Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.2. Bedeutung und Leben der Farbe ist in der Lehre vom Natur- 2. Bedeutung und Leben der Farbe iſt in der Lehre vom Natur- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0070" n="562"/> <p> <hi rendition="#et">2. Bedeutung und Leben der Farbe iſt in der Lehre vom Natur-<lb/> ſchönen dargeſtellt, die wichtigſten Seiten dieſes ganzen Erſcheinungs-<lb/> gebiets, die Grundforderungen der Harmonie ſind im allgemeinen Umriſſe<lb/> gegeben und überall iſt darauf verwieſen, wie auch dieſes Schöne ein<lb/> Zufälliges iſt, das auf den Geiſt wartet, der mit Bewußtſein und Wollen<lb/> die Reinheit und innere Einheit einführt. Indem wir aber auch hier<lb/> die Aufgabe der idealiſirenden Thätigkeit erſt näher und, wie geſagt, ganz<lb/> parallel mit der Lehre von der Licht- und Schattengebung (§. 665, <hi rendition="#sub">2.</hi>) zu<lb/> beſtimmen haben, ſo ſchieben wir das, was ſich aus dem Unterſchiede der<lb/> techniſchen Mittel von der wirklichen Farbe ergibt, zunächſt auf und heben<lb/> von den Mängeln dieſer Seite des Naturſchönen an ſich das Weſentliche<lb/> genauer hervor. Wie es in der Natur zufällig iſt, ob mit der innern<lb/> Bedeutung eines Gegenſtands ſeine Beleuchtung zuſammenſtimmt, ſo wird<lb/> der Zufall auch deſſen Farbe oft in Widerſpruch mit ſeiner Natur ſetzen.<lb/> Handelt es ſich von der Naturfarbe eines Körpers, ſo kann ſie wenigſtens<lb/> durch krankhaften Zuſtand, augenblickliche Trübung, Grellheit u. ſ. w.<lb/> ihre wahre, urſprüngliche Stimmung unvollkommen ausdrücken, aber die<lb/> äußerlich angelegte und umgelegte Farbe (Kleider, Hintergrund von Zim-<lb/> mern u. ſ. w.) iſt ja ebenfalls von großer Wichtigkeit und hier kommt<lb/> zum Zufall noch ſtörende, widerſinnige Menſchenlaune. Zu der äußerlich<lb/> hinzutretenden Farbe können wir auch das ganze Gebiet der durch die<lb/> allgemeinen Medien des Lichts, der Luft, durch Feuer und andere farbige<lb/> Beleuchtung über ein Ganzes oder größere Theile deſſelben ſich ergießen-<lb/> den Farben nehmen, die ſelbſt noch wichtiger ſind, als die den Körpern<lb/> ſelbſt eigenen Farben, indem ſie ebenſo die innere Stimmung einer Mehr-<lb/> heit von Gegenſtänden im gewählten Momente ausdrücken, wie die an-<lb/> geborene, mitgewachſene Farbe die des einzelnen Gegenſtands. Dabei<lb/> iſt noch vorausgeſetzt, daß der Künſtler ſeinen Stoff in der Natur vor-<lb/> gefunden und deſſen Farbenerſcheinung ſo wie ſeine anderen Seiten nur<lb/> künſtleriſch umzubilden habe; allein er kann ihn auch aus der Ueberlieferung<lb/> aufnehmen, kann aus einem Mindeſten von gegebenem Stoff ein inneres<lb/> Bild erzeugen und dabei kann es an ſpeziellerem Anhalte zur Farben-<lb/> gebung im Vorbild fehlen: es iſt ihm überlaſſen, welche Haut- und Haar-<lb/> farben, welche Farben für Gewänder, umgebenden Raum u. ſ. w. er<lb/> wählen will. Die Frage, ob die Hauptperſon oder die Hauptperſonen<lb/> durch Farbe hervorſtechen ſollen, führt zum Theil auf die frühere zurück,<lb/> ob ſie durch ſtarke Beleuchtung auszuzeichnen ſeien; ſie iſt ſchon in §. 252, <hi rendition="#sub">2.</hi><lb/> beſprochen und im Allgemeinen bejaht, natürlich unterliegt aber auch die-<lb/> ſer allgemeine Satz den Modificationen, die ſich theils aus gegenſätzlichen<lb/> ironiſchen Wirkungen (z. B. Größe im Elend gegenüber glänzender Nichts-<lb/> würdigkeit), theils aus den Kreuzungen von Farbe und Licht, von Local-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [562/0070]
