dann auch ich ein Rauschen, ein Klingen zu hören und eine Stimme, die da sagt: eure Götter sind nicht die rechten und euer Sinn und Leben soll erneuet werden, wie die Welt erneuet ist, seit dunkle, wilde Menschen¬ geschlechter gewohnt und gehauset in diesen Kammern. Aber mein Geschmack ist eben nicht, zu schieben und zu treiben an solchen neuen Gedanken. Ich denk' halt: manches Alte ist doch auch gut und stille Hirten muß es doch immer geben, und ich denk' halt: wer immer Recht behalten mag, es ist immer gut, wenn ein Theil Leute noch stät, aber ohne Gift am Alten hängt."
"Ja, drum hältst du's auch mit denen, die sich so stark gegen die Einführung des Erzes sperren". Si¬ gune lächelte zu diesen Worten; nachdem Alles gut geworden, hatte sie, schelmisch wie sie war, ihren Alpin öfters mit der bewußten Szene geneckt.
Alpin stand auf, hob das Kind auf seine Arme, beugte sich zu Sigunen nieder, hielt ihr das kleine Haupt nah unter die Augen und sagte: "Lieb Weib, ist das nicht ein schönerer Spiegel?"
Sigune bedeckte das Kind und dann den geliebten Mann mit Küssen.
Als sie wieder aufschauten, sahen sie im Hinter¬ grund den Ehegoumer eilig über die Wiese laufen.
"Gelt du," sagte Sigune, "den brauchen wir nie und nimmer!"
dann auch ich ein Rauſchen, ein Klingen zu hören und eine Stimme, die da ſagt: eure Götter ſind nicht die rechten und euer Sinn und Leben ſoll erneuet werden, wie die Welt erneuet iſt, ſeit dunkle, wilde Menſchen¬ geſchlechter gewohnt und gehauſet in dieſen Kammern. Aber mein Geſchmack iſt eben nicht, zu ſchieben und zu treiben an ſolchen neuen Gedanken. Ich denk' halt: manches Alte iſt doch auch gut und ſtille Hirten muß es doch immer geben, und ich denk' halt: wer immer Recht behalten mag, es iſt immer gut, wenn ein Theil Leute noch ſtät, aber ohne Gift am Alten hängt.“
„Ja, drum hältſt du's auch mit denen, die ſich ſo ſtark gegen die Einführung des Erzes ſperren“. Si¬ gune lächelte zu dieſen Worten; nachdem Alles gut geworden, hatte ſie, ſchelmiſch wie ſie war, ihren Alpin öfters mit der bewußten Szene geneckt.
Alpin ſtand auf, hob das Kind auf ſeine Arme, beugte ſich zu Sigunen nieder, hielt ihr das kleine Haupt nah unter die Augen und ſagte: „Lieb Weib, iſt das nicht ein ſchönerer Spiegel?“
Sigune bedeckte das Kind und dann den geliebten Mann mit Küſſen.
Als ſie wieder aufſchauten, ſahen ſie im Hinter¬ grund den Ehegoumer eilig über die Wieſe laufen.
„Gelt du,“ ſagte Sigune, „den brauchen wir nie und nimmer!“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0411"n="396"/>
dann auch ich ein Rauſchen, ein Klingen zu hören und<lb/>
eine Stimme, die da ſagt: eure Götter ſind nicht die<lb/>
rechten und euer Sinn und Leben ſoll erneuet werden,<lb/>
wie die Welt erneuet iſt, ſeit dunkle, wilde Menſchen¬<lb/>
geſchlechter gewohnt und gehauſet in dieſen Kammern.<lb/>
Aber mein Geſchmack iſt eben nicht, zu ſchieben und<lb/>
zu treiben an ſolchen neuen Gedanken. Ich denk'<lb/>
halt: manches Alte iſt doch auch gut und ſtille Hirten<lb/>
muß es doch immer geben, und ich denk' halt: wer<lb/>
immer Recht behalten mag, es iſt immer gut, wenn ein<lb/>
Theil Leute noch ſtät, aber ohne Gift am Alten hängt.“</p><lb/><p>„Ja, drum hältſt du's auch mit denen, die ſich ſo<lb/>ſtark gegen die Einführung des Erzes ſperren“. Si¬<lb/>
gune lächelte zu dieſen Worten; nachdem Alles gut<lb/>
geworden, hatte ſie, ſchelmiſch wie ſie war, ihren<lb/>
Alpin öfters mit der bewußten Szene geneckt.</p><lb/><p>Alpin ſtand auf, hob das Kind auf ſeine Arme,<lb/>
beugte ſich zu Sigunen nieder, hielt ihr das kleine<lb/>
Haupt nah unter die Augen und ſagte: „Lieb Weib,<lb/>
iſt das nicht ein ſchönerer Spiegel?“</p><lb/><p>Sigune bedeckte das Kind und dann den geliebten<lb/>
Mann mit Küſſen.</p><lb/><p>Als ſie wieder aufſchauten, ſahen ſie im Hinter¬<lb/>
grund den Ehegoumer eilig über die Wieſe laufen.</p><lb/><p>„Gelt du,“ſagte Sigune, „den brauchen wir nie<lb/>
und nimmer!“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[396/0411]
dann auch ich ein Rauſchen, ein Klingen zu hören und
eine Stimme, die da ſagt: eure Götter ſind nicht die
rechten und euer Sinn und Leben ſoll erneuet werden,
wie die Welt erneuet iſt, ſeit dunkle, wilde Menſchen¬
geſchlechter gewohnt und gehauſet in dieſen Kammern.
Aber mein Geſchmack iſt eben nicht, zu ſchieben und
zu treiben an ſolchen neuen Gedanken. Ich denk'
halt: manches Alte iſt doch auch gut und ſtille Hirten
muß es doch immer geben, und ich denk' halt: wer
immer Recht behalten mag, es iſt immer gut, wenn ein
Theil Leute noch ſtät, aber ohne Gift am Alten hängt.“
„Ja, drum hältſt du's auch mit denen, die ſich ſo
ſtark gegen die Einführung des Erzes ſperren“. Si¬
gune lächelte zu dieſen Worten; nachdem Alles gut
geworden, hatte ſie, ſchelmiſch wie ſie war, ihren
Alpin öfters mit der bewußten Szene geneckt.
Alpin ſtand auf, hob das Kind auf ſeine Arme,
beugte ſich zu Sigunen nieder, hielt ihr das kleine
Haupt nah unter die Augen und ſagte: „Lieb Weib,
iſt das nicht ein ſchönerer Spiegel?“
Sigune bedeckte das Kind und dann den geliebten
Mann mit Küſſen.
Als ſie wieder aufſchauten, ſahen ſie im Hinter¬
grund den Ehegoumer eilig über die Wieſe laufen.
„Gelt du,“ ſagte Sigune, „den brauchen wir nie
und nimmer!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/411>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.