Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
bildung, die schwungvollen Formen des Gebirgs, die duftig sich verlierenden 3. Nun ist auch jenes wichtige Theilungsmoment einzuführen, das
bildung, die ſchwungvollen Formen des Gebirgs, die duftig ſich verlierenden 3. Nun iſt auch jenes wichtige Theilungsmoment einzuführen, das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0163" n="655"/> bildung, die ſchwungvollen Formen des Gebirgs, die duftig ſich verlierenden<lb/> Spalten und Falten, Brüche, Senkungen, Wände, Sättel, die mächtig<lb/> und breit hingezogenen Ebenen; in Pflanzen iſt er ſchwächer, Griechen-<lb/> lands heißtrockene Natur ſagt ihm beſonders zu, ruhig klare Luft iſt ſein<lb/> Element, doch auch im Waſſer iſt er großartig und geiſtvoll; Hochgebirge<lb/> und Wald iſt die Heimath eines Everdingen, eines Calame, Schirmer<lb/> iſt beſonders bedeutend im letzteren u. ſ. w., die Holländer lieben natur-<lb/> gemäß das Flachland, doch haben alle dieſe Künſtler auch andere Seiten<lb/> der Landſchaft ergriffen. Die Bedeutung dieſer verſchiedenen Seiten ſind<lb/> im erſten Abſchnitte des zweiten Theils dargeſtellt, was uns hier eine<lb/> weitere äſthetiſche Würdigung derſelben erſpart. Dort iſt insbeſondere<lb/> auch gezeigt, wie wichtig das Waſſer für die Landſchaft iſt; der See,<lb/> Teich, Bach, Fluß, namentlich der größere oder kleinere Waſſerfall bildet<lb/> die belebende, blitzende Seele in der Mehrzahl der Landſchaften. Nun<lb/> aber iſolirt ſich die Malerei auf das Waſſer mit ſeiner noch zarteren,<lb/> bewegungsreicheren Schweſter, der Luft, im Marine-Bilde, und während<lb/> die Ausdrücke: Gebirgs-Landſchaft, Küſtenlandſchaft ohne beſtimmten Fort-<lb/> ſchritt dieſes Eintheilens nur ungefähr einen Anſatz zur Beſtimmung von<lb/> Zweigen enthalten, ſo ſteht hier ſachgemäß ein ſcharf begrenzter Zweig<lb/> vor uns. Die Aufzeigung der Schönheiten des Meers in der Lehre vom<lb/> Naturſchönen enthebt uns auch hier eines weitern Eingehens; ein ſolches<lb/> wäre allerdings nöthig, um die Schwierigkeiten und Aufgaben des künſt-<lb/> leriſchen Studiums und der Technik auseinanderzuſetzen, wie ſie bei dieſem<lb/> Gegenſtande beſonders ſich aufdrängen; dieß würde jedoch tiefer in das<lb/> Einzelne führen, als der Umfang des Syſtems geſtattet. Wir verweiſen<lb/> ſtatt deſſen auf die großen Meiſter: einen Salvator Roſa, van de Velde,<lb/> Backhuyſen, Claude Lorrain, Gudin, Achenbach und Andere.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">3. Nun iſt auch jenes wichtige Theilungsmoment einzuführen, das<lb/> wir in §. 540 <hi rendition="#g">Moment</hi> und <hi rendition="#g">Grad des Umfangs</hi> genannt haben.<lb/> Von letzteren ſehen wir hier ab; es wäre wohl intereſſant, die Stufen<lb/> der Landſchaft von der großen Compoſition eines ausführlichen Ganzen<lb/> bis zu der kleinen Partie, welche blos den Namen der Studie verdient,<lb/> herunterzuwandeln, aber erſt in den anderen Gebieten wird dieſer Punct<lb/> wichtig genug, um hier verfolgt zu werden. In einem ſo tief ſubjectiven<lb/> Gebiete wie die Landſchaftmalerei, wo der Blitz der Auffaſſung recht die<lb/> Seele des Ganzen iſt, muß nun aber der Moment, der augenblickliche<lb/> Zuſtand, in welchem der Stoff ergriffen wird, von der größten Bedeutung<lb/> ſein. Indem die Natur als Widerſchein menſchlicher Stimmung erfaßt<lb/> wird, trägt das unwillkührliche Leihen auf ihre Zuſtände den Begriff der<lb/> harmloſen oder geſpannten Situation und der Handlung aus dem Gebiete<lb/> des Charakters (§. 336) über: Ruhe wird zur Seelenruhe, zum<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [655/0163]
