Stelle der Vergleichungsformel die mimische Darstellung tritt, wie in der Vergleichung der Krone mit zwei Eimern in Richard II, in so vielen classischen und namentlich orientalischen Erzählungen.
Was nun das Verhältniß der Sphären des Verglichenen und zur Vergleichung Hergeholten betrifft, so gibt es, genau genommen, nur Einen wesentlichen Unterschied: es wird Engeres mit Weiterem verglichen, vom Ein- zelnen zum Allgemeinen, vom Sinnlichen zum beseelteren Sinnlichen und zum Geist aufgestiegen oder umgekehrt vom Allgemeinen, Geistigen zum sinnlich Geschloßneren übergegangen. Wenn Sinnliches mit Sinnlichem verglichen wird, so wird man immer finden, daß entweder der verglichene Gegenstand unorganisch, unbewegt, oder unbeseelt organisch, das Bild bewegt, organisch, beseelt ist (wie wenn z. B. treibende Wolken mit gejagten Rossen verglichen werden), oder umgekehrt (wie wenn ich ein feurig bewegtes Roß mit Wellen, seine Mähne mit deren schäumendem Kamm vergleiche); und ähnlich wird, wenn Geistiges in Geistigem sein Gegenbild findet, der Weg der Vergleichung vom Individuelleren, von dem, was im Geistigen relativ sinnlich ist, in das geistig Allgemeinere, das reiner Geistige gehen oder umgekehrt, es wird namentlich auf der einen Seite Geistiges mit seiner sinnlichen Aeußerung zusammengenommen, auf der andern diese abgezogen bleiben (wie wenn eine reine Empfindung mit einem Gebete, eine rasche Handlung mit der Schnelle eines Gedankens verglichen wird). Der natürliche und gewöhn- lichere Weg ist nun, wie sich aus dem Gesetze der Individualisirung von selbst ergibt, der vom Allgemeinen zum Besondern, vom Geiste zum Körper, vom Menschlichen zu der ungeistigen Natur. Allein man hüte sich, diese Begriffe ungenau zu nehmen; sie werden nach Umständen schwierig, was zunächst absteigende Vergleichung scheint, ist, genauer betrachtet, aufsteigende, die aufsteigende aber hat im Bilde etwas relativ Absteigendes. Das Natür- liche, das Körperliche, kann von unbestimmter Weite, ungeschlossener Ge- staltung sein, dann sucht der Dichter das anschaulich Bestimmte, individuell Geschlossene gern im persönlichen Leben, weil dieß individuelle Gestalt hat; geht er aber nicht von einem Sinnlichen unbestimmter Art zu persönlich Lebendigem als Ganzem, sondern von einem Besondern, selbst Persönlichen nur zu einer allgemeinen geistigen Bestimmtheit, einem Zustand, einer Thätigkeitsform über, so ist der Prozeß verwickelter. Hier wird man näm- lich immer finden, daß vorher das Allgemeine dunkel personificirt wird und erst auf diesen Vorgang die aufsteigende Vergleichung sich gründet. Wenn Leontes von Hermione sagt: sie war mild wie Kindheit und wie Gnade, so schweben diese dem Dichter dunkel wie Personen, wie Götter mit ent- sprechenden Zügen vor und mit diesen absoluten Wesen, worin jene Eigen- schaften in unbedingter Reinheit angeschaut sind, wird dann Hermione verglichen. Wenn Lenau die düstre Wolke einen am Himmelsantlitz wan-
Stelle der Vergleichungsformel die mimiſche Darſtellung tritt, wie in der Vergleichung der Krone mit zwei Eimern in Richard II, in ſo vielen claſſiſchen und namentlich orientaliſchen Erzählungen.
Was nun das Verhältniß der Sphären des Verglichenen und zur Vergleichung Hergeholten betrifft, ſo gibt es, genau genommen, nur Einen weſentlichen Unterſchied: es wird Engeres mit Weiterem verglichen, vom Ein- zelnen zum Allgemeinen, vom Sinnlichen zum beſeelteren Sinnlichen und zum Geiſt aufgeſtiegen oder umgekehrt vom Allgemeinen, Geiſtigen zum ſinnlich Geſchloßneren übergegangen. Wenn Sinnliches mit Sinnlichem verglichen wird, ſo wird man immer finden, daß entweder der verglichene Gegenſtand unorganiſch, unbewegt, oder unbeſeelt organiſch, das Bild bewegt, organiſch, beſeelt iſt (wie wenn z. B. treibende Wolken mit gejagten Roſſen verglichen werden), oder umgekehrt (wie wenn ich ein feurig bewegtes Roß mit Wellen, ſeine Mähne mit deren ſchäumendem Kamm vergleiche); und ähnlich wird, wenn Geiſtiges in Geiſtigem ſein Gegenbild findet, der Weg der Vergleichung vom Individuelleren, von dem, was im Geiſtigen relativ ſinnlich iſt, in das geiſtig Allgemeinere, das reiner Geiſtige gehen oder umgekehrt, es wird namentlich auf der einen Seite Geiſtiges mit ſeiner ſinnlichen Aeußerung zuſammengenommen, auf der andern dieſe abgezogen bleiben (wie wenn eine reine Empfindung mit einem Gebete, eine raſche Handlung mit der Schnelle eines Gedankens verglichen wird). Der natürliche und gewöhn- lichere Weg iſt nun, wie ſich aus dem Geſetze der Individualiſirung von ſelbſt ergibt, der vom Allgemeinen zum Beſondern, vom