Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
Composition in verschiedene Verhältnisse zu einander treten können, daß jene Zum Schluß ist hier noch ein Wort über Schleiermachers Behaup-
Compoſition in verſchiedene Verhältniſſe zu einander treten können, daß jene Zum Schluß iſt hier noch ein Wort über Schleiermachers Behaup- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0121" n="613"/> Compoſition in verſchiedene Verhältniſſe zu einander treten können, daß jene<lb/> in verſchiedenen Graden, irgendwie immer, wiewohl niemals bis zur ab-<lb/> ſoluten Unterdrückung die Selbſtändigkeit ihrer Geltung an dieſe verliert.<lb/> Daher vertheilt ſich denn in der Lehre von der Malerei, was über die<lb/> Compoſition zu ſagen iſt, an zwei Stellen: ein Haupttheil davon iſt ſchon<lb/> in dem Abſchnitt über Schattengebung und Farbe enthalten, indem dort<lb/> gezeigt werden mußte, durch welche Mittel die Harmonie in dieſer Be-<lb/> ziehung zu bewerkſtelligen iſt; der andere Theil aber, der hier folgt, iſt<lb/> mehr negativ, als poſitiv, und hat vor Allem darzuthun, daß und warum<lb/> über die lineare Seite der Compoſition nur Weniges feſtzuſtellen übrig<lb/> bleibt. Gewiſſe ungefähre Beſtimmungen müſſen jedoch möglich ſein und<lb/> wir werden dieſelben aufſuchen, nachdem erſt ein Punct beleuchtet iſt, aus<lb/> welchem ſich noch weitere Einſchränkungen ergeben.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Zum Schluß iſt hier noch ein Wort über Schleiermachers Behaup-<lb/> tung zu ſagen, daß es überall auf den Gegenſtand nicht ankomme. Er<lb/> hat den Werth des Stoffs im Verhältniß zum Werthe der Form überhaupt<lb/> im Auge; dieſe Frage iſt eigentlich eine andere, als die, wovon es ſich<lb/> hier handelt: man mag von jenem Verhältniß im Allgemeinen denken<lb/> wie man will, ſo kann man doch anerkennen, daß im Gemälde die Ge-<lb/> genſtände mehr Bedeutung haben, als Schleiermacher ihnen zuſchreibt,<lb/> denn dabei handelt es ſich, wie ſchon geſagt, von gar keinem ſtoffartigen<lb/> Intereſſe, das dieſen Gegenſtänden beigelegt würde, als ob der Anſchauende<lb/> nun mit Liebe oder Haß dem Inhalte des Dargeſtellten ſich zuwenden<lb/> und darüber die Kunſtform vergeſſen ſollte, ſondern es handelt ſich von<lb/> mehr oder weniger Geltung der Gegenſtände als geſtalteter Körper ganz<lb/> innerhalb der Kunſtform und des reinen Kunſt-Intereſſes gegenüber der<lb/> Geltung der allgemeinen Medien. Man könnte ja Schleiermacher vor-<lb/> werfen, er wende nun <hi rendition="#g">dieſer</hi> Seite, da er alles Gewicht auf ſie allein<lb/> legt, ein pathologiſches Intereſſe zu, allein dieß wäre eine Erſchleichung,<lb/> denn er hat ſich nur darin geirrt, daß er durch Verſchleppung einer all-<lb/> gemeinen Frage gegen die eine der zwei Seiten eines rein äſthetiſchen<lb/> Verhältniſſes ungerecht geworden iſt. Weil aber allerdings in der Farbe<lb/> ein Anreiz zu pathologiſcher Wirkung überhaupt nahe liegt, ſo mag über<lb/> dieſe allgemeine Frage, obwohl wir ſie längſt hinter uns haben, hier noch<lb/> einmal ausdrücklich auf §. 15, Anm. 1, §. 19 Schluß d. Anm., §. 55, Anm. 2,<lb/> auf die zweimal aufgenommene Darſtellung des Verhältniſſes des Schönen<lb/> zum Guten und Wahren, ferner auf §. 236, Anm. 3, §. 381, Anm. 2, §. 393,<lb/> Anm. 1 verwieſen werden, um in Erinnerung zu bringen, in welchem<lb/> Sinne das Object, d. h. der Gehaltwerth des Stoffs im Schönen nie-<lb/> mals gleichgültig ſein kann. Dieſer Gehaltwerth geht in die reine Form<lb/> auf, es iſt aber nicht gleichgültig, <hi rendition="#g">was</hi> aufgegangen iſt. Der Maler kann<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [613/0121]
Compoſition in verſchiedene Verhältniſſe zu einander treten können, daß jene
in verſchiedenen Graden, irgendwie immer, wiewohl niemals bis zur ab-
ſoluten Unterdrückung die Selbſtändigkeit ihrer Geltung an dieſe verliert.
