Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
Leopold Roberts, schon in der Darstellung der Zweige hervorgehoben. Die
Leopold Roberts, ſchon in der Darſtellung der Zweige hervorgehoben. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0263" n="755"/> Leopold Roberts, ſchon in der Darſtellung der Zweige hervorgehoben. Die<lb/> höhere, mit der Großheit hiſtoriſchen Geiſtes getränkte Form dieſer zwei<lb/> Gattungen iſt es, die neben dem großen Style der Geſchichtsmalerei die<lb/> Stelle einnimmt, welche ſonſt der Mythus inne hatte. Warum nun aber<lb/> die letztere, die nicht blos der Behandlung, ſondern auch dem Gewichte<lb/> des Gegenſtandes nach die wahre Nachfolgerinn des Mythus ſein ſollte,<lb/> in dieſe Rolle mit voller Lebenskraft einzutreten zaudert, das erklärt ſich<lb/> theilweiſe wohl aus dem, was zu §. 695 ausgeführt iſt, aus allen den<lb/> Schwierigkeiten, die aus der Erſchütterung hervorgehen, welche §. 469<lb/> nachgewieſen hat. Es liegt aber noch ein beſonderes Hinderniß in der<lb/><hi rendition="#g">Stimmung der Zeit</hi>. Das geſchichtliche Bild will eine Anſpannung<lb/> des Gemüths, wie Sittenbild und Landſchaft ſie nicht fordert; da genügt<lb/> nicht die ſtille Vertiefung, ſondern da gilt es, furchtbaren Entſcheidungen<lb/> mit der Entſcheidung der eigenen, ganzen Seelenkraft zu folgen. Dieß<lb/> liegt nicht im Zug einer Generation, welche, als ſie in ihrem Geſchäfte<lb/> immer gründlicherer und weiterer Durchdringung und Bewältigung des<lb/> Objects in Wiſſenſchaft, Technik, Organiſation endlich auch an den Staat<lb/> kam, durch furchtbare Erfahrungen ſo niedergeſchlagen wurde, daß ſie ſich<lb/> ganz auf den ſtillen und friedlichen Theil ihrer Arbeit zurückgezogen hat<lb/> und darin durch große Kataſtrophen vorerſt nicht geſtört ſein will, ja<lb/> ſelbſt im Bilde ſie ſcheut. Daher die allgemeine Klage, daß der Tiſch<lb/> unſerer Kunſt mit Nebenſpeiſen reichlich beſetzt iſt, daß aber das große,<lb/> kernhafte Hauptgericht auf ſich warten läßt. Hier kehrt unſere Betrach-<lb/> tung zu §. 484 Schluß der Anm. zurück.</hi> </p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [755/0263]
Leopold Roberts, ſchon in der Darſtellung der Zweige hervorgehoben. Die
höhere, mit der Großheit hiſtoriſchen Geiſtes getränkte Form dieſer zwei
Gattungen iſt es, die neben dem großen Style der Geſchichtsmalerei die
Stelle einnimmt, welche ſonſt der Mythus inne hatte. Warum nun aber
die letztere, die nicht blos der Behandlung, ſondern auch dem Gewichte
des Gegenſtandes nach die wahre Nachfolgerinn des Mythus ſein ſollte,
in dieſe Rolle mit voller Lebenskraft einzutreten zaudert, das erklärt ſich
theilweiſe wohl aus dem, was zu §. 695 ausgeführt iſt, aus allen den
Schwierigkeiten, die aus der Erſchütterung hervorgehen, welche §. 469
nachgewieſen hat. Es liegt aber noch ein beſonderes Hinderniß in der
Stimmung der Zeit. Das geſchichtliche Bild will eine Anſpannung
des Gemüths, wie Sittenbild und Landſchaft ſie nicht fordert; da genügt
nicht die ſtille Vertiefung, ſondern da gilt es, furchtbaren Entſcheidungen
mit der Entſcheidung der eigenen, ganzen Seelenkraft zu folgen. Dieß
liegt nicht im Zug einer Generation, welche, als ſie in ihrem Geſchäfte
immer gründlicherer und weiterer Durchdringung und Bewältigung des
Objects in Wiſſenſchaft, Technik, Organiſation endlich auch an den Staat
kam, durch furchtbare Erfahrungen ſo niedergeſchlagen wurde, daß ſie ſich
ganz auf den ſtillen und friedlichen Theil ihrer Arbeit zurückgezogen hat
und darin durch große Kataſtrophen vorerſt nicht geſtört ſein will, ja
ſelbſt im Bilde ſie ſcheut. Daher die allgemeine Klage, daß der Tiſch
unſerer Kunſt mit Nebenſpeiſen reichlich beſetzt iſt, daß aber das große,
kernhafte Hauptgericht auf ſich warten läßt. Hier kehrt unſere Betrach-
tung zu §. 484 Schluß der Anm. zurück.
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