Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
tisch, wenn es die Spitze der Entscheidung in einer heroischen Hauptgruppe §. 713. Dem Grade des Umfangs nach kann sich das geschichtliche Bild nicht Der erste Satz ist schon zu §. 688 angedeutet. Das porträtartige,
tiſch, wenn es die Spitze der Entſcheidung in einer heroiſchen Hauptgruppe §. 713. Dem Grade des Umfangs nach kann ſich das geſchichtliche Bild nicht Der erſte Satz iſt ſchon zu §. 688 angedeutet. Das porträtartige, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0197" n="689"/> tiſch, wenn es die Spitze der Entſcheidung in einer heroiſchen Hauptgruppe<lb/> zeigt; allein es umgibt dieſen Mittelpunct, mag er auch eine ſo ſchneidende<lb/> Kriſis darſtellen wie jene Alexanderſchlacht in Pompeji oder Steubens Ent-<lb/> ſcheidungsmoment der Schlacht bei Waterloo, doch immer mit einer ſolchen<lb/> Maſſe von Figuren, Fülle von phyſiſchen Kräften und Culturformen,<lb/> einem ſo dichten Gerüſte äußerer Mittel, daß auch hier das epiſche Ele-<lb/> ment in größerer Stärke mitwirkt, als ſonſt in ſtreng dramatiſchen Ge-<lb/> ſchichtsbildern, wo das Anhängende, phyſiſch Bedingte und Bedingende<lb/> und mit ihm das Maſſenhafte zurückweichen muß, um ganz dem heraus-<lb/> brechenden Innern des gewaltigen Willens Platz zu machen. Dieſer Punct<lb/> iſt zwar ſchon öfters berührt, nun aber noch ausdrücklich herauszuſtellen.</hi> </p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 713.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Dem <hi rendition="#g">Grade des Umfangs</hi> nach kann ſich das geſchichtliche Bild nicht<lb/> auf Hinſtellung einer einzelnen hiſtoriſchen oder ſagenhaften Perſon wie eines<lb/> Porträts ohne cykliſche Beziehung oder ohne das Motiv einer beſtimmten Si-<lb/> tuation beſchränken. Im Weſentlichen gebietet die Straffheit des Entſcheidungs-<lb/> moments mäßige Gruppenbildung; dem dramatiſch geſchichtlichen Gemälde am<lb/> reichſten dehnt ſich, im Gegenſatze gegen dieſes und gegen das in Figurenzahl<lb/> noch ſparſamere lyriſche Bild (vergl. §. 711), die epiſche Form aus.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Der erſte Satz iſt ſchon zu §. 688 angedeutet. Das porträtartige,<lb/> ſituationsloſe Hinſtellen einer einzelnen Figur, das doch nicht Porträt-<lb/> zweck hat und nicht auf dem Wege des Porträtirens zu Stande gekommen<lb/> iſt, ſondern zur hiſtoriſchen Gattung gehören ſoll, gleicht einem vollen<lb/> Hieb in das Leere. Aus jener in §. 708 ausgeſprochenen Wahrheit, daß<lb/> das Bildniß des bedeutenden Menſchen einen Eindruck mache, als wolle<lb/> es ſich ſo eben zur Handlung erweitern, iſt auf dieſe Weiſe nicht Ernſt<lb/> zu machen. Mit eigentlich mythiſchen Figuren iſt es etwas Anderes, ſie<lb/> können als abſolute Weſen in einfacher Majeſtät thronen, doch treibt die<lb/> Malerei ſo ſtark zum Beziehungsvollen der Situation, daß auch dieß nur<lb/> auf alterthümlichem Standpuncte geſchieht. Menſchen, deren Typus<lb/> nur durch Ueberlieferung der Sage gegeben iſt oder von denen ſich ohne<lb/> dieſe Grundlage der einzelnen Künſtler eben nach ſeiner Weiſe ein Bild<lb/> macht, können noch weniger, als ſolche, deren Züge man durch Porträts<lb/> kennt, vereinzelt hingeſtellt werden; eine Situation ſoll begründen, warum<lb/> die Tradition oder die freie Phantaſie eines Künſtlers die Züge ſo ge-<lb/> bildet hat. Leicht entſteht auch der Verdacht, der Maler habe ein Modell<lb/> gefunden, das er paſſend Medea, Sakontala u. dgl. taufen und ſo ge-<lb/> tauft abſtract hinpflanzen zu können meinte. In jenem Falle, wo man<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [689/0197]
