Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
sie das grelle Anstreichen, das sie vom Orient, namentlich Aegypten, über-
ſie das grelle Anſtreichen, das ſie vom Orient, namentlich Aegypten, über- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0054" n="380"/> ſie das grelle Anſtreichen, das ſie vom Orient, namentlich Aegypten, über-<lb/> kam, hinter ſich hatte, die <hi rendition="#g">erſte</hi> dieſer Verfahrungsweiſen ſich angeeig-<lb/> net, ſo könnten wir hier nicht die beziehungsweiſe Rechtfertigung in Aus-<lb/> ſicht ſtellen, wie ſie derſelben Behandlung des Bildwerks im Mittelalter<lb/> zu gute kommen muß, wenn wir ſie geſchichtlich näher betrachten werden.<lb/> Die Bildnerkunſt hatte im claſſiſchen Ideal eine Selbſtändigkeit, durch<lb/> welche der Uebergriff ſchreiend hervorgetreten wäre. Es hat ſich nun<lb/> aber mit der Polychromie der griechiſchen Plaſtik in der Zeit ihrer Blüthe<lb/> offenbar ſo verhalten, daß ſie die erſte Stufe mied und ſich <hi rendition="#g">frei zwiſchen der<lb/> zweiten und dritten Stufe bewegte,</hi> indem der einzelne Künſtler<lb/> wie es ihm paſſend ſchien, mehr oder weniger ſein Werk dem maleriſchen<lb/> Eindruck näherte, wiewohl keiner ihn in ſeinem ganzen Umfang mit der<lb/> plaſtiſchen Schönheit zu vereinigen ſuchte. Alle Ergebniſſe der neueren<lb/> Forſchung zeigen, daß allerdings die zweite Stufe des Verfahrens ſehr<lb/> gewöhnlich war. Der Hauptbeweis iſt dieſer: es war, wie aus ſo vielen<lb/> Beiſpielen hervorgeht, ſelbſt in der beſten Zeit und nicht blos bei chrys-<lb/> elephantinen Werken, wie jene des Phidios und Polyklet, deren Edel-<lb/> ſtein-Augen bekannt ſind, ſondern auch bei Erz- und Marmor-Arbeiten<lb/> verbreiteter Brauch, farbige Augäpfel einzuſetzen, die Iris mit Pupille<lb/> von einem Edelſtein oder einem andern dunkeln durchſichtigen Stoffe,<lb/> das Weiße des Auges war im Marmor gegeben, doch ſcheint es auch<lb/> von Elfenbein eingeſetzt worden zu ſein, bei Erzguß waren Silberblätt-<lb/> chen gewöhnlich. Dieß läßt offenbar ſchließen, daß, wo die Spuren ſol-<lb/> cher Einſetzung fehlen, das Auge bemalt war. Mit vollem Rechte macht<lb/> nun Hittorf gegen Kugler, der dieß zugibt, aber keinen Fleiſchton an-<lb/> nimmt, geltend, daß das farbige Auge, wenn nicht zugleich dem Nackten<lb/> des Körpers ein ſolcher Ton gegeben worden wäre, unerträglich geſpen-<lb/> ſtiſch ausgeſehen hätte. Die Einſchmelzung von Wachs in den Marmor,<lb/> wo er das Nackte darſtellte, haben wir ſchon bezeichnet als ein Verfahren, das<lb/> als Erſtickung der charakteriſtiſchen Schönheit dieſes Materials nur begreif-<lb/> lich iſt, wenn ihm die Auflegung eines Farbentons folgte. Dann muß-<lb/> ten aber auch die Lippen eine Andeutung ihres ſtärkeren Rothes bekom-<lb/> men; dieſe war daher ſchwerlich auf den äginetiſchen Styl beſchränkt,<lb/> an deſſen Werken die Spuren ſich bekanntlich finden. Die Haare mußten<lb/> folgen; Spuren von Vergoldung, von Einfügung aus vergoldetem Metall<lb/> ſind bekanntlich nicht ſelten. Nun fehlt nur noch die Bekleidung, die,<lb/> wenn einmal das Uebrige bunt war, gewiß nur weiß blieb, wenn ſie<lb/> weiß erſcheinen ſollte, übrigens auch dann ihren farbigen Saum erhielt.<lb/> Gürtel, Schmuck, Waffen u. ſ. w. ebenfalls bemalt, oder von Erz, ver-<lb/> goldetem Erz, Gold angeſetzt. Dieſe polychromiſche Behandlung war nun<lb/> zwar keine ganz maleriſche, ſie blieb im wichtigſten Theil, im Fleiſche,<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [380/0054]
ſie das grelle Anſtreichen, das ſie vom Orient, namentlich Aegypten, über-
kam, hinter ſich hatte, die erſte dieſer Verfahrungsweiſen ſich angeeig-
net, ſo könnten wir hier nicht die beziehungsweiſe Rechtfertigung in Aus-
ſicht ſtellen, wie ſie derſelben Behandlung des Bildwerks im Mittelalter
zu gute kommen muß, wenn wir ſie geſchichtlich näher betrachten werden.
