Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

tiger Rest, weil der taktische Zweck das freie Spiel der Figuren aus-
schließt; übrigens ist klar, daß die Einübung des Einzelnen zur kriegeri-
schen Gesammtbewegung in unserer Zeit darum so schwer ist, weil wir
sonst keine rhythmischen Massenbewegungen kennen. In aller Gymna-
stik bleiben die Griechen ebensosehr mustergültiges Ideal wie in der reinen,
selbständigen Bildnerkunst, und ihre großen Festspiele glänzen selbst in
der schwachen Vorstellung, die wir davon haben, als unerreichtes Bild
der höchsten nationalen Herrlichkeit. Das Geschichtliche gibt in Vollstän-
digkeit J. Heinr. Krause: Olympia oder d. großen olymp. Spiele u. s. w.
D. Gymnastik u. Agonistik der Hellenen. D. Pythien, Nemeen u. Isth-
mien. -- Endlich muß noch ein weiteres anhängendes Gebiet mit einem
Wort erwähnt werden: das Handwerk, das den Körper bekleidet, denn
es setzt plastischen (zugleich freilich auch malerischen) Sinn voraus. Auch
Pferdeschmuck will mit ästhetischem Gefühl behandelt sein; das wußten
die Orientalen, die Griechen, das Mittelalter, und weiß der heutige
Orientale besser, als die stumpfe Mode unserer Zeit und Welt.



tiger Reſt, weil der taktiſche Zweck das freie Spiel der Figuren aus-
ſchließt; übrigens iſt klar, daß die Einübung des Einzelnen zur kriegeri-
ſchen Geſammtbewegung in unſerer Zeit darum ſo ſchwer iſt, weil wir
ſonſt keine rhythmiſchen Maſſenbewegungen kennen. In aller Gymna-
ſtik bleiben die Griechen ebenſoſehr muſtergültiges Ideal wie in der reinen,
ſelbſtändigen Bildnerkunſt, und ihre großen Feſtſpiele glänzen ſelbſt in
der ſchwachen Vorſtellung, die wir davon haben, als unerreichtes Bild
der höchſten nationalen Herrlichkeit. Das Geſchichtliche gibt in Vollſtän-
digkeit J. Heinr. Krauſe: Olympia oder d. großen olymp. Spiele u. ſ. w.
D. Gymnaſtik u. Agoniſtik der Hellenen. D. Pythien, Nemeen u. Iſth-
mien. — Endlich muß noch ein weiteres anhängendes Gebiet mit einem
Wort erwähnt werden: das Handwerk, das den Körper bekleidet, denn
es ſetzt plaſtiſchen (zugleich freilich auch maleriſchen) Sinn voraus. Auch
Pferdeſchmuck will mit äſthetiſchem Gefühl behandelt ſein; das wußten
die Orientalen, die Griechen, das Mittelalter, und weiß der heutige
Orientale beſſer, als die ſtumpfe Mode unſerer Zeit und Welt.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0178" n="504"/>
tiger Re&#x017F;t, weil der takti&#x017F;che Zweck das freie Spiel der Figuren aus-<lb/>
&#x017F;chließt; übrigens i&#x017F;t klar, daß die Einübung des Einzelnen zur kriegeri-<lb/>
&#x017F;chen Ge&#x017F;ammtbewegung in un&#x017F;erer Zeit darum &#x017F;o &#x017F;chwer i&#x017F;t, weil wir<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t keine rhythmi&#x017F;chen Ma&#x017F;&#x017F;enbewegungen kennen. In aller Gymna-<lb/>
&#x017F;tik bleiben die Griechen eben&#x017F;o&#x017F;ehr mu&#x017F;tergültiges Ideal wie in der reinen,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;tändigen Bildnerkun&#x017F;t, und ihre großen Fe&#x017F;t&#x017F;piele glänzen &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
der &#x017F;chwachen Vor&#x017F;tellung, die wir davon haben, als unerreichtes Bild<lb/>
der höch&#x017F;ten nationalen Herrlichkeit. Das Ge&#x017F;chichtliche gibt in Voll&#x017F;tän-<lb/>
digkeit J. Heinr. <hi rendition="#g">Krau&#x017F;e</hi>: Olympia oder d. großen olymp. Spiele u. &#x017F;. w.<lb/>
D. Gymna&#x017F;tik u. Agoni&#x017F;tik der Hellenen. D. Pythien, Nemeen u. I&#x017F;th-<lb/>
mien. &#x2014; Endlich muß noch ein weiteres anhängendes Gebiet mit einem<lb/>
Wort erwähnt werden: das Handwerk, das den Körper bekleidet, denn<lb/>
es &#x017F;etzt pla&#x017F;ti&#x017F;chen (zugleich freilich auch maleri&#x017F;chen) Sinn voraus. Auch<lb/>
Pferde&#x017F;chmuck will mit ä&#x017F;theti&#x017F;chem Gefühl behandelt &#x017F;ein; das wußten<lb/>
die Orientalen, die Griechen, das Mittelalter, und weiß der heutige<lb/>
Orientale be&#x017F;&#x017F;er, als die &#x017F;tumpfe Mode un&#x017F;erer Zeit und Welt.</hi> </p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
    <back>
</back>
  </text>
</TEI>
[504/0178] tiger Reſt, weil der taktiſche Zweck das freie Spiel der Figuren aus- ſchließt; übrigens iſt klar, daß die Einübung des Einzelnen zur kriegeri- ſchen Geſammtbewegung in unſerer Zeit darum ſo ſchwer iſt, weil wir ſonſt keine rhythmiſchen Maſſenbewegungen kennen. In aller Gymna- ſtik bleiben die Griechen ebenſoſehr muſtergültiges Ideal wie in der reinen, ſelbſtändigen Bildnerkunſt, und ihre großen Feſtſpiele glänzen ſelbſt in der ſchwachen Vorſtellung, die wir davon haben, als unerreichtes Bild der höchſten nationalen Herrlichkeit. Das Geſchichtliche gibt in Vollſtän- digkeit J. Heinr. Krauſe: Olympia oder d. großen olymp. Spiele u. ſ. w. D. Gymnaſtik u. Agoniſtik der Hellenen. D. Pythien, Nemeen u. Iſth- mien. — Endlich muß noch ein weiteres anhängendes Gebiet mit einem Wort erwähnt werden: das Handwerk, das den Körper bekleidet, denn es ſetzt plaſtiſchen (zugleich freilich auch maleriſchen) Sinn voraus. Auch Pferdeſchmuck will mit äſthetiſchem Gefühl behandelt ſein; das wußten die Orientalen, die Griechen, das Mittelalter, und weiß der heutige Orientale beſſer, als die ſtumpfe Mode unſerer Zeit und Welt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030202_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030202_1853/178
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030202_1853/178>, abgerufen am 22.12.2024.