geht, wird es doch in ihm bleiben -- und er wird inwendig sich selbst sehen -- wird nicht mehr einfach, nicht mehr ein Einfacher sein -- wird sich zugleich immer auch inwendig fragen, wie er wohl anderen Menschen vorkomme -- und dann -- wenn er etwas denkt oder sagt oder thut, wird man nicht mehr wissen, ob er's nicht denkt oder sagt oder thut, weil er sich vorstellt, wie er dabei aussehe, sich ausnehme --"
Er stockte -- wie hätte der Pfahlhirte für das, was ihm in dunkler Ahnung aufdämmerte, die Begriffe finden können und die Worte für die Begriffe! Wir Jetzigen freilich könnten ihm gut nachhelfen, wir, denen so leicht ersichtlich ist, daß mit der Erfindung und Vervollkommnung des Spiegels eine gründliche Veränderung in das Seelenleben, in alle Zustände der Menschheit getreten ist. Verschärfung des Selbstbe¬ wußtseins, aber auch eitle Selbstbespieglung und eitle Bespieglung in Anderen: wie sollte der arme Alpin diese Bezeichnungen aufbringen und wie all' das Unab¬ sehliche ermessen, das sich aus einer solchen Wendung im Bewußtseinsstande des Menschen ergeben, entwickeln mußte! Ihm wurde schwindlig vor dem Bilde der künftigen Jahrhunderte, das ihm dunkel vorschwebte und das er nicht erfassen konnte. Er fand noch das Wort: schillern -- ihm scheine, da schillere Alles. Weiter reichte es nicht. Und nun bedenke man noch dazu, daß er nicht in der Lage war, mit freiem Ge¬
geht, wird es doch in ihm bleiben — und er wird inwendig ſich ſelbſt ſehen — wird nicht mehr einfach, nicht mehr ein Einfacher ſein — wird ſich zugleich immer auch inwendig fragen, wie er wohl anderen Menſchen vorkomme — und dann — wenn er etwas denkt oder ſagt oder thut, wird man nicht mehr wiſſen, ob er's nicht denkt oder ſagt oder thut, weil er ſich vorſtellt, wie er dabei ausſehe, ſich ausnehme —“
Er ſtockte — wie hätte der Pfahlhirte für das, was ihm in dunkler Ahnung aufdämmerte, die Begriffe finden können und die Worte für die Begriffe! Wir Jetzigen freilich könnten ihm gut nachhelfen, wir, denen ſo leicht erſichtlich iſt, daß mit der Erfindung und Vervollkommnung des Spiegels eine gründliche Veränderung in das Seelenleben, in alle Zuſtände der Menſchheit getreten iſt. Verſchärfung des Selbſtbe¬ wußtſeins, aber auch eitle Selbſtbeſpieglung und eitle Beſpieglung in Anderen: wie ſollte der arme Alpin dieſe Bezeichnungen aufbringen und wie all' das Unab¬ ſehliche ermeſſen, das ſich aus einer ſolchen Wendung im Bewußtſeinsſtande des Menſchen ergeben, entwickeln mußte! Ihm wurde ſchwindlig vor dem Bilde der künftigen Jahrhunderte, das ihm dunkel vorſchwebte und das er nicht erfaſſen konnte. Er fand noch das Wort: ſchillern — ihm ſcheine, da ſchillere Alles. Weiter reichte es nicht. Und nun bedenke man noch dazu, daß er nicht in der Lage war, mit freiem Ge¬
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geht, wird es doch in ihm bleiben — und er wird
inwendig ſich ſelbſt ſehen — wird nicht mehr einfach,
nicht mehr ein Einfacher ſein — wird ſich zugleich
immer auch inwendig fragen, wie er wohl anderen
Menſchen vorkomme — und dann — wenn er etwas
denkt oder ſagt oder thut, wird man nicht mehr wiſſen,
ob er's nicht denkt oder ſagt oder thut, weil er ſich
vorſtellt, wie er dabei ausſehe, ſich ausnehme —“
Er ſtockte — wie hätte der Pfahlhirte für das,
was ihm in dunkler Ahnung aufdämmerte, die Begriffe
finden können und die Worte für die Begriffe! Wir
Jetzigen freilich könnten ihm gut nachhelfen, wir,
denen ſo leicht erſichtlich iſt, daß mit der Erfindung
und Vervollkommnung des Spiegels eine gründliche
Veränderung in das Seelenleben, in alle Zuſtände der
Menſchheit getreten iſt. Verſchärfung des Selbſtbe¬
wußtſeins, aber auch eitle Selbſtbeſpieglung und eitle
Beſpieglung in Anderen: wie ſollte der arme Alpin
dieſe Bezeichnungen aufbringen und wie all' das Unab¬
ſehliche ermeſſen, das ſich aus einer ſolchen Wendung im
Bewußtſeinsſtande des Menſchen ergeben, entwickeln
mußte! Ihm wurde ſchwindlig vor dem Bilde der
künftigen Jahrhunderte, das ihm dunkel vorſchwebte
und das er nicht erfaſſen konnte. Er fand noch das
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Weiter reichte es nicht. Und nun bedenke man noch
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/240>, abgerufen am 22.12.2024.
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