Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

führte ihn zum Druiden. Wir begleiten die Zwei zu
seiner Wohnung. Sie war inmitten der übrigen
Häuser der geräumigste Bau des Dorfes, eine Art
von Apsis, ein halbkreisrunder Anbau befand sich an
der hintern Seite des Vierecks, man sah schon von
Außen, daß darin mehr Bequemlichkeit sein müsse,
mehr Theilung für verschiedene Zwecke des Thuns
und Lassens, als in den gewöhnlichen Bauernhütten.
Während der Wächter dreimal an der Thüre klopfte,
zog eben Alpin mit seiner Heerde vorüber; es war
die Stunde, wo er austrieb. Er maß den Fremden
mit erstaunten Blicken; als er auf der Mütze die
Spielhahnfeder und den Gemsbart bemerkte, verdunkelte
sich das Licht in seinen weitgeöffneten Augen und zog
sich eine Falte über seine Brauen. Zögernd und noch
ein paarmal sich umsehend trieb er weiter.

"Herein." Der Druide saß eben, während im
Hinterraum das Wasser zum Kaffee siedete, behaglich in
seinem pelzverbrämten Schlafrock, und hinter ihm stand
seine alte Hauserin, beschäftigt, ihm die Haare zu ordnen.
Er pflegte den noch reichlichen Naturschmuck seines
Hinterhauptes in Anspruch zu nehmen, um die Kahlheit
seines Vorderhauptes nach Möglichkeit anständig zu
decken. Die Alte wußte die herübergezogenen Stränge
zierlich mit ausgesucht zartem, höchst geläutertem
Tannenharz festzukleben. Der Wächter meldete den
Fremdling. Angus, so hieß der Druide, gebot, ihn

führte ihn zum Druiden. Wir begleiten die Zwei zu
ſeiner Wohnung. Sie war inmitten der übrigen
Häuſer der geräumigſte Bau des Dorfes, eine Art
von Apſis, ein halbkreisrunder Anbau befand ſich an
der hintern Seite des Vierecks, man ſah ſchon von
Außen, daß darin mehr Bequemlichkeit ſein müſſe,
mehr Theilung für verſchiedene Zwecke des Thuns
und Laſſens, als in den gewöhnlichen Bauernhütten.
Während der Wächter dreimal an der Thüre klopfte,
zog eben Alpin mit ſeiner Heerde vorüber; es war
die Stunde, wo er austrieb. Er maß den Fremden
mit erſtaunten Blicken; als er auf der Mütze die
Spielhahnfeder und den Gemsbart bemerkte, verdunkelte
ſich das Licht in ſeinen weitgeöffneten Augen und zog
ſich eine Falte über ſeine Brauen. Zögernd und noch
ein paarmal ſich umſehend trieb er weiter.

