Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
nen die Idee über den Körper der Darstellung oder die Schönheit der Form Die Zeichnung verhält sich zum Ganzen der Malerei wie der Be-
nen die Idee über den Körper der Darſtellung oder die Schönheit der Form Die Zeichnung verhält ſich zum Ganzen der Malerei wie der Be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#fr"><pb facs="#f0060" n="552"/> nen die Idee über den Körper der Darſtellung oder die Schönheit der Form<lb/> über die Innerlichkeit des Ausdrucks vorſchlägt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Die Zeichnung verhält ſich zum Ganzen der Malerei wie der Be-<lb/> griff zu dem Körper, in welchem er realiſirt iſt; ſie iſt das Männliche,<lb/> Zeugende in der maleriſchen Hervorbringung; der Künſtler legt ſeine Er-<lb/> findung zuerſt in ihr nieder, ſie liegt unmittelbar, als erſtes Feſtland, an<lb/> der Quelle der inneren Schöpfung, gehört mit ihr noch auf’s Engſte zu-<lb/> ſammen und entſpricht ſo, gegenüber der Schattirung und Farbe, dem noch<lb/> körperloſen innern Bilde der Phantaſie überhaupt gegenüber der Ausfüh-<lb/> rung, der Kunſt überhaupt. Daher ſind, wie ſchon zu §. 493, <hi rendition="#sub">2.</hi> erwähnt<lb/> iſt, die Handzeichnungen der großen Meiſter von ſo hohem Werthe; man<lb/> ſieht noch unmittelbar in die Werkſtätte des Schaffens, ſchöpft das Quell-<lb/> waſſer am Urſprung, ſieht den erſten genialen, noch nicht eigentlich kör-<lb/> perhaften und doch in ſich ſchon ſo ſicheren, feſten Wurf. Dem wider-<lb/> ſpricht nicht, daß man zugleich an den Spuren des Zweifels, den Ver-<lb/> beſſerungen erkennt, wie doch ſchon auf dieſem erſten Schritte die Phan-<lb/> taſie zu erfahren bekommt, daß das erſt innere Bild noch blaß und un-<lb/> beſtimmt war (vergl. §. 492). In fortgeſchrittener Weiſe zeigen die<lb/> Cartone zu Fresken den Künſtlergedanken in ſeiner urſprünglichen geiſtigen<lb/> Beſtimmtheit. — Der Umriß bleibt nun zwar bloßer Anfang, ſoll aufge-<lb/> hobenes Moment werden, aber er kann ſich als beſonderer Zweig fixiren.<lb/> Das Recht zu dieſer Iſolirung iſt in §. 662, <hi rendition="#sub">1.</hi> mit dem Satz ausgeſpro-<lb/> chen, daß die Zeichnung relativ eine Welt der Schönheit für ſich entwickle,<lb/> wozu die Anmerkung ſagt, daß die Phantaſie aus dem ſchwungvollen Um-<lb/> riſſe ſich das ganze der Geſtalt herausbaut. Subjectiv entſpricht die<lb/> Skizze jenen Künſtler-Naturen, von denen zu §. 493, <hi rendition="#sub">2.</hi> die Rede gewe-<lb/> ſen iſt als ſolchen, die ein inneres Hemmniß ihrer Organiſation abhält,<lb/> von der Erfindung und dem erſten, noch auf ihrer Seite liegenden Schritte<lb/> der Ausführung zur vollen Ausführung fortzugehen; objectiv ſolchen Stof-<lb/> fen, worin die Idee den feſten Körper gewiſſermaßen durchbricht und die<lb/> vorwiegende Geiſtigkeit des Ganzen es nicht verträgt, in den vollen Schein<lb/> der Realität, wie ihn die Farbe gibt, hereinverſetzt zu werden. Dazu eig-<lb/> net ſich die Skizze, weil ſie den erfindenden Gedanken, die Seele gleich-<lb/> ſam blos legt und der von Scene zu Scene vorwärts drängenden Fülle<lb/> der Phantaſie Genüge thut. Es iſt klar, daß es ſich hier hauptſächlich<lb/> vom Anſchluß an Dichtwerke handelt: das Allegoriſche und Geiſterhafte in<lb/> Dante, das von innen heraus unruhig genial Bewegte in Göthe’s Fauſt<lb/> fordert mehr zur Skizze, als zum Gemälde auf. Doch können natürlich<lb/> auch ſattere, körperhaftere Stoffe in dieſer Form behandelt werden; vorzüg-<lb/> lich lädt die ſchöne Einfachheit des alten Epos dazu ein. Hier kommt ein<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [552/0060]
nen die Idee über den Körper der Darſtellung oder die Schönheit der Form
über die Innerlichkeit des Ausdrucks vorſchlägt.
