mals zu einer mehr plastischen, als malerischen, und zugleich gedankenhaften Richtung fortgieng, hierauf deren Gegensatz zwar auch in ihrem eigenen Schooß erzeugte, vorzüglich aber durch die, ihrerseits zu neuem Leben erwachte, fran- zösische und belgische Kunst heilsam, doch auch nicht ohne Gefahr des Verlasts ihrer Schlichtheit und idealen Tiefe auf ihre uralte Bestimmung zum ächt Malerischen hingewiesen wird.
Das erste Moment in der kurzen Uebersicht, die der §. gibt, bildet der Mittelpunct des mächtigen Aufschwungs, den die Kunst in Deutschland, vorzüglich in Baiern nahm, die Münchner-Schule. Hier trat in seiner Größe der deutsche Geistes-Verwandte des M. Angelo, Cornelius, auf. Dieser männliche Geist hat aus der romantischen Periode eine Kraft gerettet, welche ihr übrigens eben nicht eigen war: die Energie der Charakterdarstellung und die Bewegtheit, die Gluth der Handlung. Nach allen andern Seiten aber war er so angelegt, daß er aus der malerischen Richtung heraustreten und sich ganz auf die Form, die Zeichnung, nicht im Sinn der Grazie, sondern der Erhabenheit, richten mußte, und dieser Anlage kam die fruchtbare Idee des Königs Ludwig von Baiern, der bildenden Kunst durch große monumentale Aufgaben, der Malerei also durch die Freske Aufschwung zu geben, entgegen; mit der mächtig heben- den Wirkung dieses Motivs stellte sich auch das Nachtheilige ein, wie wir es zu §. 693 dargestellt haben, und dazu gehört der Ueberschuß des Gedankens, die Neigung, die Idee aus ihrem naturgemäß realen Körper herauszuziehen und in besonderen Körpern transcendent hinzustellen. Somit war eine neue plastische Einseitigkeit, Herrschaft des Conturs, Ver- nachläßigung der Farbe, Mythus, Allegorie begründet, obwohl Cornelius auch in dieser Thätigkeit, besonders in seiner höchsten Leistung, worin er lebenswahren heroischen Stoff ergriff, in den Darstellungen aus der griechi- schen Heldensage, jene Macht einer Charakterzeichnung, die so tief deutsch, Dürerisch, malerisch ist, zugleich mit der Großheit der Linie, dem dramati- schen Feuer, der tief tragischen Empfindung, der gewaltigen Composition in Fülle bewährt hat. In München selbst fehlte es nie an Künstlern, die nicht vergessen hatten, daß man hier doch auf dem besten Wege war, bei aller Größe des Styls das eigentliche Wesen der Malerei aus den Augen zu verlieren; besonders aber war durch das niederdeutsche Wesen für ein Gegengewicht gesorgt, daß der Farbensinn und der Sinn für den vollen Schein des Realen nicht ganz von diesem zeichnerischen directen Idealismus überflügelt werde. Doch dieser Zug der Düsseldorfer brauchte Zeit, sich aus den sentimental romantischen Anfängen herauszuarbeiten, und es blieb auch nachher dieser Schule trotz ihrer an sich malerischen Grund- tendenz eine gewisse Scheue vor der saftigen Fülle des Lebens und vor
mals zu einer mehr plaſtiſchen, als maleriſchen, und zugleich gedankenhaften Richtung fortgieng, hierauf deren Gegenſatz zwar auch in ihrem eigenen Schooß erzeugte, vorzüglich aber durch die, ihrerſeits zu neuem Leben erwachte, fran- zöſiſche und belgiſche Kunſt heilſam, doch auch nicht ohne Gefahr des Verlaſts ihrer Schlichtheit und idealen Tiefe auf ihre uralte Beſtimmung zum ächt Maleriſchen hingewieſen wird.
