Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
erst ganz allgemein auf die Darstellungsweise, wie sie mit dem Material §. 603. Aus der Festigkeit, der Härte und der durch sie bedingten Schärfe der Es fällt bei keiner Kunst so sehr in die Augen, als bei der Plastik, 24*
erſt ganz allgemein auf die Darſtellungsweiſe, wie ſie mit dem Material §. 603. Aus der Feſtigkeit, der Härte und der durch ſie bedingten Schärfe der Es fällt bei keiner Kunſt ſo ſehr in die Augen, als bei der Plaſtik, 24*
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erſt ganz allgemein auf die Darſtellungsweiſe, wie ſie mit dem Material
gegeben iſt, um dieſelben erſt weiterhin in die Tiefe ihrer Bedeutung zu
verfolgen.
§. 603.
Aus der Feſtigkeit, der Härte und der durch ſie bedingten Schärfe der
Umriſſe, der Farbloſigkeit und Abweſenheit weiterer Umgebung, der Gemeſſen-
heit, der Unbewegtheit, der nothwendigen Sparſamkeit in der Zahl der in
einer Darſtellung zu verbindenden Geſtalten, wodurch dieſe Kunſt zu der Auf-
ſtellung blos Einer Figur als einer ihr beſonders entſprechenden Aufgabe hin-
gedrängt wird, ergibt ſich, daß die Bildnerkunſt ſehr beſchränkte Mittel hat,
Häßliches aufzunehmen und in Furchtbares oder Komiſches aufzulöſen,
daß vielmehr für ſie das Geſetz der directen Idealiſirung entſteht,
wonach die einzelne Geſtalt ſchön ſein muß.
Es fällt bei keiner Kunſt ſo ſehr in die Augen, als bei der Plaſtik,
wie jede Beſchränkung, welche durch die Darſtellungsbedingungen gegeben
iſt, in eine poſitive Quelle äſthetiſcher Vortheile umſchlägt, richtiger: wie
jede Beſchränkung nur die andere Seite einer urſprünglich ſo gewollten
beſtimmten Art von Schönheit iſt. „Eng zieht ſich die Grenze der Sculptur,
aber die Schranke führt ſie nach oben“ (Tölken Ueber d. Basrelief S.
156). So folgern wir hier ein großes poſitives Grundgeſetz zunächſt
negativ aus den bisher aufgeführten Grenzen unſerer Kunſt. Das Häßliche
iſt äſthetiſch gültig, ſofern es ſich in ein Furchtbares oder in ein Komiſches
auflöst (vergl. §. 98. 100. 106. 108. 113, beſonders aber 148 ff.). Es
erhellt nun, wie beſchränkt die Mittel der Bildnerkunſt ſind, Häßliches in
dieſer Weiſe aufzulöſen, wie beſchränkt ſie alſo in der Aufnahme des
Häßlichen überhaupt iſt. Die Abweichung von der reinen Linie edler
organiſcher Form, ſei ſie nun ein urſprünglicher Fehler, Abſonderlichkeit,
grellere Eigenheit angeborner Körperbildung, oder Folge früherer Leiden,
oder unmittelbare Wirkung innerer oder äußerer heftiger Bewegung,
oder Ausdruck einer zur andern Natur gewordenen Charakter-Verdrehung,
muß, in dem harten Materiale verfeſtet, zur unerträglichen Härte werden;
ſo manche vermittelnde, mildernde kleine Zwiſchenform fällt in der Be-
handlung weg, weil ſie der Beſtimmtheit und Mächtigkeit des wuchtig
feſten Materials widerſpricht; die Umriſſe ſchneiden ſich ſcharf vom jewei-
ligen Hintergrund ab, ſie ſind durch keine vom Künſtler mitgegebene
atmoſphäriſche Einhüllung und Local-Umfaſſung gelockert. Dieß hat
weſentlich ſeinen Grund im Mangel der Farbe; die Farbe löst aber
Mißklänge der Linie nicht nur überhaupt, ſondern ſpeziell auch dadurch
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