und das Ornament<lb/> betrifft, ſo iſt klar, daß das feinere Korn eine reichere Durchbildung, das<lb/> gröbere eine breitere Haltung auch nach dieſer Seite mit ſich bringt. —<lb/> Die dritte Bedingung faßt mit der vorhergehenden das Moment der<lb/> Farbe zuſammen. Die Wichtigkeit dieſes Moments folgt von ſelbſt aus<lb/> dem, was über die in den Farben liegende Stimmung in §. 246 ff.<lb/> geſagt iſt. Sofern die natürliche Farbe des Materials unzulänglich er-<lb/> ſcheint, tritt hier die Frage über die Polychromie ein. Da jedoch, auch<lb/> wenn bewieſen ſein ſollte, daß im griechiſchen Bau kein Fleck unbemalt<lb/> blieb, dieſes Verfahren nimmermehr allgemeines, bleibendes Geſetz werden<lb/> kann, ſo behandeln wir dieſe Frage vorerſt ganz unbefangen ſo, daß wir<lb/> überall von der natürlichen Farbenwirkung des Materials ausgehen und<lb/> die Farbe nur als eine Nachhilfe betrachten, die da eintritt, wo dieſe<lb/> unzulänglich iſt.</hi> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [209/0049]
Maaßen, Zirkelriß u. ſ. w. für Curven und andere, zuſammengeſetztere
mathematiſche Formen im Steinſchnitte zu bearbeiten. Dadurch erſt iſt
der Baukünſtler im Stande, jeden Theil ſo zu fügen, daß jenes leben-
dige Wechſelverhältniß der Kräfte entſteht, das alle Baukunſt fordert.
Ihre ganze Wichtigkeit erhält dieſe Grundbedingung freien Baus in der
Decke: „da aus der Ueberſpannung und Ueberdeckung der Räumlichkeit
wie der freien Stützenweiten die Gliederung der Deckung hervorgeht und
wiederum an die Gliederung der Deckung das Schema des Planes, die
Diſpoſition und die realen Abſtands- oder Spannweiten der freiſtehenden
Stützen gebunden ſind und nach ihr geſtimmt werden, ſo kann man ſagen:
der Bauſtyl ſtehe in Hinſicht auf Mechanik“ (nicht blos dieß) „am höch-
ſten, welcher mittelſt einer künſtlichen, Momente erzeugenden Gliederung
der Decke jedes Material ſo weit beſiegt habe, daß er nicht allein die
größeren Raum- oder Stützweiten überſpannen, ſondern dabei auch jed-
wedes Schema der Räumlichkeit überdecken könne und mithin möglich
mache“ (Bötticher a. a. O. Excurs I, S. 2). — Die zweite Bedingung
iſt eine Textur des Materials, welche die der allgemeinen und einzelnen
Aufgabe entſprechende künſtleriſche Bearbeitung der Oberfläche und Aus-
führung des Decorativen zuläßt. Der Ausdruck iſt abſichtlich unbeſtimmt
gehalten; ein Bauwerk fordert ſeiner Bedeutung nach feinere Bearbeitung,
Schleifung, Politur, einem andern ſteht eine rauhere Oberfläche, ſicht-
barer Meißelſchlag beſſer an; ein gewiſſer Grad von Feinheit, Glätte
wird dem ernſt monumentalen Styl immer widerſprechen, dagegen dem
prachtvollen, glänzenden, leichten, ſchlanken günſtiger ſein; der Zufall,
daß gerade ein Material zur Hand iſt, das in dieſer Beziehung die eine
oder andere Behandlungsweiſe bedingt, kann aber auch auf die Stimmung
des Künſtlers tief zurückwirken und ſo auf den Grundcharakter ſeines
Werkes einfließen. Was insbeſondere die Glieder und das Ornament
betrifft, ſo iſt klar, daß das feinere Korn eine reichere Durchbildung, das
gröbere eine breitere Haltung auch nach dieſer Seite mit ſich bringt. —
Die dritte Bedingung faßt mit der vorhergehenden das Moment der
Farbe zuſammen. Die Wichtigkeit dieſes Moments folgt von ſelbſt aus
dem, was über die in den Farben liegende Stimmung in §. 246 ff.
geſagt iſt. Sofern die natürliche Farbe des Materials unzulänglich er-
ſcheint, tritt hier die Frage über die Polychromie ein. Da jedoch, auch
wenn bewieſen ſein ſollte, daß im griechiſchen Bau kein Fleck unbemalt
blieb, dieſes Verfahren nimmermehr allgemeines, bleibendes Geſetz werden
kann, ſo behandeln wir dieſe Frage vorerſt ganz unbefangen ſo, daß wir
überall von der natürlichen Farbenwirkung des Materials ausgehen und
die Farbe nur als eine Nachhilfe betrachten, die da eintritt, wo dieſe
unzulänglich iſt.
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