2. Bedeutung und Leben der Farbe iſt in der Lehre vom Natur-
ſchönen dargeſtellt, die wichtigſten Seiten dieſes ganzen Erſcheinungs-
gebiets, die Grundforderungen der Harmonie ſind im allgemeinen Umriſſe
gegeben und überall iſt darauf verwieſen, wie auch dieſes Schöne ein
Zufälliges iſt, das auf den Geiſt wartet, der mit Bewußtſein und Wollen
die Reinheit und innere Einheit einführt. Indem wir aber auch hier
die Aufgabe der idealiſirenden Thätigkeit erſt näher und, wie geſagt, ganz
parallel mit der Lehre von der Licht- und Schattengebung (§. 665, 2.) zu
beſtimmen haben, ſo ſchieben wir das, was ſich aus dem Unterſchiede der
techniſchen Mittel von der wirklichen Farbe ergibt, zunächſt auf und heben
von den Mängeln dieſer Seite des Naturſchönen an ſich das Weſentliche
genauer hervor. Wie es in der Natur zufällig iſt, ob mit der innern
Bedeutung eines Gegenſtands ſeine Beleuchtung zuſammenſtimmt, ſo wird
der Zufall auch deſſen Farbe oft in Widerſpruch mit ſeiner Natur ſetzen.
Handelt es ſich von der Naturfarbe eines Körpers, ſo kann ſie wenigſtens
durch krankhaften Zuſtand, augenblickliche Trübung, Grellheit u. ſ. w.
ihre wahre, urſprüngliche Stimmung unvollkommen ausdrücken, aber die
äußerlich angelegte und umgelegte Farbe (Kleider, Hintergrund von Zim-
mern u. ſ. w.) iſt ja ebenfalls von großer Wichtigkeit und hier kommt
zum Zufall noch ſtörende, widerſinnige Menſchenlaune. Zu der äußerlich
hinzutretenden Farbe können wir auch das ganze Gebiet der durch die
allgemeinen Medien des Lichts, der Luft, durch Feuer und andere farbige
Beleuchtung über ein Ganzes oder größere Theile deſſelben ſich ergießen-
den Farben nehmen, die ſelbſt noch wichtiger ſind, als die den Körpern
ſelbſt eigenen Farben, indem ſie ebenſo die innere Stimmung einer Mehr-
heit von Gegenſtänden im gewählten Momente ausdrücken, wie die an-
geborene, mitgewachſene Farbe die des einzelnen Gegenſtands. Dabei
iſt noch vorausgeſetzt, daß der Künſtler ſeinen Stoff in der Natur vor-
gefunden und deſſen Farbenerſcheinung ſo wie ſeine anderen Seiten nur
künſtleriſch umzubilden habe; allein er kann ihn auch aus der Ueberlieferung
aufnehmen, kann aus einem Mindeſten von gegebenem Stoff ein inneres
Bild erzeugen und dabei kann es an ſpeziellerem Anhalte zur Farben-
gebung im Vorbild fehlen: es iſt ihm überlaſſen, welche Haut- und Haar-
farben, welche Farben für Gewänder, umgebenden Raum u. ſ. w. er
wählen will. Die Frage, ob die Hauptperſon oder die Hauptperſonen
durch Farbe hervorſtechen ſollen, führt zum Theil auf die frühere zurück,
ob ſie durch ſtarke Beleuchtung auszuzeichnen ſeien; ſie iſt ſchon in §. 252, 2.
beſprochen und im Allgemeinen bejaht, natürlich unterliegt aber auch die-
ſer allgemeine Satz den Modificationen, die ſich theils aus gegenſätzlichen
ironiſchen Wirkungen (z. B. Größe im Elend gegenüber glänzender Nichts-
würdigkeit), theils aus den Kreuzungen von Farbe und Licht, von Local-
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