Metallische klirrt und rasselt mit all seiner Härte auch durch diese Ver- feinerungen hindurch.
Dem Metallstiche stehen die leichteren und beweglicheren Formen des Holzschnitts und Steindrucks zur Seite. Im Erzeugnisse des Holzschnitts fühlt sich nun zwar die lockrere Textur, aber auch trotz dem vertrockneten Zustande, worin das Holz verwendet wird, durchaus wohlthuend der saftig weiche Charakter des vegetabilischen Stoffes durch. Dieß widerspricht nicht dem gewöhnlichen Urtheile, daß er mehr Kraft, weniger Zartheit habe, als der Kupferstich. Der Holzschnitt ist bekanntlich eine aus dem Holz erhöht herausgeschnittene Zeichnung. In diesem Verfahren fallen nun eben- falls die Vortheile weg, welche wir bei jenem Eingraben gefunden haben: da ist nicht die fortrückende Hand, die durch Nachlassen und stärkeren Druck gegen mäßigen Widerstand das künstlerische Gefühl offenbart; die zarten Uebergänge, die Töne werden nur mühsam und annähernd nachgebildet; die Methode, die durch Aezen das Flüssige nachahmt, fällt als unmöglich ohnedieß weg. Allein jede Linie für sich hat doch jenen wohlthuend vegetabilisch saftigen, allgemein weichen Charakter, der zugleich in der Verstärkung der tieferen Schatten eine kräftige, ergiebige, fettigte Derbheit entwickelt. Da die zarteren Ton-Abstufungen nur mit Qual erreicht werden, ist diese saftige Derbheit gerade das, worauf der Holz- schnitt arbeiten muß. Er ist daher ungleich mehr auf sculptorische Haltung angewiesen, als der Metallstich; Umriß mit mäßiger Angabe der Modellirung und der Beleuchtungsverhältnisse des Ganzen ist seine Haupt- stärke. Er läßt eine Steigerung nach dem Malerischen allerdings zu, der Spielraum soll nicht zu enge gezogen werden, aber es ist moderne Ver- kehrtheit, ihn zum Wetteifer mit Kupfer- und Stahlstich hinaufzuschrauben. Es ist schon viel, wenn der Zeichner verfährt wie mit der Nadel im Radiren und dem Formschneider überläßt, dieser freien Bewegung zu folgen; ein Verfahren, als zeichnete er einem Kupferstecher vor, geht ent- schieden über die Grenze. Die Deutschen haben sich neuerdings ein bedeutendes Verdienst in der Rückführung des Holzschnitts auf seine ur- sprüngliche, tüchtige, naive und doch geistvolle Einfalt erworben, insbe- sondere ist ein Werk wie Rud. Weigels "Holzschnitte berühmter Meister", worin wir mit so reinem Gefühl und Verständniß das Mark des alten Holzschnitts nachgebildet sehen, mit Freuden zu begrüßen. Es kann nun im Holzschnitte das künstlerische Gefühl allerdings nicht ebenso in die Fingerspitzen übergehen, wie im Kupferstich, doch ist das Band zwischen Seele und Technik nicht so zerschnitten, daß wir nur einen erfindenden, der Ausführung fremden Künstler als Vorzeichner auf der einen und den Formschneider auf der andern Seite hätten: ein Dürer und Holbein hat ohne Zweifel nicht nur auf Holz vorgezeichnet, sondern auch selbst geschnitten;
Metalliſche klirrt und raſſelt mit all ſeiner Härte auch durch dieſe Ver- feinerungen hindurch.
Dem Metallſtiche ſtehen die leichteren und beweglicheren Formen des Holzſchnitts und Steindrucks zur Seite. Im Erzeugniſſe des Holzſchnitts fühlt ſich nun zwar die lockrere Textur, aber auch trotz dem vertrockneten Zuſtande, worin das Holz verwendet wird, durchaus wohlthuend der ſaftig weiche Charakter des vegetabiliſchen Stoffes durch. Dieß widerſpricht nicht dem gewöhnlichen Urtheile, daß er mehr Kraft, weniger Zartheit habe, als der Kupferſtich. Der Holzſchnitt iſt bekanntlich eine aus dem Holz erhöht herausgeſchnittene Zeichnung. In dieſem Verfahren fallen nun eben- falls die Vortheile weg, welche wir bei jenem Eingraben gefunden haben: da iſt nicht die fortrückende Hand, die durch Nachlaſſen und ſtärkeren Druck gegen mäßigen Widerſtand das künſtleriſche Gefühl offenbart; die zarten Uebergänge, die Töne werden nur mühſam und annähernd nachgebildet; die Methode, die durch Aezen das Flüſſige nachahmt, fällt als unmöglich ohnedieß weg. Allein jede Linie für ſich hat doch jenen wohlthuend vegetabiliſch ſaftigen, allgemein weichen Charakter, der zugleich in der Verſtärkung der tieferen Schatten eine kräftige, ergiebige, fettigte Derbheit entwickelt. Da die zarteren Ton-Abſtufungen nur mit Qual erreicht werden, iſt dieſe ſaftige Derbheit gerade das, worauf der Holz- ſchnitt arbeiten muß. Er iſt daher ungleich mehr auf ſculptoriſche Haltung angewieſen, als der Metallſtich; Umriß mit mäßiger Angabe der Modellirung