Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
nun tieferen Sinn; ein solches Leben im Ganzen verleiht dem so Leben-
nun tieferen Sinn; ein ſolches Leben im Ganzen verleiht dem ſo Leben- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0041" n="367"/> nun tieferen Sinn; ein ſolches Leben im Ganzen verleiht dem ſo Leben-<lb/> den die Kraftfülle der Ganzheit; es wird gleichgültig, ob er Dieſer oder<lb/> Jener iſt, er iſt ein ganzer Menſch, es wird ſchon ſtrengerer Ernſt mit<lb/> dem Worte: vollkommene Naturen §. 604, der Begriff der Subſtantiali-<lb/> tät §. 605 beginnt ſich zu einem höheren zu ſteigern. „Unberührt von<lb/> der Zwieſpältigkeit und Beſchränkung des Handelns, der Conflicte und<lb/> Erduldungen, — ſtörungsloſes unparticulariſirtes Sein des Geiſtes, —<lb/> objective Geiſtigkeit als in ſich fertig und beſchloſſen, in ſelbſtändiger<lb/> Ruhe, dem Verhalten gegen Anderes entnommen“, ſo bezeichnet Hegel<lb/> dieſe Natur der plaſtiſchen Geſtalt (a. a. O. <hi rendition="#aq">II,</hi> S. 258. 368. 369).<lb/> Nun führt eigentlich ſchon dieß auf den Begriff der abſoluten Perſönlich-<lb/> keit; es fragt ſich aber vorerſt, wie es ſich denn verhalte, wenn mehrere<lb/> Geſtalten zugleich aufgeſtellt ſind? Wir verweiſen hier nur vorläufig auf<lb/> das claſſiſche Ideal, das viele Götter hat, deren jeder doch die ganze<lb/> Gottheit iſt (§. 437): ein heiterer Widerſpruch der Phantaſie, der jedoch<lb/> auch da noch irgendwie möglich ſein muß, wo keine Götter mehr geglaubt<lb/> werden. In der That liegt hier ein intereſſanter, ſchwieriger Punct,<lb/> nicht nur in Beziehung auf die Sculptur, ſondern auf alle Kunſt. Wir<lb/> erinnern zunächſt an einen Nebenzweig der Kunſt, Fabel und Thier-<lb/> Sage. Dieſe nimmt von der einzelnen Thierart Ein Exemplar als voll-<lb/> kommen und daher als Inbegriff aller andern, aber ſie führt doch auch<lb/> wieder andere daneben ein; ſo iſt Reineke der abſolute Fuchs, der Fuchs<lb/> ſchlechthin, aber es gibt doch noch Füchſe außer ihm. Das Denken, in<lb/> der Sprache dargeſtellt, iſt ſtrenger logiſch; es ſagt auch: <hi rendition="#g">der Menſch,<lb/> das Thier, der Held, das Pferd</hi> u. ſ. w., der Begriff zieht alſo<lb/> die vielen Individuen in Eines, das nur gedacht, nur Abſtractum iſt, zu-<lb/> ſammen; wird aber die empiriſche Vielheit ausgeſprochen: <hi rendition="#g">die</hi> Menſchen<lb/> u. ſ. w., ſo wird ausdrücklich geſetzt, daß keines derſelben dem Inbegriff<lb/> der Gattungs-Eigenſchaften entſpreche. Die Kunſt dagegen, zunächſt im<lb/> Allgemeinen, abgeſehen von der beſonderen Natur der Plaſtik, nimmt die<lb/> Sache ſtrenger, als ſolche Zweige, wie Fabel, Thierſage, welche ohne<lb/> Weiteres <hi rendition="#g">neben</hi> die Einheit des die Gattung inbegreifenden Individu-<lb/> ums die Vielheit der empiriſchen ſtellen, jedoch darum nicht conſequent<lb/> wie die Logik und die logiſche Sprache. Die Gattung wird ihr nach dem<lb/> Grundbegriffe des Schönen (Einheit von Bild und Idee) immer con-<lb/> cretes Individuum, die empiriſch Vielen der Logik gehen in eine Einheit<lb/> zuſammen, die nicht abſtract, ſondern ſelbſt angeſchautes Individuum iſt;<lb/><hi rendition="#g">ein</hi> Menſch iſt jetzt <hi rendition="#g">der</hi> Menſch, <hi rendition="#g">ein</hi> Held <hi rendition="#g">der</hi> Held u. ſ. w. Die<lb/> Frage, ob es neben ihm noch andere Individuen derſelben Gattung gebe,<lb/> iſt dadurch halb verneint, halb nur weggeſchoben, zugedeckt: nur dieß,<lb/> denn es bleibt doch immer <hi rendition="#g">ein</hi> Individuum (unter andern, die eben jetzt<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [367/0041]