„Herein.“ Der Druide ſaß eben, während im
Hinterraum das Waſſer zum Kaffee ſiedete, behaglich in
ſeinem pelzverbrämten Schlafrock, und hinter ihm ſtand
ſeine alte Hauſerin, beſchäftigt, ihm die Haare zu ordnen.
Er pflegte den noch reichlichen Naturſchmuck ſeines
Hinterhauptes in Anſpruch zu nehmen, um die Kahlheit
ſeines Vorderhauptes nach Möglichkeit anſtändig zu
decken. Die Alte wußte die herübergezogenen Stränge
zierlich mit ausgeſucht zartem, höchſt geläutertem
Tannenharz feſtzukleben. Der Wächter meldete den
Fremdling. Angus, ſo hieß der Druide, gebot, ihn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="158"/>
führte ihn zum Druiden. Wir begleiten die Zwei zu<lb/>
&#x017F;einer Wohnung. Sie war inmitten der übrigen<lb/>
Häu&#x017F;er der geräumig&#x017F;te Bau des Dorfes, eine Art<lb/>
von Ap&#x017F;is, ein halbkreisrunder Anbau befand &#x017F;ich an<lb/>
der hintern Seite des Vierecks, man &#x017F;ah &#x017F;chon von<lb/>
Außen, daß darin mehr Bequemlichkeit &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
mehr Theilung für ver&#x017F;chiedene Zwecke des Thuns<lb/>
und La&#x017F;&#x017F;ens, als in den gewöhnlichen Bauernhütten.<lb/>
Während der Wächter dreimal an der Thüre klopfte,<lb/>
zog eben Alpin mit &#x017F;einer Heerde vorüber; es war<lb/>
die Stunde, wo er austrieb. Er maß den Fremden<lb/>
mit er&#x017F;taunten Blicken; als er auf der Mütze die<lb/>
Spielhahnfeder und den Gemsbart bemerkte, verdunkelte<lb/>
&#x017F;ich das Licht in &#x017F;einen weitgeöffneten Augen und zog<lb/>
&#x017F;ich eine Falte über &#x017F;eine Brauen. Zögernd und noch<lb/>
ein paarmal &#x017F;ich um&#x017F;ehend trieb er weiter.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herein.&#x201C; Der Druide &#x017F;aß eben, während im<lb/>
Hinterraum das Wa&#x017F;&#x017F;er zum Kaffee &#x017F;iedete, behaglich in<lb/>
&#x017F;einem pelzverbrämten Schlafrock, und hinter ihm &#x017F;tand<lb/>
&#x017F;eine alte Hau&#x017F;erin, be&#x017F;chäftigt, ihm die Haare zu ordnen.<lb/>
Er pflegte den noch reichlichen Natur&#x017F;chmuck &#x017F;eines<lb/>
Hinterhauptes in An&#x017F;pruch zu nehmen, um die Kahlheit<lb/>
&#x017F;eines Vorderhauptes nach Möglichkeit an&#x017F;tändig zu<lb/>
decken. Die Alte wußte die herübergezogenen Stränge<lb/>
zierlich mit ausge&#x017F;ucht zartem, höch&#x017F;t geläutertem<lb/>
Tannenharz fe&#x017F;tzukleben. Der Wächter meldete den<lb/>
Fremdling. Angus, &#x017F;o hieß der Druide, gebot, ihn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0171] führte ihn zum Druiden. Wir begleiten die Zwei zu ſeiner Wohnung. Sie war inmitten der übrigen Häuſer der geräumigſte Bau des Dorfes, eine Art von Apſis, ein halbkreisrunder Anbau befand ſich an der hintern Seite des Vierecks, man ſah ſchon von Außen, daß darin mehr Bequemlichkeit ſein müſſe, mehr Theilung für verſchiedene Zwecke des Thuns und Laſſens, als in den gewöhnlichen Bauernhütten. Während der Wächter dreimal an der Thüre klopfte, zog eben Alpin mit ſeiner Heerde vorüber; es war die Stunde, wo er austrieb. Er maß den Fremden mit erſtaunten Blicken; als er auf der Mütze die Spielhahnfeder und den Gemsbart bemerkte, verdunkelte ſich das Licht in ſeinen weitgeöffneten Augen und zog ſich eine Falte über ſeine Brauen. Zögernd und noch ein paarmal ſich umſehend trieb er weiter. „Herein.“ Der Druide ſaß eben, während im Hinterraum das Waſſer zum Kaffee ſiedete, behaglich in ſeinem pelzverbrämten Schlafrock, und hinter ihm ſtand ſeine alte Hauſerin, beſchäftigt, ihm die Haare zu ordnen. Er pflegte den noch reichlichen Naturſchmuck ſeines Hinterhauptes in Anſpruch zu nehmen, um die Kahlheit ſeines Vorderhauptes nach Möglichkeit anſtändig zu decken. Die Alte wußte die herübergezogenen Stränge zierlich mit ausgeſucht zartem, höchſt geläutertem Tannenharz feſtzukleben. Der Wächter meldete den Fremdling. Angus, ſo hieß der Druide, gebot, ihn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/171
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/171>, abgerufen am 22.12.2024.