Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.gegeben ist, entsteht die Schwierigkeit, daß schon bei diesem Gebiet eine 2. Das Licht- und Schattenleben ist schon als naturschöne Erschei- gegeben iſt, entſteht die Schwierigkeit, daß ſchon bei dieſem Gebiet eine 2. Das Licht- und Schattenleben iſt ſchon als naturſchöne Erſchei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <pb facs="#f0062" n="554"/> <hi rendition="#et">gegeben iſt, entſteht die Schwierigkeit, daß ſchon bei dieſem Gebiet eine<lb/> Reihe von Begriffen zur Sprache kommt, welche doch erſt bei der Verbin-<lb/> dung mit der Farbe ihre erſchöpfende Darſtellung finden.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Das Licht- und Schattenleben iſt ſchon als naturſchöne Erſchei-<lb/> nung aufgeführt, ſeine Reize ſind in ihren Hauptzügen dargeſtellt in den<lb/> angegebenen §§., und es ſcheint, als wäre nun zu jener Darſtellung nichts<lb/> hinzuzufügen, als daß, wie alles Naturſchöne in der Kunſt zu idealiſiren<lb/> iſt, ſo auch dieſe Seite ſeiner Erſcheinung. Allein das Idealiſiren hat in<lb/> jeder beſonderen Kunſtweiſe ſeine eigenen Wege und die Gebiete, die wir<lb/> nun betreten, fordern einen ſo ſpeziellen Rückblick auf das Naturſchöne<lb/> (vergl. §. 510), daß auch die Umbildung der erlauſchten Geheimniſſe in<lb/> künſtleriſche Feinheiten ſich mit einer Beſtimmtheit geſtaltet, die eine ei-<lb/> gene kleine Welt von Kunſtbegriffen mit ſich bringt. Wir bleiben zunächſt<lb/> im Allgemeinen und bemerken zu dem erſten Satze dieſes Theils unſeres<lb/> §., daß nun auf den Unterſchied des Nachahmungsmittels vom lebendigen<lb/> Gegenſtand ein Nachdruck fällt, wie bei der Bildnerkunſt noch nicht; denn<lb/> freilich iſt Stein und Erz ein Anderes, als Fleiſch u. ſ. w., und liegt in<lb/> dieſem Unterſchiede die eine Urſache der Kunſtbedingungen, aber noch viel<lb/> weiter iſt der Abſtand zwiſchen dem unerreichbaren Glanz und Leben des<lb/> Lichts und den todten Stoffen, die ſeinen Schein wiedergeben ſollen. Da<lb/> muß nun im Dunkel nachgeholfen werden, der Abſtand zwiſchen dem<lb/> Glanze des Lichts und zwiſchen dem todten Stoffe des Weiß, der ihn wie-<lb/> dergeben ſoll, muß ſich in einen Abſtand der übrigen Theile des Bilds von<lb/> dieſem Weiß verändern, dieſelben müſſen in dem Verhältniß dunkleren Ton<lb/> haben, in welchem dieß hinter ſeinem Vorbilde zurückbleibt. Es liegt aber<lb/> etwas Tieferes hinter dieſer äußeren Nöthigung, was jedoch erſt bei der<lb/> Betrachtung der Farbe in ſeinem ganzen Gewichte zur Sprache kommen<lb/> kann; hier iſt nur erſt ſo viel zu ſagen, daß die Abdämpfung, die aller<lb/> Glanz des Unmittelbaren in dieſer Behandlung erfahren muß, bereits<lb/> ſelbſt eine Art von Idealiſirung, ein Ausdruck davon iſt, daß das Natur-<lb/> ſchöne in gewiſſem Sinne ſterben mußte, um in der Phantaſie und Kunſt<lb/> zum Leben zurückzukehren. In ſeiner eigentlichen Beſtimmtheit aber ent-<lb/> hält nun der Begriff des Idealiſirens vor Allem die Aufgabe, die der §.<lb/> beſonders hervorhebt. Die Lichtverhältniſſe werden mit der Bedeutung<lb/> der beleuchteten Gegenſtände in der Natur ſelten ſo zuſammentreffen, wie<lb/> es die Kunſt verlangt. Eine nähere Feſtſtellung hierüber iſt allerdings<lb/> nicht möglich; ſo kann namentlich nicht als ſtrenge Regel behauptet wer-<lb/> den, daß der bedeutendſte Gegenſtand auch die vollſte Beleuchtung haben<lb/> müſſe; in den meiſten Fällen wird dieß natürlich ſein, aber die Bedeutung<lb/> verſchiebt ſich ja auf das Mannigfaltigſte, ſo daß es z. B. äſthetiſch ge-<lb/> fordert ſein kann, eine bedeutende Figur, von welcher eine ſtarke Wirkung<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [554/0062]
gegeben iſt, entſteht die Schwierigkeit, daß ſchon bei dieſem Gebiet eine
Reihe von Begriffen zur Sprache kommt, welche doch erſt bei der Verbin-
dung mit der Farbe ihre erſchöpfende Darſtellung finden.
2. Das Licht- und Schattenleben iſt ſchon als naturſchöne Erſchei-
nung aufgeführt, ſeine Reize ſind in ihren Hauptzügen dargeſtellt in den
angegebenen §§., und es ſcheint, als wäre nun zu jener Darſtellung nichts
hinzuzufügen, als daß, wie alles Naturſchöne in der Kunſt zu idealiſiren
iſt, ſo auch dieſe Seite ſeiner Erſcheinung. Allein das Idealiſiren hat in
jeder beſonderen Kunſtweiſe ſeine eigenen Wege und die Gebiete, die wir
nun betreten, fordern einen ſo ſpeziellen Rückblick auf das Naturſchöne
(vergl. §. 510), daß auch die Umbildung der erlauſchten Geheimniſſe in
künſtleriſche Feinheiten ſich mit einer Beſtimmtheit geſtaltet, die eine ei-
gene kleine Welt von Kunſtbegriffen mit ſich bringt. Wir bleiben zunächſt
im Allgemeinen und bemerken zu dem erſten Satze dieſes Theils unſeres
§., daß nun auf den Unterſchied des Nachahmungsmittels vom lebendigen
Gegenſtand ein Nachdruck fällt, wie bei der Bildnerkunſt noch nicht; denn
freilich iſt Stein und Erz ein Anderes, als Fleiſch u. ſ. w., und liegt in
dieſem Unterſchiede die eine Urſache der Kunſtbedingungen, aber noch viel
weiter iſt der Abſtand zwiſchen dem unerreichbaren Glanz und Leben des
Lichts und den todten Stoffen, die ſeinen Schein wiedergeben ſollen. Da
muß nun im Dunkel nachgeholfen werden, der Abſtand zwiſchen dem
Glanze des Lichts und zwiſchen dem todten Stoffe des Weiß, der ihn wie-
dergeben ſoll, muß ſich in einen Abſtand der übrigen Theile des Bilds von
dieſem Weiß verändern, dieſelben müſſen in dem Verhältniß dunkleren Ton
haben, in welchem dieß hinter ſeinem Vorbilde zurückbleibt. Es liegt aber
etwas Tieferes hinter dieſer äußeren Nöthigung, was jedoch erſt bei der
Betrachtung der Farbe in ſeinem ganzen Gewichte zur Sprache kommen
kann; hier iſt nur erſt ſo viel zu ſagen, daß die Abdämpfung, die aller
Glanz des Unmittelbaren in dieſer Behandlung erfahren muß, bereits
ſelbſt eine Art von Idealiſirung, ein Ausdruck davon iſt, daß das Natur-
ſchöne in gewiſſem Sinne ſterben mußte, um in der Phantaſie und Kunſt
zum Leben zurückzukehren. In ſeiner eigentlichen Beſtimmtheit aber ent-
hält nun der Begriff des Idealiſirens vor Allem die Aufgabe, die der §.
beſonders hervorhebt. Die Lichtverhältniſſe werden mit der Bedeutung
der beleuchteten Gegenſtände in der Natur ſelten ſo zuſammentreffen, wie
es die Kunſt verlangt. Eine nähere Feſtſtellung hierüber iſt allerdings
nicht möglich; ſo kann namentlich nicht als ſtrenge Regel behauptet wer-
den, daß der bedeutendſte Gegenſtand auch die vollſte Beleuchtung haben
müſſe; in den meiſten Fällen wird dieß natürlich ſein, aber die Bedeutung
verſchiebt ſich ja auf das Mannigfaltigſte, ſo daß es z. B. äſthetiſch ge-
fordert ſein kann, eine bedeutende Figur, von welcher eine ſtarke Wirkung
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