führte ihn zum Druiden. Wir begleiten die Zwei zu seiner Wohnung. Sie war inmitten der übrigen Häuser der geräumigste Bau des Dorfes, eine Art von Apsis, ein halbkreisrunder Anbau befand sich an der hintern Seite des Vierecks, man sah schon von Außen, daß darin mehr Bequemlichkeit sein müsse, mehr Theilung für verschiedene Zwecke des Thuns und Lassens, als in den gewöhnlichen Bauernhütten. Während der Wächter dreimal an der Thüre klopfte, zog eben Alpin mit seiner Heerde vorüber; es war die Stunde, wo er austrieb. Er maß den Fremden mit erstaunten Blicken; als er auf der Mütze die Spielhahnfeder und den Gemsbart bemerkte, verdunkelte sich das Licht in seinen weitgeöffneten Augen und zog sich eine Falte über seine Brauen. Zögernd und noch ein paarmal sich umsehend trieb er weiter.
"Herein." Der Druide saß eben, während im Hinterraum das Wasser zum Kaffee siedete, behaglich in seinem pelzverbrämten Schlafrock, und hinter ihm stand seine alte Hauserin, beschäftigt, ihm die Haare zu ordnen. Er pflegte den noch reichlichen Naturschmuck seines Hinterhauptes in Anspruch zu nehmen, um die Kahlheit seines Vorderhauptes nach Möglichkeit anständig zu decken. Die Alte wußte die herübergezogenen Stränge zierlich mit ausgesucht zartem, höchst geläutertem Tannenharz festzukleben. Der Wächter meldete den Fremdling. Angus, so hieß der Druide, gebot, ihn
führte ihn zum Druiden. Wir begleiten die Zwei zu ſeiner Wohnung. Sie war inmitten der übrigen Häuſer der geräumigſte Bau des Dorfes, eine Art von Apſis, ein halbkreisrunder Anbau befand ſich an der hintern Seite des Vierecks, man ſah ſchon von Außen, daß darin mehr Bequemlichkeit ſein müſſe, mehr Theilung für verſchiedene Zwecke des Thuns und Laſſens, als in den gewöhnlichen Bauernhütten. Während der Wächter dreimal an der Thüre klopfte, zog eben Alpin mit ſeiner Heerde vorüber; es war die Stunde, wo er austrieb. Er maß den Fremden mit erſtaunten Blicken; als er auf der Mütze die Spielhahnfeder und den Gemsbart bemerkte, verdunkelte ſich das Licht in ſeinen weitgeöffneten Augen und zog ſich eine Falte über ſeine Brauen. Zögernd und noch ein paarmal ſich umſehend trieb er weiter.
„Herein.“ Der Druide ſaß eben, während im Hinterraum das Waſſer zum Kaffee ſiedete, behaglich in ſeinem pelzverbrämten Schlafrock, und hinter ihm ſtand ſeine alte Hauſerin, beſchäftigt, ihm die Haare zu ordnen. Er pflegte den noch reichlichen Naturſchmuck ſeines Hinterhauptes in Anſpruch zu nehmen, um die Kahlheit ſeines Vorderhauptes nach Möglichkeit anſtändig zu decken. Die Alte wußte die herübergezogenen Stränge zierlich mit ausgeſucht zartem, höchſt geläutertem Tannenharz feſtzukleben. Der Wächter meldete den Fremdling. Angus, ſo hieß der Druide, gebot, ihn
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führte ihn zum Druiden. Wir begleiten die Zwei zu
ſeiner Wohnung. Sie war inmitten der übrigen
Häuſer der geräumigſte Bau des Dorfes, eine Art
von Apſis, ein halbkreisrunder Anbau befand ſich an
der hintern Seite des Vierecks, man ſah ſchon von
Außen, daß darin mehr Bequemlichkeit ſein müſſe,
mehr Theilung für verſchiedene Zwecke des Thuns
und Laſſens, als in den gewöhnlichen Bauernhütten.
Während der Wächter dreimal an der Thüre klopfte,
zog eben Alpin mit ſeiner Heerde vorüber; es war
die Stunde, wo er austrieb. Er maß den Fremden
mit erſtaunten Blicken; als er auf der Mütze die
Spielhahnfeder und den Gemsbart bemerkte, verdunkelte
ſich das Licht in ſeinen weitgeöffneten Augen und zog
ſich eine Falte über ſeine Brauen. Zögernd und noch
ein paarmal ſich umſehend trieb er weiter.
„Herein.“ Der Druide ſaß eben, während im
Hinterraum das Waſſer zum Kaffee ſiedete, behaglich in
ſeinem pelzverbrämten Schlafrock, und hinter ihm ſtand
ſeine alte Hauſerin, beſchäftigt, ihm die Haare zu ordnen.
Er pflegte den noch reichlichen Naturſchmuck ſeines
Hinterhauptes in Anſpruch zu nehmen, um die Kahlheit
ſeines Vorderhauptes nach Möglichkeit anſtändig zu
decken. Die Alte wußte die herübergezogenen Stränge
zierlich mit ausgeſucht zartem, höchſt geläutertem
Tannenharz feſtzukleben. Der Wächter meldete den
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/171>, abgerufen am 22.12.2024.
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