Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
behandeln, wie es die ideale Läuterung und Erhöhung des Empirischen §. 609. 1. Die Raumlosigkeit des Bildwerks (§. 599) kann nicht in völliger Ab- 1. Es ist schon zu §. 608 bemerkt, daß sich, wie bei der Frage über
behandeln, wie es die ideale Läuterung und Erhöhung des Empiriſchen §. 609. 1. Die Raumloſigkeit des Bildwerks (§. 599) kann nicht in völliger Ab- 1. Es iſt ſchon zu §. 608 bemerkt, daß ſich, wie bei der Frage über <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0058" n="384"/> behandeln, wie es die ideale Läuterung und Erhöhung des Empiriſchen<lb/> in ihren rein allgemeinen Bedingungen mit ſich brächte, ſie muß auf<lb/> das Verhältniß der Bildſäule zum Standorte des Zuſchauers nach Höhe<lb/> oder Tiefe, Nähe oder Ferne Rückſicht nehmen; manche Abweichungen<lb/> von der ſtrengen Proportion, Ungleichheiten der Ausführung, Unregel-<lb/> mäßigkeiten ſind dadurch bedingt, die nur der bemerkt, der den vom Künſt-<lb/> ler perſpectiviſch berechneten Ort verläßt und das Werk in größerer Nähe,<lb/> von anderer Seite beſchaut. Spezieller muß die Behandlung der Einzel-<lb/> formen, der Knochen, Muſkeln, Gewandfalten vielfach auf einen Schein<lb/> arbeiten, der maleriſch zu nennen iſt: Erhöhungen, breite Maſſen, tiefes<lb/> Ausmeißeln, Unterhöhlen, ſcharfes Abkanten müſſen dem Auge des Zu-<lb/> ſchauers nachhelfen, damit es die Form ſo ſehe, wie ſie geſehen ſein will,<lb/> genau betrachtet aber in Wirklichkeit nicht iſt, vergl. Feuerbach a.<lb/> a. O. S. 189 ff. Von einer falſchen Uebertragung des Maleriſchen<lb/> auf das Plaſtiſche, wie wir ſolche in der Zeit der Manieriſten werden<lb/> eintreten ſehen, iſt dieſes berechtigte und nothwendige Hinüberneigen in<lb/> den maleriſchen Schein wohl zu unterſcheiden.</hi> </p> </div><lb/> <div n="7"> <head>§. 609.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#fr">1.</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Die Raumloſigkeit des Bildwerks (§. 599) kann nicht in völliger Ab-<lb/> ſtraction zur Durchführung kommen: ein <hi rendition="#g">Poſtament</hi> trennt es vom natürlichen<lb/> Boden; es ſteht, da die innere Verwandtſchaft mit der Baukunſt ſich auch als<lb/> äußere Verbindung geltend macht, zu architektoniſcher Umgebung, ebenſo zu<lb/> landſchaftlicher, in einem Verhältniß der Abhängigkeit, das ſich jedoch in<lb/> das äſthetiſche einer geiſtigen Erinnerung des Schauplatzes verwandelt, in wel-<lb/><note place="left">2.</note>chem die dargeſtellte Perſönlichkeit wirkend vorgeſtellt iſt. Das <hi rendition="#g">Größenver-<lb/> hältniß</hi> der Statue iſt demnach ein relatives, aber nur bis zu einer gewiſſen<lb/> Grenze, denn vergleichen mit dem Gegenſtande der Nachbildung überſchreitet die<lb/> Bildnerkunſt in ihrer monumentalen Bedeutung nothwendig das natürliche Maaß<lb/> und fügt zu dem Erhabenen der Form das räumlich Erhabene. Größe der<lb/> Aufgabe und des Maaßſtabs der Umgebungen ſteigert dieß zum Coloſſalen,<lb/> das jedoch an dem Geſetze der Ueberſchaulichkeit organiſcher Schönheit ſeine<lb/> Schranke hat.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Es iſt ſchon zu §. 