Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
immer bei sich bleibt, aber dem unerfüllten, objectlosen, inhaltslosen. §. 565. Der vollendete Bau zerfällt, in seinen Erstreckungen betrachtet, nach dem1. 1. Von den verschiedenen Rissen ist hier nicht in der Absicht die Rede, Vischer's Aesthetik. 3. Band. 15
immer bei ſich bleibt, aber dem unerfüllten, objectloſen, inhaltsloſen. §. 565. Der vollendete Bau zerfällt, in ſeinen Erſtreckungen betrachtet, nach dem1. 1. Von den verſchiedenen Riſſen iſt hier nicht in der Abſicht die Rede, Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 15
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immer bei ſich bleibt, aber dem unerfüllten, objectloſen, inhaltsloſen.
Daher fordert der §. als höhere Form den mit der geraden Linie, die
nun die Gegenſätze des erfüllten Lebens andeutet, zuſammengeſtellten Kreis-
und Kugel- Ausſchnitt: dieſer erſcheint dann als die Einheit, welche Gegen-
ſätze überſpannt, zuſammenfaßt, auflöst. Auch an das Firmament erinnert
das übergeſpannte Runde; iſt alle Baukunſt idealiſirte unorganiſche Natur,
ſo iſt dieſer Theil das ideal nachgebildete Himmelsgewölbe, die tiefere
Hindeutung aber iſt die auf den überblickenden, vereinenden, überwachenden
Geiſt. Von den verſchiedenen Curven, welche architektoniſch möglich ſind,
iſt hier noch nicht weiter zu handeln. Das Verhältniß der krummen zur
geraden Linie iſt eigentlich irrationell, aber nur ebenſo wie der erſte Stoß
des Geiſtes in ſeiner reinen Allgemeinheit auf das Object, und wie für dieſen
nun die ſchwere Aufgabe der Ergreifung und Verarbeitung des Gegen-
ſtandes beginnt, ſo für die Baukunſt die Schwierigkeit der Ueberführung,
Vermittlung zwiſchen beiden Linien. Sie hat dieſelbe in verſchiedener Weiſe
zu löſen geſucht, wie die Geſchichte zeigen wird. Daß die im engern
Sinne ſogenannten Glieder hier von höchſter Bedeutung ſind, leuchtet ein.
§. 565.
Der vollendete Bau zerfällt, in ſeinen Erſtreckungen betrachtet, nach dem
Raum-Schema in den Grundriß, nach ſeinem Innern in den (ſenkrechten)
Durchſchnitt, nach ſeinem Aeußern in den Aufriß. Die Geſtalt der Einzel-
theile ſpricht ſich in der Schärfe ihrer äußern Grenze durch das Profil aus.
Die äſthetiſche Wirkung des Innern und Aeußern zeigt das perſpectiviſche
Bild. Auf die Unterſcheidung des Innern und Aeußern (§. 555), das
Syſtem der Linien (§. 564), die ſtructiven Hauptmomente (§. 563) gründet
ſich nun die Eintheilung verſchiedener Hauptrichtungen in der Baukunſt:
Innenbau und Außenbau, Hochbau und Langbau, daneben Vierech
und Rundbau, Bau der vorherrſchenden Laſt oder Kraft. Der Innenbau
bedingt die Ausbildung der Façade. Dieſe Gegenſätze verhalten ſich ſo, daß
die entwickelte Kunſt ſowohl ihre Glieder, als auch ſie ſelbſt unter ſich mit
mäßigem Uebergewichte des einen oder andern Moments verbindet, wobei die
Vereinigung des Viereckigen und Runden von durchgreifender Wichtigkeit iſt.
1. Von den verſchiedenen Riſſen iſt hier nicht in der Abſicht die Rede,
um noch einmal den der Ausführung vorangehenden Entwurf von dieſer
zu unterſcheiden, wie dieß ſchon in §. 555 geſchehen, ſondern um das
Gebäude nun von allen Seiten zu betrachten; es iſt als vollendetes ge-
dacht und muß nach ſeinen verſchiedenen Dimenſionen auseinandergelegt
werden, damit ein Geſammtbild entſtehe. Volle äſthetiſche Geltung hat
Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 15
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