Das erſte Moment in der kurzen Ueberſicht, die der §. gibt, bildet der Mittelpunct des mächtigen Aufſchwungs, den die Kunſt in Deutſchland, vorzüglich in Baiern nahm, die Münchner-Schule. Hier trat in ſeiner Größe der deutſche Geiſtes-Verwandte des M. Angelo, Cornelius, auf. Dieſer männliche Geiſt hat aus der romantiſchen Periode eine Kraft gerettet, welche ihr übrigens eben nicht eigen war: die Energie der Charakterdarſtellung und die Bewegtheit, die Gluth der Handlung. Nach allen andern Seiten aber war er ſo angelegt, daß er aus der maleriſchen Richtung heraustreten und ſich ganz auf die Form, die Zeichnung, nicht im Sinn der Grazie, ſondern der Erhabenheit, richten mußte, und dieſer Anlage kam die fruchtbare Idee des Königs Ludwig von Baiern, der bildenden Kunſt durch große monumentale Aufgaben, der Malerei alſo durch die Freske Aufſchwung zu geben, entgegen; mit der mächtig heben- den Wirkung dieſes Motivs ſtellte ſich auch das Nachtheilige ein, wie wir es zu §. 693 dargeſtellt haben, und dazu gehört der Ueberſchuß des Gedankens, die Neigung, die Idee aus ihrem naturgemäß realen Körper herauszuziehen und in beſonderen Körpern tranſcendent hinzuſtellen. Somit war eine neue plaſtiſche Einſeitigkeit, Herrſchaft des Conturs, Ver- nachläßigung der Farbe, Mythus, Allegorie begründet, obwohl Cornelius auch in dieſer Thätigkeit, beſonders in ſeiner höchſten Leiſtung, worin er lebenswahren heroiſchen Stoff ergriff, in den Darſtellungen aus der griechi- ſchen Heldenſage, jene Macht einer Charakterzeichnung, die ſo tief deutſch, Düreriſch, maleriſch iſt, zugleich mit der Großheit der Linie, dem dramati- ſchen Feuer, der tief tragiſchen Empfindung, der gewaltigen Compoſition in Fülle bewährt hat. In München ſelbſt fehlte es nie an Künſtlern, die nicht vergeſſen hatten, daß man hier doch auf dem beſten Wege war, bei aller Größe des Styls das eigentliche Weſen der Malerei aus den Augen zu verlieren; beſonders aber war durch das niederdeutſche Weſen für ein Gegengewicht geſorgt, daß der Farbenſinn und der Sinn für den vollen Schein des Realen nicht ganz von dieſem zeichneriſchen directen Idealiſmus überflügelt werde. Doch dieſer Zug der Düſſeldorfer brauchte Zeit, ſich aus den ſentimental romantiſchen Anfängen herauszuarbeiten, und es blieb auch nachher dieſer Schule trotz ihrer an ſich maleriſchen Grund- tendenz eine gewiſſe Scheue vor der ſaftigen Fülle des Lebens und vor
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mals zu einer mehr plaſtiſchen, als maleriſchen, und zugleich gedankenhaften
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erzeugte, vorzüglich aber durch die, ihrerſeits zu neuem Leben erwachte, fran-
zöſiſche und belgiſche Kunſt heilſam, doch auch nicht ohne Gefahr des
Verlaſts ihrer Schlichtheit und idealen Tiefe auf ihre uralte Beſtimmung zum
ächt Maleriſchen hingewieſen wird.
Das erſte Moment in der kurzen Ueberſicht, die der §. gibt, bildet
der Mittelpunct des mächtigen Aufſchwungs, den die Kunſt in Deutſchland,
vorzüglich in Baiern nahm, die Münchner-Schule. Hier trat in ſeiner
Größe der deutſche Geiſtes-Verwandte des M. Angelo, Cornelius, auf.
Dieſer männliche Geiſt hat aus der romantiſchen Periode eine Kraft
gerettet, welche ihr übrigens eben nicht eigen war: die Energie der
Charakterdarſtellung und die Bewegtheit, die Gluth der Handlung. Nach
allen andern Seiten aber war er ſo angelegt, daß er aus der maleriſchen
Richtung heraustreten und ſich ganz auf die Form, die Zeichnung, nicht
im Sinn der Grazie, ſondern der Erhabenheit, richten mußte, und dieſer
Anlage kam die fruchtbare Idee des Königs Ludwig von Baiern, der
bildenden Kunſt durch große monumentale Aufgaben, der Malerei alſo
durch die Freske Aufſchwung zu geben, entgegen; mit der mächtig heben-
den Wirkung dieſes Motivs ſtellte ſich auch das Nachtheilige ein, wie
wir es zu §. 693 dargeſtellt haben, und dazu gehört der Ueberſchuß des
Gedankens, die Neigung, die Idee aus ihrem naturgemäß realen Körper
herauszuziehen und in beſonderen Körpern tranſcendent hinzuſtellen.
Somit war eine neue plaſtiſche Einſeitigkeit, Herrſchaft des Conturs, Ver-
nachläßigung der Farbe, Mythus, Allegorie begründet, obwohl Cornelius
auch in dieſer Thätigkeit, beſonders in ſeiner höchſten Leiſtung, worin er
lebenswahren heroiſchen Stoff ergriff, in den Darſtellungen aus der griechi-
ſchen Heldenſage, jene Macht einer Charakterzeichnung, die ſo tief deutſch,
Düreriſch, maleriſch iſt, zugleich mit der Großheit der Linie, dem dramati-
ſchen Feuer, der tief tragiſchen Empfindung, der gewaltigen Compoſition
in Fülle bewährt hat. In München ſelbſt fehlte es nie an Künſtlern, die
nicht vergeſſen hatten, daß man hier doch auf dem beſten Wege war, bei
aller Größe des Styls das eigentliche Weſen der Malerei aus den Augen
zu verlieren; beſonders aber war durch das niederdeutſche Weſen für ein
Gegengewicht geſorgt, daß der Farbenſinn und der Sinn für den vollen
Schein des Realen nicht ganz von dieſem zeichneriſchen directen Idealiſmus
überflügelt werde. Doch dieſer Zug der Düſſeldorfer brauchte Zeit,
ſich aus den ſentimental romantiſchen Anfängen herauszuarbeiten, und es
blieb auch nachher dieſer Schule trotz ihrer an ſich maleriſchen Grund-
tendenz eine gewiſſe Scheue vor der ſaftigen Fülle des Lebens und vor
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/260>, abgerufen am 16.07.2024.
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