nun tieferen Sinn; ein ſolches Leben im Ganzen verleiht dem ſo Leben-
den die Kraftfülle der Ganzheit; es wird gleichgültig, ob er Dieſer oder
Jener iſt, er iſt ein ganzer Menſch, es wird ſchon ſtrengerer Ernſt mit
dem Worte: vollkommene Naturen §. 604, der Begriff der Subſtantiali-
tät §. 605 beginnt ſich zu einem höheren zu ſteigern. „Unberührt von
der Zwieſpältigkeit und Beſchränkung des Handelns, der Conflicte und
Erduldungen, — ſtörungsloſes unparticulariſirtes Sein des Geiſtes, —
objective Geiſtigkeit als in ſich fertig und beſchloſſen, in ſelbſtändiger
Ruhe, dem Verhalten gegen Anderes entnommen“, ſo bezeichnet Hegel
dieſe Natur der plaſtiſchen Geſtalt (a. a. O. II, S. 258. 368. 369).
Nun führt eigentlich ſchon dieß auf den Begriff der abſoluten Perſönlich-
keit; es fragt ſich aber vorerſt, wie es ſich denn verhalte, wenn mehrere
Geſtalten zugleich aufgeſtellt ſind? Wir verweiſen hier nur vorläufig auf
das claſſiſche Ideal, das viele Götter hat, deren jeder doch die ganze
Gottheit iſt (§. 437): ein heiterer Widerſpruch der Phantaſie, der jedoch
auch da noch irgendwie möglich ſein muß, wo keine Götter mehr geglaubt
werden. In der That liegt hier ein intereſſanter, ſchwieriger Punct,
nicht nur in Beziehung auf die Sculptur, ſondern auf alle Kunſt. Wir
erinnern zunächſt an einen Nebenzweig der Kunſt, Fabel und Thier-
Sage. Dieſe nimmt von der einzelnen Thierart Ein Exemplar als voll-
kommen und daher als Inbegriff aller andern, aber ſie führt doch auch
wieder andere daneben ein; ſo iſt Reineke der abſolute Fuchs, der Fuchs
ſchlechthin, aber es gibt doch noch Füchſe außer ihm. Das Denken, in
der Sprache dargeſtellt, iſt ſtrenger logiſch; es ſagt auch: der Menſch,
das Thier, der Held, das Pferd u. ſ. w., der Begriff zieht alſo
die vielen Individuen in Eines, das nur gedacht, nur Abſtractum iſt, zu-
ſammen; wird aber die empiriſche Vielheit ausgeſprochen: die Menſchen
u. ſ. w., ſo wird ausdrücklich geſetzt, daß keines derſelben dem Inbegriff
der Gattungs-Eigenſchaften entſpreche. Die Kunſt dagegen, zunächſt im
Allgemeinen, abgeſehen von der beſonderen Natur der Plaſtik, nimmt die
Sache ſtrenger, als ſolche Zweige, wie Fabel, Thierſage, welche ohne
Weiteres neben die Einheit des die Gattung inbegreifenden Individu-
ums die Vielheit der empiriſchen ſtellen, jedoch darum nicht conſequent
wie die Logik und die logiſche Sprache. Die Gattung wird ihr nach dem
Grundbegriffe des Schönen (Einheit von Bild und Idee) immer con-
cretes Individuum, die empiriſch Vielen der Logik gehen in eine Einheit
zuſammen, die nicht abſtract, ſondern ſelbſt angeſchautes Individuum iſt;
ein Menſch iſt jetzt der Menſch, ein Held der Held u. ſ. w. Die
Frage, ob es neben ihm noch andere Individuen derſelben Gattung gebe,
iſt dadurch halb verneint, halb nur weggeſchoben, zugedeckt: nur dieß,
denn es bleibt doch immer ein Individuum (unter andern, die eben jetzt
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