nun dieselbe sich entfalten, so muß das Selbstbewußtsein sich wieder mit dem Bewußtsein vereinigen, das ein wirkliches, dem Subjecte zunächst fremdes, von außen gegebenes Object hinzubringt. Der Geist, der als Selbstbewußt- sein sich in seiner reinen Thätigkeit erfaßt hat, geht aber nun mit dieser Voraussetzung seiner Autonomie an das gegebene Object und verarbeitet es in das Seinige. Die Formen des Denkens und Wollens sind die Reali- sirung des Selbstbewußtseins, die Entfaltung seines erst unaufgeschlossenen Wesens, wonach es nichts Anderes ist, als die in den Einen, idealen Punct des Ich, das sich selbst Object ist, zurückgegangene Ausbreitung aller Dinge, die sich aus dem Puncte wieder auswickeln soll, nun aber so, daß der Geist die thätige Macht ist, die in ihrer Arbeit Alles durchdringt, das Object denkend in den Begriff aufhebt und den Begriff wollend in objectives Da- sein übersetzt. Da nun keine Form des Geistes für sich allein besteht, so haben wir zu fragen, wie sich das Bewußtsein im oben bestimmten, gewöhn- lichen Sinn, d. h. abgesehen von dieser tieferen Vereinigung mit dem Selbst- bewußtsein, zum Denken verhalte, und die Antwort ist, daß es nicht anders auftritt, als mit einem Denken, aber, sofern es eben unterschieden ist von dessen ganzem, prinzipiellem Prozesse, nur mit der formellen Thätigkeit des Denkens, also ohne dessen Fortgang zur speculativen Idee. Ohne sich von der Grundlage jener, noch auf den Kategorieen der Sinnlichkeit ruhenden Antithese von Subject und Object zu befreien, ist also das Bewußtsein von Denkbestimmungen durchzogen und gibt seinem Acte der unterscheidenden Gegenüberstellung Ausdruck durch das Wort. Es bestimmt das Object und dessen Verhältniß zum Subject, es prädicirt, es urtheilt. -- Vergleichen wir nun das Gefühl zuerst mit dem bloßen Bewußtsein, so ist es nach der einen Seite ärmer, als dieses: es prädicirt nicht, es urtheilt nicht, es sagt nichts vom Object aus. Es ist dunkel, es ist -- oder scheint blind und, wofern es keine Sprache, als die eigentlich sogenannte, die des Worts, geben soll, auch stumm. Im Gefühl werde ich mir des Verhält- nisses inne, in welchem ein Eindruck oder eine Summe von Eindrücken zu meinen subjectiven Lebensbedingungen steht. Was für ein Object aber und auf welchem Wege, durch welchen Proceß es diesen Eindruck auf mich her- vorgebracht hat, dieß habe ich, sofern ich mich blos empfindend verhalte, vergessen, ich vernehme nur mich selbst, wie ich gestimmt bin, bin nur bei mir, verkehre nur mit mir, das Object ist einfach in das Subject gefallen, löst sich in ihm zu einer bloßen Resonnanz auf. Die Dinge klingen in mir an, ihr Wiederhall ist in meinem Innern, aber ich verhalte mich nur zu diesem Klang, nicht zu seiner Ursache im Object, höre das Echo, nicht den Rufer. Kurz dem Gefühle fehlt das Licht des Gegenschlags von Subject und Object, es verhält sich zum Bewußtsein wie Schlaf zum Wachen, das Subject sinkt in sich hinein und verliert den Gegensatz zur Außenwelt. Um
nun dieſelbe ſich entfalten, ſo muß das Selbſtbewußtſein ſich wieder mit dem Bewußtſein vereinigen, das ein wirkliches, dem Subjecte zunächſt fremdes, von außen gegebenes Object hinzubringt. Der Geiſt, der als Selbſtbewußt- ſein ſich in ſeiner reinen Thätigkeit erfaßt hat, geht aber nun mit dieſer Vorausſetzung ſeiner Autonomie an das gegebene Object und verarbeitet es in das Seinige. Die Formen des Denkens und Wollens ſind die Reali- ſirung des Selbſtbewußtſeins, die Entfaltung ſeines erſt unaufgeſchloſſenen Weſens, wonach es nichts Anderes iſt, als die in den Einen, idealen Punct des Ich, das ſich ſelbſt Object iſt, zurückgegangene Ausbreitung aller Dinge, die ſich aus dem Puncte wieder auswickeln ſoll, nun aber ſo, daß der Geiſt die thätige Macht iſt, die in ihrer Arbeit Alles durchdringt, das Object denkend in den Begriff aufhebt und den Begriff wollend in objectives Da- ſein überſetzt. Da nun keine Form des Geiſtes für ſich allein beſteht, ſo haben wir zu fragen, wie ſich das Bewußtſein im oben beſtimmten, gewöhn- lichen Sinn, d. h. abgeſehen von dieſer tieferen Vereinigung mit dem Selbſt- bewußtſein, zum Denken verhalte, und die Antwort iſt, daß es nicht anders auftritt, als mit einem Denken, aber, ſofern es eben unterſchieden iſt von deſſen ganzem, prinzipiellem Prozeſſe, nur mit der formellen Thätigkeit des Denkens, alſo ohne deſſen Fortgang zur ſpeculativen Idee. Ohne ſich von der Grundlage jener, noch auf den Kategorieen der Sinnlichkeit ruhenden Antitheſe von Subject und Object zu befreien, iſt alſo