tiſch, wenn es die Spitze der Entſcheidung in einer heroiſchen Hauptgruppe
zeigt; allein es umgibt dieſen Mittelpunct, mag er auch eine ſo ſchneidende
Kriſis darſtellen wie jene Alexanderſchlacht in Pompeji oder Steubens Ent-
ſcheidungsmoment der Schlacht bei Waterloo, doch immer mit einer ſolchen
Maſſe von Figuren, Fülle von phyſiſchen Kräften und Culturformen,
einem ſo dichten Gerüſte äußerer Mittel, daß auch hier das epiſche Ele-
ment in größerer Stärke mitwirkt, als ſonſt in ſtreng dramatiſchen Ge-
ſchichtsbildern, wo das Anhängende, phyſiſch Bedingte und Bedingende
und mit ihm das Maſſenhafte zurückweichen muß, um ganz dem heraus-
brechenden Innern des gewaltigen Willens Platz zu machen. Dieſer Punct
iſt zwar ſchon öfters berührt, nun aber noch ausdrücklich herauszuſtellen.
§. 713.
Dem Grade des Umfangs nach kann ſich das geſchichtliche Bild nicht
auf Hinſtellung einer einzelnen hiſtoriſchen oder ſagenhaften Perſon wie eines
Porträts ohne cykliſche Beziehung oder ohne das Motiv einer beſtimmten Si-
tuation beſchränken. Im Weſentlichen gebietet die Straffheit des Entſcheidungs-
moments mäßige Gruppenbildung; dem dramatiſch geſchichtlichen Gemälde am
reichſten dehnt ſich, im Gegenſatze gegen dieſes und gegen das in Figurenzahl
noch ſparſamere lyriſche Bild (vergl. §. 711), die epiſche Form aus.
Der erſte Satz iſt ſchon zu §. 688 angedeutet. Das porträtartige,
ſituationsloſe Hinſtellen einer einzelnen Figur, das doch nicht Porträt-
zweck hat und nicht auf dem Wege des Porträtirens zu Stande gekommen
iſt, ſondern zur hiſtoriſchen Gattung gehören ſoll, gleicht einem vollen
Hieb in das Leere. Aus jener in §. 708 ausgeſprochenen Wahrheit, daß
das Bildniß des bedeutenden Menſchen einen Eindruck mache, als wolle
es ſich ſo eben zur Handlung erweitern, iſt auf dieſe Weiſe nicht Ernſt
zu machen. Mit eigentlich mythiſchen Figuren iſt es etwas Anderes, ſie
können als abſolute Weſen in einfacher Majeſtät thronen, doch treibt die
Malerei ſo ſtark zum Beziehungsvollen der Situation, daß auch dieß nur
auf alterthümlichem Standpuncte geſchieht. Menſchen, deren Typus
nur durch Ueberlieferung der Sage gegeben iſt oder von denen ſich ohne
dieſe Grundlage der einzelnen Künſtler eben nach ſeiner Weiſe ein Bild
macht, können noch weniger, als ſolche, deren Züge man durch Porträts
kennt, vereinzelt hingeſtellt werden; eine Situation ſoll begründen, warum
die Tradition oder die freie Phantaſie eines Künſtlers die Züge ſo ge-
bildet hat. Leicht entſteht auch der Verdacht, der Maler habe ein Modell
gefunden, das er paſſend Medea, Sakontala u. dgl. taufen und ſo ge-
tauft abſtract hinpflanzen zu können meinte. In jenem Falle, wo man
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