608 bemerkt, daß ſich, wie bei der Frage über<lb/> die Farbe, ſo noch auf andern Punkten zeigen werde, wie die Abſtraction<lb/> der Plaſtik keine abſolute ſei, und zu §. 606 bereits auch angekündigt,<lb/> was ſich uns nun aufdrängt: es erleidet nämlich auch das Grundgeſetz,<lb/> daß ſie ihrem Werke den Raum nicht mitgibt, eine Beſchränkung durch<lb/> das unentbehrliche Poſtament. Wo das Bildwerk nicht durch ſeine Ver-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [384/0058]
behandeln, wie es die ideale Läuterung und Erhöhung des Empiriſchen
in ihren rein allgemeinen Bedingungen mit ſich brächte, ſie muß auf
das Verhältniß der Bildſäule zum Standorte des Zuſchauers nach Höhe
oder Tiefe, Nähe oder Ferne Rückſicht nehmen; manche Abweichungen
von der ſtrengen Proportion, Ungleichheiten der Ausführung, Unregel-
mäßigkeiten ſind dadurch bedingt, die nur der bemerkt, der den vom Künſt-
ler perſpectiviſch berechneten Ort verläßt und das Werk in größerer Nähe,
von anderer Seite beſchaut. Spezieller muß die Behandlung der Einzel-
formen, der Knochen, Muſkeln, Gewandfalten vielfach auf einen Schein
arbeiten, der maleriſch zu nennen iſt: Erhöhungen, breite Maſſen, tiefes
Ausmeißeln, Unterhöhlen, ſcharfes Abkanten müſſen dem Auge des Zu-
ſchauers nachhelfen, damit es die Form ſo ſehe, wie ſie geſehen ſein will,
genau betrachtet aber in Wirklichkeit nicht iſt, vergl. Feuerbach a.
a. O. S. 189 ff. Von einer falſchen Uebertragung des Maleriſchen
auf das Plaſtiſche, wie wir ſolche in der Zeit der Manieriſten werden
eintreten ſehen, iſt dieſes berechtigte und nothwendige Hinüberneigen in
den maleriſchen Schein wohl zu unterſcheiden.
§. 609.
Die Raumloſigkeit des Bildwerks (§. 599) kann nicht in völliger Ab-
ſtraction zur Durchführung kommen: ein Poſtament trennt es vom natürlichen
Boden; es ſteht, da die innere Verwandtſchaft mit der Baukunſt ſich auch als
äußere Verbindung geltend macht, zu architektoniſcher Umgebung, ebenſo zu
landſchaftlicher, in einem Verhältniß der Abhängigkeit, das ſich jedoch in
das äſthetiſche einer geiſtigen Erinnerung des Schauplatzes verwandelt, in wel-
chem die dargeſtellte Perſönlichkeit wirkend vorgeſtellt iſt. Das Größenver-
hältniß der Statue iſt demnach ein relatives, aber nur bis zu einer gewiſſen
Grenze, denn vergleichen mit dem Gegenſtande der Nachbildung überſchreitet die
Bildnerkunſt in ihrer monumentalen Bedeutung nothwendig das natürliche Maaß
und fügt zu dem Erhabenen der Form das räumlich Erhabene. Größe der
Aufgabe und des Maaßſtabs der Umgebungen ſteigert dieß zum Coloſſalen,
das jedoch an dem Geſetze der Ueberſchaulichkeit organiſcher Schönheit ſeine
Schranke hat.
1. Es iſt ſchon zu §. 608 bemerkt, daß ſich, wie bei der Frage über
die Farbe, ſo noch auf andern Punkten zeigen werde, wie die Abſtraction
der Plaſtik keine abſolute ſei, und zu §. 606 bereits auch angekündigt,
was ſich uns nun aufdrängt: es erleidet nämlich auch das Grundgeſetz,
daß ſie ihrem Werke den Raum nicht mitgibt, eine Beſchränkung durch
das unentbehrliche Poſtament. Wo das Bildwerk nicht durch ſeine Ver-
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