Die Bildnerkunſt hatte im claſſiſchen Ideal eine Selbſtändigkeit, durch
welche der Uebergriff ſchreiend hervorgetreten wäre. Es hat ſich nun
aber mit der Polychromie der griechiſchen Plaſtik in der Zeit ihrer Blüthe
offenbar ſo verhalten, daß ſie die erſte Stufe mied und ſich frei zwiſchen der
zweiten und dritten Stufe bewegte, indem der einzelne Künſtler
wie es ihm paſſend ſchien, mehr oder weniger ſein Werk dem maleriſchen
Eindruck näherte, wiewohl keiner ihn in ſeinem ganzen Umfang mit der
plaſtiſchen Schönheit zu vereinigen ſuchte. Alle Ergebniſſe der neueren
Forſchung zeigen, daß allerdings die zweite Stufe des Verfahrens ſehr
gewöhnlich war. Der Hauptbeweis iſt dieſer: es war, wie aus ſo vielen
Beiſpielen hervorgeht, ſelbſt in der beſten Zeit und nicht blos bei chrys-
elephantinen Werken, wie jene des Phidios und Polyklet, deren Edel-
ſtein-Augen bekannt ſind, ſondern auch bei Erz- und Marmor-Arbeiten
verbreiteter Brauch, farbige Augäpfel einzuſetzen, die Iris mit Pupille
von einem Edelſtein oder einem andern dunkeln durchſichtigen Stoffe,
das Weiße des Auges war im Marmor gegeben, doch ſcheint es auch
von Elfenbein eingeſetzt worden zu ſein, bei Erzguß waren Silberblätt-
chen gewöhnlich. Dieß läßt offenbar ſchließen, daß, wo die Spuren ſol-
cher Einſetzung fehlen, das Auge bemalt war. Mit vollem Rechte macht
nun Hittorf gegen Kugler, der dieß zugibt, aber keinen Fleiſchton an-
nimmt, geltend, daß das farbige Auge, wenn nicht zugleich dem Nackten
des Körpers ein ſolcher Ton gegeben worden wäre, unerträglich geſpen-
ſtiſch ausgeſehen hätte. Die Einſchmelzung von Wachs in den Marmor,
wo er das Nackte darſtellte, haben wir ſchon bezeichnet als ein Verfahren, das
als Erſtickung der charakteriſtiſchen Schönheit dieſes Materials nur begreif-
lich iſt, wenn ihm die Auflegung eines Farbentons folgte. Dann muß-
ten aber auch die Lippen eine Andeutung ihres ſtärkeren Rothes bekom-
men; dieſe war daher ſchwerlich auf den äginetiſchen Styl beſchränkt,
an deſſen Werken die Spuren ſich bekanntlich finden. Die Haare mußten
folgen; Spuren von Vergoldung, von Einfügung aus vergoldetem Metall
ſind bekanntlich nicht ſelten. Nun fehlt nur noch die Bekleidung, die,
wenn einmal das Uebrige bunt war, gewiß nur weiß blieb, wenn ſie
weiß erſcheinen ſollte, übrigens auch dann ihren farbigen Saum erhielt.
Gürtel, Schmuck, Waffen u. ſ. w. ebenfalls bemalt, oder von Erz, ver-
goldetem Erz, Gold angeſetzt. Dieſe polychromiſche Behandlung war nun
zwar keine ganz maleriſche, ſie blieb im wichtigſten Theil, im Fleiſche,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |