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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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dige Unrecht auf seine Seite gefallen sei, verlor sich
sein Schimpfen allmälig in ein Brummen, dann in
Schweigen. A. E. war ganz ruhig geworden und
sagte mit einem Tone voll Gutmüthigkeit: "Wollt Ihr
mir versprechen, einen Esel statt des Hundes anzu¬
schaffen, wenn ich ihn zahle?" Der Bote schwieg und
sah ihn mit einem Blick an, der zu sagen schien:
Dummer Mensch, wie wolltest du mich kontroliren,
wenn ich's verspräche und nicht thäte? "Hört einmal,"
sagte er, "Ihr seid kein reicher Mann, sonst würdet
Ihr nicht Botenfahren --" Der Fuhrmann betheuerte,
er komme schwer aus und sei Vater von vier Kindern.
"Nun," fuhr A. E. fort, "so will ich Euch einen
Vorschlag machen. Schafft einen Esel an, versprecht
mir, wenn es mit dem Thier gut geht, daß ihr in
der Nachbarschaft bei den Boten herum --" -- "O, die
lachen mich aus!" fiel der abgeneigte Mann ein.
"Ah bah! man muß das nur nicht fürchten, man
wird immer ausgelacht, wenn man was gutes Neues
einführt; nun also, lobt es den Andern, helft, daß
sie's nachmachen! Im Frühling komm' ich wieder des
Wegs und sehe nach Euch, da steht am Wagen Euer
Name und Ortschaft angeschrieben, ich werde Euch
finden, und wenn Ihr dann einen Esel habt, bekommt
Ihr das Doppelte, und wenn Ihr einen, auch nur
Einen Nachbar persuadirt habt, es nachzuthun, das
Dreifache von dem da." Er zog einige Goldstücke

dige Unrecht auf ſeine Seite gefallen ſei, verlor ſich
ſein Schimpfen allmälig in ein Brummen, dann in
Schweigen. A. E. war ganz ruhig geworden und
ſagte mit einem Tone voll Gutmüthigkeit: „Wollt Ihr
mir verſprechen, einen Eſel ſtatt des Hundes anzu¬
ſchaffen, wenn ich ihn zahle?“ Der Bote ſchwieg und
ſah ihn mit einem Blick an, der zu ſagen ſchien:
Dummer Menſch, wie wollteſt du mich kontroliren,
wenn ich's verſpräche und nicht thäte? „Hört einmal,“
ſagte er, „Ihr ſeid kein reicher Mann, ſonſt würdet
Ihr nicht Botenfahren —“ Der Fuhrmann betheuerte,
er komme ſchwer aus und ſei Vater von vier Kindern.
„Nun,“ fuhr A. E. fort, „ſo will ich Euch einen
Vorſchlag machen. Schafft einen Eſel an, verſprecht
mir, wenn es mit dem Thier gut geht, daß ihr in
der Nachbarſchaft bei den Boten herum —“ — „O, die
lachen mich aus!“ fiel der abgeneigte Mann ein.
„Ah bah! man muß das nur nicht fürchten, man
wird immer ausgelacht, wenn man was gutes Neues
einführt; nun alſo, lobt es den Andern, helft, daß
ſie's nachmachen! Im Frühling komm' ich wieder des
Wegs und ſehe nach Euch, da ſteht am Wagen Euer
Name und Ortſchaft angeſchrieben, ich werde Euch
finden, und wenn Ihr dann einen Eſel habt, bekommt
Ihr das Doppelte, und wenn Ihr einen, auch nur
Einen Nachbar perſuadirt habt, es nachzuthun, das
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[41/0054] dige Unrecht auf ſeine Seite gefallen ſei, verlor ſich ſein Schimpfen allmälig in ein Brummen, dann in Schweigen. A. E. war ganz ruhig geworden und ſagte mit einem Tone voll Gutmüthigkeit: „Wollt Ihr mir verſprechen, einen Eſel ſtatt des Hundes anzu¬ ſchaffen, wenn ich ihn zahle?“ Der Bote ſchwieg und ſah ihn mit einem Blick an, der zu ſagen ſchien: Dummer Menſch, wie wollteſt du mich kontroliren, wenn ich's verſpräche und nicht thäte? „Hört einmal,“ ſagte er, „Ihr ſeid kein reicher Mann, ſonſt würdet Ihr nicht Botenfahren —“ Der Fuhrmann betheuerte, er komme ſchwer aus und ſei Vater von vier Kindern. „Nun,“ fuhr A. E. fort, „ſo will ich Euch einen Vorſchlag machen. Schafft einen Eſel an, verſprecht mir, wenn es mit dem Thier gut geht, daß ihr in der Nachbarſchaft bei den Boten herum —“ — „O, die lachen mich aus!“ fiel der abgeneigte Mann ein. „Ah bah! man muß das nur nicht fürchten, man wird immer ausgelacht, wenn man was gutes Neues einführt; nun alſo, lobt es den Andern, helft, daß ſie's nachmachen! Im Frühling komm' ich wieder des Wegs und ſehe nach Euch, da ſteht am Wagen Euer Name und Ortſchaft angeſchrieben, ich werde Euch finden, und wenn Ihr dann einen Eſel habt, bekommt Ihr das Doppelte, und wenn Ihr einen, auch nur Einen Nachbar perſuadirt habt, es nachzuthun, das Dreifache von dem da.“ Er zog einige Goldſtücke

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/54>, abgerufen am 23.05.2024.