Daher vertheilt ſich denn in der Lehre von der Malerei, was über die
Compoſition zu ſagen iſt, an zwei Stellen: ein Haupttheil davon iſt ſchon
in dem Abſchnitt über Schattengebung und Farbe enthalten, indem dort
gezeigt werden mußte, durch welche Mittel die Harmonie in dieſer Be-
ziehung zu bewerkſtelligen iſt; der andere Theil aber, der hier folgt, iſt
mehr negativ, als poſitiv, und hat vor Allem darzuthun, daß und warum
über die lineare Seite der Compoſition nur Weniges feſtzuſtellen übrig
bleibt. Gewiſſe ungefähre Beſtimmungen müſſen jedoch möglich ſein und
wir werden dieſelben aufſuchen, nachdem erſt ein Punct beleuchtet iſt, aus
welchem ſich noch weitere Einſchränkungen ergeben.
Zum Schluß iſt hier noch ein Wort über Schleiermachers Behaup-
tung zu ſagen, daß es überall auf den Gegenſtand nicht ankomme. Er
hat den Werth des Stoffs im Verhältniß zum Werthe der Form überhaupt
im Auge; dieſe Frage iſt eigentlich eine andere, als die, wovon es ſich
hier handelt: man mag von jenem Verhältniß im Allgemeinen denken
wie man will, ſo kann man doch anerkennen, daß im Gemälde die Ge-
genſtände mehr Bedeutung haben, als Schleiermacher ihnen zuſchreibt,
denn dabei handelt es ſich, wie ſchon geſagt, von gar keinem ſtoffartigen
Intereſſe, das dieſen Gegenſtänden beigelegt würde, als ob der Anſchauende
nun mit Liebe oder Haß dem Inhalte des Dargeſtellten ſich zuwenden
und darüber die Kunſtform vergeſſen ſollte, ſondern es handelt ſich von
mehr oder weniger Geltung der Gegenſtände als geſtalteter Körper ganz
innerhalb der Kunſtform und des reinen Kunſt-Intereſſes gegenüber der
Geltung der allgemeinen Medien. Man könnte ja Schleiermacher vor-
werfen, er wende nun dieſer Seite, da er alles Gewicht auf ſie allein
legt, ein pathologiſches Intereſſe zu, allein dieß wäre eine Erſchleichung,
denn er hat ſich nur darin geirrt, daß er durch Verſchleppung einer all-
gemeinen Frage gegen die eine der zwei Seiten eines rein äſthetiſchen
Verhältniſſes ungerecht geworden iſt. Weil aber allerdings in der Farbe
ein Anreiz zu pathologiſcher Wirkung überhaupt nahe liegt, ſo mag über
dieſe allgemeine Frage, obwohl wir ſie längſt hinter uns haben, hier noch
einmal ausdrücklich auf §. 15, Anm. 1, §. 19 Schluß d. Anm., §. 55, Anm. 2,
auf die zweimal aufgenommene Darſtellung des Verhältniſſes des Schönen
zum Guten und Wahren, ferner auf §. 236, Anm. 3, §. 381, Anm. 2, §. 393,
Anm. 1 verwieſen werden, um in Erinnerung zu bringen, in welchem
Sinne das Object, d. h. der Gehaltwerth des Stoffs im Schönen nie-
mals gleichgültig ſein kann. Dieſer Gehaltwerth geht in die reine Form
auf, es iſt aber nicht gleichgültig, was aufgegangen iſt. Der Maler kann
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