Die Zeichnung verhält ſich zum Ganzen der Malerei wie der Be-
griff zu dem Körper, in welchem er realiſirt iſt; ſie iſt das Männliche,
Zeugende in der maleriſchen Hervorbringung; der Künſtler legt ſeine Er-
findung zuerſt in ihr nieder, ſie liegt unmittelbar, als erſtes Feſtland, an
der Quelle der inneren Schöpfung, gehört mit ihr noch auf’s Engſte zu-
ſammen und entſpricht ſo, gegenüber der Schattirung und Farbe, dem noch
körperloſen innern Bilde der Phantaſie überhaupt gegenüber der Ausfüh-
rung, der Kunſt überhaupt. Daher ſind, wie ſchon zu §. 493, 2. erwähnt
iſt, die Handzeichnungen der großen Meiſter von ſo hohem Werthe; man
ſieht noch unmittelbar in die Werkſtätte des Schaffens, ſchöpft das Quell-
waſſer am Urſprung, ſieht den erſten genialen, noch nicht eigentlich kör-
perhaften und doch in ſich ſchon ſo ſicheren, feſten Wurf. Dem wider-
ſpricht nicht, daß man zugleich an den Spuren des Zweifels, den Ver-
beſſerungen erkennt, wie doch ſchon auf dieſem erſten Schritte die Phan-
taſie zu erfahren bekommt, daß das erſt innere Bild noch blaß und un-
beſtimmt war (vergl. §. 492). In fortgeſchrittener Weiſe zeigen die
Cartone zu Fresken den Künſtlergedanken in ſeiner urſprünglichen geiſtigen
Beſtimmtheit. — Der Umriß bleibt nun zwar bloßer Anfang, ſoll aufge-
hobenes Moment werden, aber er kann ſich als beſonderer Zweig fixiren.
Das Recht zu dieſer Iſolirung iſt in §. 662, 1. mit dem Satz ausgeſpro-
chen, daß die Zeichnung relativ eine Welt der Schönheit für ſich entwickle,
wozu die Anmerkung ſagt, daß die Phantaſie aus dem ſchwungvollen Um-
riſſe ſich das ganze der Geſtalt herausbaut. Subjectiv entſpricht die
Skizze jenen Künſtler-Naturen, von denen zu §. 493, 2. die Rede gewe-
ſen iſt als ſolchen, die ein inneres Hemmniß ihrer Organiſation abhält,
von der Erfindung und dem erſten, noch auf ihrer Seite liegenden Schritte
der Ausführung zur vollen Ausführung fortzugehen; objectiv ſolchen Stof-
fen, worin die Idee den feſten Körper gewiſſermaßen durchbricht und die
vorwiegende Geiſtigkeit des Ganzen es nicht verträgt, in den vollen Schein
der Realität, wie ihn die Farbe gibt, hereinverſetzt zu werden. Dazu eig-
net ſich die Skizze, weil ſie den erfindenden Gedanken, die Seele gleich-
ſam blos legt und der von Scene zu Scene vorwärts drängenden Fülle
der Phantaſie Genüge thut. Es iſt klar, daß es ſich hier hauptſächlich
vom Anſchluß an Dichtwerke handelt: das Allegoriſche und Geiſterhafte in
Dante, das von innen heraus unruhig genial Bewegte in Göthe’s Fauſt
fordert mehr zur Skizze, als zum Gemälde auf. Doch können natürlich
auch ſattere, körperhaftere Stoffe in dieſer Form behandelt werden; vorzüg-
lich lädt die ſchöne Einfachheit des alten Epos dazu ein. Hier kommt ein
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