das Bewußtſein von Denkbeſtimmungen durchzogen und gibt ſeinem Acte der unterſcheidenden Gegenüberſtellung Ausdruck durch das Wort. Es beſtimmt das Object und deſſen Verhältniß zum Subject, es prädicirt, es urtheilt. — Vergleichen wir nun das Gefühl zuerſt mit dem bloßen Bewußtſein, ſo iſt es nach der einen Seite ärmer, als dieſes: es prädicirt nicht, es urtheilt nicht, es ſagt nichts vom Object aus. Es iſt dunkel, es iſt — oder ſcheint blind und, wofern es keine Sprache, als die eigentlich ſogenannte, die des Worts, geben ſoll, auch ſtumm. Im Gefühl werde ich mir des Verhält- niſſes inne, in welchem ein Eindruck oder eine Summe von Eindrücken zu meinen ſubjectiven Lebensbedingungen ſteht. Was für ein Object aber und auf welchem Wege, durch welchen Proceß es dieſen Eindruck auf mich her- vorgebracht hat, dieß habe ich, ſofern ich mich blos empfindend verhalte, vergeſſen, ich vernehme nur mich ſelbſt, wie ich geſtimmt bin, bin nur bei mir, verkehre nur mit mir, das Object iſt einfach in das Subject gefallen, löst ſich in ihm zu einer bloßen Reſonnanz auf. Die Dinge klingen in mir an, ihr Wiederhall iſt in meinem Innern, aber ich verhalte mich nur zu dieſem Klang, nicht zu ſeiner Urſache im Object, höre das Echo, nicht den Rufer. Kurz dem Gefühle fehlt das Licht des Gegenſchlags von Subject und Object, es verhält ſich zum Bewußtſein wie Schlaf zum Wachen, das Subject ſinkt in ſich hinein und verliert den Gegenſatz zur Außenwelt. Um
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[782/0020]
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ſein ſich in ſeiner reinen Thätigkeit erfaßt hat, geht aber nun mit dieſer
Vorausſetzung ſeiner Autonomie an das gegebene Object und verarbeitet es
in das Seinige. Die Formen des Denkens und Wollens ſind die Reali-
ſirung des Selbſtbewußtſeins, die Entfaltung ſeines erſt unaufgeſchloſſenen
Weſens, wonach es nichts Anderes iſt, als die in den Einen, idealen Punct
des Ich, das ſich ſelbſt Object iſt, zurückgegangene Ausbreitung aller Dinge,
die ſich aus dem Puncte wieder auswickeln ſoll, nun aber ſo, daß der Geiſt
die thätige Macht iſt, die in ihrer Arbeit Alles durchdringt, das Object
denkend in den Begriff aufhebt und den Begriff wollend in objectives Da-
ſein überſetzt. Da nun keine Form des Geiſtes für ſich allein beſteht, ſo
haben wir zu fragen, wie ſich das Bewußtſein im oben beſtimmten, gewöhn-
lichen Sinn, d. h. abgeſehen von dieſer tieferen Vereinigung mit dem Selbſt-
bewußtſein, zum Denken verhalte, und die Antwort iſt, daß es nicht anders
auftritt, als mit einem Denken, aber, ſofern es eben unterſchieden iſt von
deſſen ganzem, prinzipiellem Prozeſſe, nur mit der formellen Thätigkeit des
Denkens, alſo ohne deſſen Fortgang zur ſpeculativen Idee. Ohne ſich von
der Grundlage jener, noch auf den Kategorieen der Sinnlichkeit ruhenden
Antitheſe von Subject und Object zu befreien, iſt alſo das Bewußtſein von
Denkbeſtimmungen durchzogen und gibt ſeinem Acte der unterſcheidenden
Gegenüberſtellung Ausdruck durch das Wort. Es beſtimmt das Object
und deſſen Verhältniß zum Subject, es prädicirt, es urtheilt. —
Vergleichen wir nun das Gefühl zuerſt mit dem bloßen Bewußtſein, ſo
iſt es nach der einen Seite ärmer, als dieſes: es prädicirt nicht, es urtheilt
nicht, es ſagt nichts vom Object aus. Es iſt dunkel, es iſt — oder ſcheint
blind und, wofern es keine Sprache, als die eigentlich ſogenannte, die des
Worts, geben ſoll, auch ſtumm. Im Gefühl werde ich mir des Verhält-
niſſes inne, in welchem ein Eindruck oder eine Summe von Eindrücken zu
meinen ſubjectiven Lebensbedingungen ſteht. Was für ein Object aber und
auf welchem Wege, durch welchen Proceß es dieſen Eindruck auf mich her-
vorgebracht hat, dieß habe ich, ſofern ich mich blos empfindend verhalte,
vergeſſen, ich vernehme nur mich ſelbſt, wie ich geſtimmt bin, bin nur
bei mir, verkehre nur mit mir, das Object iſt einfach in das Subject gefallen,
löst ſich in ihm zu einer bloßen Reſonnanz auf. Die Dinge klingen in mir
an, ihr Wiederhall iſt in meinem Innern, aber ich verhalte mich nur zu
dieſem Klang, nicht zu ſeiner Urſache im Object, höre das Echo, nicht den
Rufer. Kurz dem Gefühle fehlt das Licht des Gegenſchlags von Subject
und Object, es verhält ſich zum Bewußtſein wie Schlaf zum Wachen, das
Subject ſinkt in ſich hinein und verliert den Gegenſatz zur Außenwelt. Um
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 782. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/20>, abgerufen am 03.02.2025.
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