Geiſte zum Körper, vom Menſchlichen zu der ungeiſtigen Natur. Allein man hüte ſich, dieſe Begriffe ungenau zu nehmen; ſie werden nach Umſtänden ſchwierig, was zunächſt abſteigende Vergleichung ſcheint, iſt, genauer betrachtet, aufſteigende, die aufſteigende aber hat im Bilde etwas relativ Abſteigendes. Das Natür- liche, das Körperliche, kann von unbeſtimmter Weite, ungeſchloſſener Ge- ſtaltung ſein, dann ſucht der Dichter das anſchaulich Beſtimmte, individuell Geſchloſſene gern im perſönlichen Leben, weil dieß individuelle Geſtalt hat; geht er aber nicht von einem Sinnlichen unbeſtimmter Art zu perſönlich Lebendigem als Ganzem, ſondern von einem Beſondern, ſelbſt Perſönlichen nur zu einer allgemeinen geiſtigen Beſtimmtheit, einem Zuſtand, einer Thätigkeitsform über, ſo iſt der Prozeß verwickelter. Hier wird man näm- lich immer finden, daß vorher das Allgemeine dunkel perſonificirt wird und erſt auf dieſen Vorgang die aufſteigende Vergleichung ſich gründet. Wenn Leontes von Hermione ſagt: ſie war mild wie Kindheit und wie Gnade, ſo ſchweben dieſe dem Dichter dunkel wie Perſonen, wie Götter mit ent- ſprechenden Zügen vor und mit dieſen abſoluten Weſen, worin jene Eigen- ſchaften in unbedingter Reinheit angeſchaut ſind, wird dann Hermione verglichen. Wenn Lenau die düſtre Wolke einen am Himmelsantlitz wan-
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Stelle der Vergleichungsformel die mimiſche Darſtellung tritt, wie in der
Vergleichung der Krone mit zwei Eimern in Richard II, in ſo vielen
claſſiſchen und namentlich orientaliſchen Erzählungen.
Was nun das Verhältniß der Sphären des Verglichenen und zur
Vergleichung Hergeholten betrifft, ſo gibt es, genau genommen, nur Einen
weſentlichen Unterſchied: es wird Engeres mit Weiterem verglichen, vom Ein-
zelnen zum Allgemeinen, vom Sinnlichen zum beſeelteren Sinnlichen und zum
Geiſt aufgeſtiegen oder umgekehrt vom Allgemeinen, Geiſtigen zum ſinnlich
Geſchloßneren übergegangen. Wenn Sinnliches mit Sinnlichem verglichen
wird, ſo wird man immer finden, daß entweder der verglichene Gegenſtand
unorganiſch, unbewegt, oder unbeſeelt organiſch, das Bild bewegt, organiſch,
beſeelt iſt (wie wenn z. B. treibende Wolken mit gejagten Roſſen verglichen
werden), oder umgekehrt (wie wenn ich ein feurig bewegtes Roß mit Wellen,
ſeine Mähne mit deren ſchäumendem Kamm vergleiche); und ähnlich wird,
wenn Geiſtiges in Geiſtigem ſein Gegenbild findet, der Weg der Vergleichung
vom Individuelleren, von dem, was im Geiſtigen relativ ſinnlich iſt, in
das geiſtig Allgemeinere, das reiner Geiſtige gehen oder umgekehrt, es wird
namentlich auf der einen Seite Geiſtiges mit ſeiner ſinnlichen Aeußerung
zuſammengenommen, auf der andern dieſe abgezogen bleiben (wie wenn
eine reine Empfindung mit einem Gebete, eine raſche Handlung mit der
Schnelle eines Gedankens verglichen wird). Der natürliche und gewöhn-
lichere Weg iſt nun, wie ſich aus dem Geſetze der Individualiſirung von
ſelbſt ergibt, der vom Allgemeinen zum Beſondern, vom Geiſte zum Körper,
vom Menſchlichen zu der ungeiſtigen Natur. Allein man hüte ſich, dieſe
Begriffe ungenau zu nehmen; ſie werden nach Umſtänden ſchwierig, was
zunächſt abſteigende Vergleichung ſcheint, iſt, genauer betrachtet, aufſteigende,
die aufſteigende aber hat im Bilde etwas relativ Abſteigendes. Das Natür-
liche, das Körperliche, kann von unbeſtimmter Weite, ungeſchloſſener Ge-
ſtaltung ſein, dann ſucht der Dichter das anſchaulich Beſtimmte, individuell
Geſchloſſene gern im perſönlichen Leben, weil dieß individuelle Geſtalt hat;
geht er aber nicht von einem Sinnlichen unbeſtimmter Art zu perſönlich
Lebendigem als Ganzem, ſondern von einem Beſondern, ſelbſt Perſönlichen
nur zu einer allgemeinen geiſtigen Beſtimmtheit, einem Zuſtand, einer
Thätigkeitsform über, ſo iſt der Prozeß verwickelter. Hier wird man näm-
lich immer finden, daß vorher das Allgemeine dunkel perſonificirt wird und
erſt auf dieſen Vorgang die aufſteigende Vergleichung ſich gründet. Wenn
Leontes von Hermione ſagt: ſie war mild wie Kindheit und wie Gnade,
ſo ſchweben dieſe dem Dichter dunkel wie Perſonen, wie Götter mit ent-
ſprechenden Zügen vor und mit dieſen abſoluten Weſen, worin jene Eigen-
ſchaften in unbedingter Reinheit angeſchaut ſind, wird dann Hermione
verglichen. Wenn Lenau die düſtre Wolke einen am Himmelsantlitz wan-
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,5. Stuttgart, 1857, S. 1228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030205_1857/92>, abgerufen am 16.02.2025.
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