bildung, die ſchwungvollen Formen des Gebirgs, die duftig ſich verlierenden
Spalten und Falten, Brüche, Senkungen, Wände, Sättel, die mächtig
und breit hingezogenen Ebenen; in Pflanzen iſt er ſchwächer, Griechen-
lands heißtrockene Natur ſagt ihm beſonders zu, ruhig klare Luft iſt ſein
Element, doch auch im Waſſer iſt er großartig und geiſtvoll; Hochgebirge
und Wald iſt die Heimath eines Everdingen, eines Calame, Schirmer
iſt beſonders bedeutend im letzteren u. ſ. w., die Holländer lieben natur-
gemäß das Flachland, doch haben alle dieſe Künſtler auch andere Seiten
der Landſchaft ergriffen. Die Bedeutung dieſer verſchiedenen Seiten ſind
im erſten Abſchnitte des zweiten Theils dargeſtellt, was uns hier eine
weitere äſthetiſche Würdigung derſelben erſpart. Dort iſt insbeſondere
auch gezeigt, wie wichtig das Waſſer für die Landſchaft iſt; der See,
Teich, Bach, Fluß, namentlich der größere oder kleinere Waſſerfall bildet
die belebende, blitzende Seele in der Mehrzahl der Landſchaften. Nun
aber iſolirt ſich die Malerei auf das Waſſer mit ſeiner noch zarteren,
bewegungsreicheren Schweſter, der Luft, im Marine-Bilde, und während
die Ausdrücke: Gebirgs-Landſchaft, Küſtenlandſchaft ohne beſtimmten Fort-
ſchritt dieſes Eintheilens nur ungefähr einen Anſatz zur Beſtimmung von
Zweigen enthalten, ſo ſteht hier ſachgemäß ein ſcharf begrenzter Zweig
vor uns. Die Aufzeigung der Schönheiten des Meers in der Lehre vom
Naturſchönen enthebt uns auch hier eines weitern Eingehens; ein ſolches
wäre allerdings nöthig, um die Schwierigkeiten und Aufgaben des künſt-
leriſchen Studiums und der Technik auseinanderzuſetzen, wie ſie bei dieſem
Gegenſtande beſonders ſich aufdrängen; dieß würde jedoch tiefer in das
Einzelne führen, als der Umfang des Syſtems geſtattet. Wir verweiſen
ſtatt deſſen auf die großen Meiſter: einen Salvator Roſa, van de Velde,
Backhuyſen, Claude Lorrain, Gudin, Achenbach und Andere.
3. Nun iſt auch jenes wichtige Theilungsmoment einzuführen, das
wir in §. 540 Moment und Grad des Umfangs genannt haben.
Von letzteren ſehen wir hier ab; es wäre wohl intereſſant, die Stufen
der Landſchaft von der großen Compoſition eines ausführlichen Ganzen
bis zu der kleinen Partie, welche blos den Namen der Studie verdient,
herunterzuwandeln, aber erſt in den anderen Gebieten wird dieſer Punct
wichtig genug, um hier verfolgt zu werden. In einem ſo tief ſubjectiven
Gebiete wie die Landſchaftmalerei, wo der Blitz der Auffaſſung recht die
Seele des Ganzen iſt, muß nun aber der Moment, der augenblickliche
Zuſtand, in welchem der Stoff ergriffen wird, von der größten Bedeutung
ſein. Indem die Natur als Widerſchein menſchlicher Stimmung erfaßt
wird, trägt das unwillkührliche Leihen auf ihre Zuſtände den Begriff der
harmloſen oder geſpannten Situation und der Handlung aus dem Gebiete
des Charakters (§. 336) über: Ruhe wird zur Seelenruhe, zum
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |