bedachte aber schnell, daß sie "pazzi" in den Plural verwandelt hatte, "simpatico" aber nicht, auch wider¬ sprach ein Etwas in mir der Nachahmung in diesem Fall, kurz ich bezwang die Anwandlung und drückte ihr nur zum Abschied die Hand.
Ich trat zu A. E. vor die Hausthüre. Der Föhn hatte sich gelegt, sein Glutsturm schien die Wasser¬ massen, die er mit sich zu führen pflegt, hinter uns auf die Flächen Deutschlands gejagt zu haben; hier im Gebirg war nur ein leichter Regen gefallen und hatte die Luft mäßig gekühlt.
"Ich wollte eigentlich bis Andermatt," sagte ich, doch setzte ich alsbald hinzu: "Nein, es ist wahr, es ist besser, wir scheiden nun." -- "Nicht wahr?" sagte A. E. mit herzlichem Tone und grundfreundlichem Blick; -- "das Weitere würde nur nachhinken und beisammen bleiben wir ja doch nicht; den Rest des Passes mit Teufelsbrücke können Sie ja morgen oder sonst einmal sehen. Die Novelle also kommt. Addio!" Er schüttelte mir die Hand, schwenkte mit rascher Wendung und gieng dahin.
Es konnte mir nicht in den Sinn kommen, auch nur ein Wort zu sagen, eine Bewegung zu machen, wodurch ich dem Gefühl Ausdruck gab, das im Augen¬ blick dieses Abschieds über mich kam, obwohl es nach aller Wahrscheinlichkeit ein Abschied für immer war. Ich kannte ihn zu gut, um nicht zu wissen, wie wenig
bedachte aber ſchnell, daß ſie „pazzi“ in den Plural verwandelt hatte, „simpatico“ aber nicht, auch wider¬ ſprach ein Etwas in mir der Nachahmung in dieſem Fall, kurz ich bezwang die Anwandlung und drückte ihr nur zum Abſchied die Hand.
Ich trat zu A. E. vor die Hausthüre. Der Föhn hatte ſich gelegt, ſein Glutſturm ſchien die Waſſer¬ maſſen, die er mit ſich zu führen pflegt, hinter uns auf die Flächen Deutſchlands gejagt zu haben; hier im Gebirg war nur ein leichter Regen gefallen und hatte die Luft mäßig gekühlt.
„Ich wollte eigentlich bis Andermatt,“ ſagte ich, doch ſetzte ich alsbald hinzu: „Nein, es iſt wahr, es iſt beſſer, wir ſcheiden nun.“ — „Nicht wahr?“ ſagte A. E. mit herzlichem Tone und grundfreundlichem Blick; — „das Weitere würde nur nachhinken und beiſammen bleiben wir ja doch nicht; den Reſt des Paſſes mit Teufelsbrücke können Sie ja morgen oder ſonſt einmal ſehen. Die Novelle alſo kommt. Addio!“ Er ſchüttelte mir die Hand, ſchwenkte mit raſcher Wendung und gieng dahin.
Es konnte mir nicht in den Sinn kommen, auch nur ein Wort zu ſagen, eine Bewegung zu machen, wodurch ich dem Gefühl Ausdruck gab, das im Augen¬ blick dieſes Abſchieds über mich kam, obwohl es nach aller Wahrſcheinlichkeit ein Abſchied für immer war. Ich kannte ihn zu gut, um nicht zu wiſſen, wie wenig
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0134"n="121"/>
bedachte aber ſchnell, daß ſie „<hirendition="#aq">pazzi</hi>“ in den Plural<lb/>
verwandelt hatte, „<hirendition="#aq">simpatico</hi>“ aber nicht, auch wider¬<lb/>ſprach ein Etwas in mir der Nachahmung in dieſem<lb/>
Fall, kurz ich bezwang die Anwandlung und drückte<lb/>
ihr nur zum Abſchied die Hand.</p><lb/><p>Ich trat zu A. E. vor die Hausthüre. Der Föhn<lb/>
hatte ſich gelegt, ſein Glutſturm ſchien die Waſſer¬<lb/>
maſſen, die er mit ſich zu führen pflegt, hinter uns<lb/>
auf die Flächen Deutſchlands gejagt zu haben; hier<lb/>
im Gebirg war nur ein leichter Regen gefallen und<lb/>
hatte die Luft mäßig gekühlt.</p><lb/><p>„Ich wollte eigentlich bis Andermatt,“ſagte ich,<lb/>
doch ſetzte ich alsbald hinzu: „Nein, es iſt wahr, es<lb/>
iſt beſſer, wir ſcheiden nun.“—„Nicht wahr?“ſagte<lb/>
A. E. mit herzlichem Tone und grundfreundlichem<lb/>
Blick; —„das Weitere würde nur nachhinken und<lb/>
beiſammen bleiben wir ja doch nicht; den Reſt des<lb/>
Paſſes mit Teufelsbrücke können Sie ja morgen oder<lb/>ſonſt einmal ſehen. Die Novelle alſo kommt. <hirendition="#aq">Addio</hi>!“<lb/>
Er ſchüttelte mir die Hand, ſchwenkte mit raſcher<lb/>
Wendung und gieng dahin.</p><lb/><p>Es konnte mir nicht in den Sinn kommen, auch<lb/>
nur ein Wort zu ſagen, eine Bewegung zu machen,<lb/>
wodurch ich dem Gefühl Ausdruck gab, das im Augen¬<lb/>
blick dieſes Abſchieds über mich kam, obwohl es nach<lb/>
aller Wahrſcheinlichkeit ein Abſchied für immer war.<lb/>
Ich kannte ihn zu gut, um nicht zu wiſſen, wie wenig<lb/></p></div></body></text></TEI>
[121/0134]
bedachte aber ſchnell, daß ſie „pazzi“ in den Plural
verwandelt hatte, „simpatico“ aber nicht, auch wider¬
ſprach ein Etwas in mir der Nachahmung in dieſem
Fall, kurz ich bezwang die Anwandlung und drückte
ihr nur zum Abſchied die Hand.
Ich trat zu A. E. vor die Hausthüre. Der Föhn
hatte ſich gelegt, ſein Glutſturm ſchien die Waſſer¬
maſſen, die er mit ſich zu führen pflegt, hinter uns
auf die Flächen Deutſchlands gejagt zu haben; hier
im Gebirg war nur ein leichter Regen gefallen und
hatte die Luft mäßig gekühlt.
„Ich wollte eigentlich bis Andermatt,“ ſagte ich,
doch ſetzte ich alsbald hinzu: „Nein, es iſt wahr, es
iſt beſſer, wir ſcheiden nun.“ — „Nicht wahr?“ ſagte
A. E. mit herzlichem Tone und grundfreundlichem
Blick; — „das Weitere würde nur nachhinken und
beiſammen bleiben wir ja doch nicht; den Reſt des
Paſſes mit Teufelsbrücke können Sie ja morgen oder
ſonſt einmal ſehen. Die Novelle alſo kommt. Addio!“
Er ſchüttelte mir die Hand, ſchwenkte mit raſcher
Wendung und gieng dahin.
Es konnte mir nicht in den Sinn kommen, auch
nur ein Wort zu ſagen, eine Bewegung zu machen,
wodurch ich dem Gefühl Ausdruck gab, das im Augen¬
blick dieſes Abſchieds über mich kam, obwohl es nach
aller Wahrſcheinlichkeit ein Abſchied für immer war.
Ich kannte ihn zu gut, um nicht zu wiſſen, wie wenig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/134>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.