Fichtenwald, wo die kleine Lichtung ist, dreihundert Schritte in gerader Richtung hinter dem Dolmen- und Eichenhain! Ich hab' erst noch einen Gang zu thun, in einer Stunde bin ich da!" -- "Du triffst mich."
Alpin war es so leicht und frei zu Muth, als wären ihm Centnergewichte von der Brust gefallen. Er that einen Jauchzer, als er zu Hause seine Steinaxt genau untersuchte, ob der Stiel auch fest genug sitze, und unter zwei Dolchen den stärkeren und schärferen wählte. Aber ein leiser Seufzer folgte dem Jubel¬ ruf. Sigune! -- doch das war nicht das Schwerste; Zorn, Grimm war zwar verflogen und die Seele hatte zum Sorgen und Bangen um sie wohl wieder Raum, aber das mußte jetzt zurückstehen, denn jetzt galt es nur Eines: Mann gegen Mann; sie ist Weib, Schick¬ sal ist Schicksal, sie soll's tragen, wie es fallen mag. Aber, aber! da hieng noch ein böses Gewicht; wie es abschneiden? Da saß noch ein böser Flecken; was auf der weiten Welt thun, ihn abzuwaschen? Er war ja zum Druiden gerufen, nicht eigentlich befohlen, er konnte wegbleiben, aber das wäre feig, sagte er sich; heut' wollte er gut machen als gerader Mann, was er gestern Nacht schlecht gemacht als krummer Angeber, aber der Vorsatz, der Entschluß zur That, zum Zweikampf, genügte ja nicht und die gethane That doch auch nicht, der Flecken der Verdächtigung stand für sich da, kohlrabenschwarz, er wollte für sich
Fichtenwald, wo die kleine Lichtung iſt, dreihundert Schritte in gerader Richtung hinter dem Dolmen- und Eichenhain! Ich hab' erſt noch einen Gang zu thun, in einer Stunde bin ich da!“ — „Du triffſt mich.“
Alpin war es ſo leicht und frei zu Muth, als wären ihm Centnergewichte von der Bruſt gefallen. Er that einen Jauchzer, als er zu Hauſe ſeine Steinaxt genau unterſuchte, ob der Stiel auch feſt genug ſitze, und unter zwei Dolchen den ſtärkeren und ſchärferen wählte. Aber ein leiſer Seufzer folgte dem Jubel¬ ruf. Sigune! — doch das war nicht das Schwerſte; Zorn, Grimm war zwar verflogen und die Seele hatte zum Sorgen und Bangen um ſie wohl wieder Raum, aber das mußte jetzt zurückſtehen, denn jetzt galt es nur Eines: Mann gegen Mann; ſie iſt Weib, Schick¬ ſal iſt Schickſal, ſie ſoll's tragen, wie es fallen mag. Aber, aber! da hieng noch ein böſes Gewicht; wie es abſchneiden? Da ſaß noch ein böſer Flecken; was auf der weiten Welt thun, ihn abzuwaſchen? Er war ja zum Druiden gerufen, nicht eigentlich befohlen, er konnte wegbleiben, aber das wäre feig, ſagte er ſich; heut' wollte er gut machen als gerader Mann, was er geſtern Nacht ſchlecht gemacht als krummer Angeber, aber der Vorſatz, der Entſchluß zur That, zum Zweikampf, genügte ja nicht und die gethane That doch auch nicht, der Flecken der Verdächtigung ſtand für ſich da, kohlrabenſchwarz, er wollte für ſich
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Fichtenwald, wo die kleine Lichtung iſt, dreihundert
Schritte in gerader Richtung hinter dem Dolmen- und
Eichenhain! Ich hab' erſt noch einen Gang zu thun,
in einer Stunde bin ich da!“ — „Du triffſt mich.“
Alpin war es ſo leicht und frei zu Muth, als
wären ihm Centnergewichte von der Bruſt gefallen.
Er that einen Jauchzer, als er zu Hauſe ſeine Steinaxt
genau unterſuchte, ob der Stiel auch feſt genug ſitze,
und unter zwei Dolchen den ſtärkeren und ſchärferen
wählte. Aber ein leiſer Seufzer folgte dem Jubel¬
ruf. Sigune! — doch das war nicht das Schwerſte;
Zorn, Grimm war zwar verflogen und die Seele hatte
zum Sorgen und Bangen um ſie wohl wieder Raum,
aber das mußte jetzt zurückſtehen, denn jetzt galt es
nur Eines: Mann gegen Mann; ſie iſt Weib, Schick¬
ſal iſt Schickſal, ſie ſoll's tragen, wie es fallen mag.
Aber, aber! da hieng noch ein böſes Gewicht; wie es
abſchneiden? Da ſaß noch ein böſer Flecken; was auf
der weiten Welt thun, ihn abzuwaſchen? Er war ja
zum Druiden gerufen, nicht eigentlich befohlen, er
konnte wegbleiben, aber das wäre feig, ſagte er ſich;
heut' wollte er gut machen als gerader Mann,
was er geſtern Nacht ſchlecht gemacht als krummer
Angeber, aber der Vorſatz, der Entſchluß zur That,
zum Zweikampf, genügte ja nicht und die gethane
That doch auch nicht, der Flecken der Verdächtigung
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/242>, abgerufen am 22.12.2024.
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