und der Beleuchtungsverhältniſſe des Ganzen iſt ſeine Haupt- ſtärke. Er läßt eine Steigerung nach dem Maleriſchen allerdings zu, der Spielraum ſoll nicht zu enge gezogen werden, aber es iſt moderne Ver- kehrtheit, ihn zum Wetteifer mit Kupfer- und Stahlſtich hinaufzuſchrauben. Es iſt ſchon viel, wenn der Zeichner verfährt wie mit der Nadel im Radiren und dem Formſchneider überläßt, dieſer freien Bewegung zu folgen; ein Verfahren, als zeichnete er einem Kupferſtecher vor, geht ent- ſchieden über die Grenze. Die Deutſchen haben ſich neuerdings ein bedeutendes Verdienſt in der Rückführung des Holzſchnitts auf ſeine ur- ſprüngliche, tüchtige, naive und doch geiſtvolle Einfalt erworben, insbe- ſondere iſt ein Werk wie Rud. Weigels „Holzſchnitte berühmter Meiſter“, worin wir mit ſo reinem Gefühl und Verſtändniß das Mark des alten Holzſchnitts nachgebildet ſehen, mit Freuden zu begrüßen. Es kann nun im Holzſchnitte das künſtleriſche Gefühl allerdings nicht ebenſo in die Fingerſpitzen übergehen, wie im Kupferſtich, doch iſt das Band zwiſchen Seele und Technik nicht ſo zerſchnitten, daß wir nur einen erfindenden, der Ausführung fremden Künſtler als Vorzeichner auf der einen und den Formſchneider auf der andern Seite hätten: ein Dürer und Holbein hat ohne Zweifel nicht nur auf Holz vorgezeichnet, ſondern auch ſelbſt geſchnitten;
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Metalliſche klirrt und raſſelt mit all ſeiner Härte auch durch dieſe Ver-
feinerungen hindurch.
Dem Metallſtiche ſtehen die leichteren und beweglicheren Formen des
Holzſchnitts und Steindrucks zur Seite. Im Erzeugniſſe des Holzſchnitts
fühlt ſich nun zwar die lockrere Textur, aber auch trotz dem vertrockneten
Zuſtande, worin das Holz verwendet wird, durchaus wohlthuend der ſaftig
weiche Charakter des vegetabiliſchen Stoffes durch. Dieß widerſpricht nicht
dem gewöhnlichen Urtheile, daß er mehr Kraft, weniger Zartheit habe,
als der Kupferſtich. Der Holzſchnitt iſt bekanntlich eine aus dem Holz
erhöht herausgeſchnittene Zeichnung. In dieſem Verfahren fallen nun eben-
falls die Vortheile weg, welche wir bei jenem Eingraben gefunden haben:
da iſt nicht die fortrückende Hand, die durch Nachlaſſen und ſtärkeren
Druck gegen mäßigen Widerſtand das künſtleriſche Gefühl offenbart;
die zarten Uebergänge, die Töne werden nur mühſam und annähernd
nachgebildet; die Methode, die durch Aezen das Flüſſige nachahmt, fällt
als unmöglich ohnedieß weg. Allein jede Linie für ſich hat doch jenen
wohlthuend vegetabiliſch ſaftigen, allgemein weichen Charakter, der zugleich
in der Verſtärkung der tieferen Schatten eine kräftige, ergiebige, fettigte
Derbheit entwickelt. Da die zarteren Ton-Abſtufungen nur mit Qual
erreicht werden, iſt dieſe ſaftige Derbheit gerade das, worauf der Holz-
ſchnitt arbeiten muß. Er iſt daher ungleich mehr auf ſculptoriſche
Haltung angewieſen, als der Metallſtich; Umriß mit mäßiger Angabe der
Modellirung und der Beleuchtungsverhältniſſe des Ganzen iſt ſeine Haupt-
ſtärke. Er läßt eine Steigerung nach dem Maleriſchen allerdings zu, der
Spielraum ſoll nicht zu enge gezogen werden, aber es iſt moderne Ver-
kehrtheit, ihn zum Wetteifer mit Kupfer- und Stahlſtich hinaufzuſchrauben.
Es iſt ſchon viel, wenn der Zeichner verfährt wie mit der Nadel im
Radiren und dem Formſchneider überläßt, dieſer freien Bewegung zu
folgen; ein Verfahren, als zeichnete er einem Kupferſtecher vor, geht ent-
ſchieden über die Grenze. Die Deutſchen haben ſich neuerdings ein
bedeutendes Verdienſt in der Rückführung des Holzſchnitts auf ſeine ur-
ſprüngliche, tüchtige, naive und doch geiſtvolle Einfalt erworben, insbe-
ſondere iſt ein Werk wie Rud. Weigels „Holzſchnitte berühmter Meiſter“,
worin wir mit ſo reinem Gefühl und Verſtändniß das Mark des alten
Holzſchnitts nachgebildet ſehen, mit Freuden zu begrüßen. Es kann nun
im Holzſchnitte das künſtleriſche Gefühl allerdings nicht ebenſo in die
Fingerſpitzen übergehen, wie im Kupferſtich, doch iſt das Band zwiſchen
Seele und Technik nicht ſo zerſchnitten, daß wir nur einen erfindenden,
der Ausführung fremden Künſtler als Vorzeichner auf der einen und den
Formſchneider auf der andern Seite hätten: ein Dürer und Holbein hat
ohne Zweifel nicht nur auf Holz vorgezeichnet, ſondern auch ſelbſt geſchnitten;
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/274>, abgerufen am 16.07.2024.
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