stoßen? Im Sturm? Ich bitte! Das ist keine Kunst, sogenannte Tragödien, Dramen des hohen Styls zu dichten, wenn man den Zuschauern Sand in die Augen streut! Das ist leichter Idealismus, so hoch daher¬ fahren. Sehen Sie, was ich doch aber auch nicht aus¬ stehen kann, das ist, wenn man die Dinge ungenau nimmt. Die Sage ist naiv, sie weiß nicht, wie sie das höhere Gesetz umgeht, der Dichter soll bewußt handeln, nicht blind, leichtsinnig über den Punkt weghuschen, wo das wahrhaft Tragische ruht. Das aber ist der Krieg des Menschen mit den Geistern, dort werden die wahrhaft erhabenen Schlachten und Wunden ge¬ schlagen, dort erfolgen die furchtbaren Niederlagen, aus deren Schauern das tragische Grundgefühl, das heißt das ganze Gefühl unserer Endlichkeit emporsteigt,"
"Ja, wie würden Sie denn nun aber die Tellsage behandeln, wenn Sie glauben, daß sie überhaupt be¬ handelt werden könne?"
A. E. schien nur auf diese Einladung gewartet zu haben, es schien ihm sehr zu gefallen, daß ich mich so läßlich und eingehend zu ihm verhielt. "Was vor¬ geht bis zur Einschiffung Tell's mit Geßler und Ge¬ folge," so begann er, "das mag im Wesentlichen stehen bleiben, wiewohl zum Styl, zur ganzen Behand¬ lung viel und Wesentliches zu bemerken wäre. Jener Realismus, welcher überhaupt allein der echte Idea¬ lismus ist, müßte ja natürlich im Ganzen walten;
ſtoßen? Im Sturm? Ich bitte! Das iſt keine Kunſt, ſogenannte Tragödien, Dramen des hohen Styls zu dichten, wenn man den Zuſchauern Sand in die Augen ſtreut! Das iſt leichter Idealismus, ſo hoch daher¬ fahren. Sehen Sie, was ich doch aber auch nicht aus¬ ſtehen kann, das iſt, wenn man die Dinge ungenau nimmt. Die Sage iſt naiv, ſie weiß nicht, wie ſie das höhere Geſetz umgeht, der Dichter ſoll bewußt handeln, nicht blind, leichtſinnig über den Punkt weghuſchen, wo das wahrhaft Tragiſche ruht. Das aber iſt der Krieg des Menſchen mit den Geiſtern, dort werden die wahrhaft erhabenen Schlachten und Wunden ge¬ ſchlagen, dort erfolgen die furchtbaren Niederlagen, aus deren Schauern das tragiſche Grundgefühl, das heißt das ganze Gefühl unſerer Endlichkeit emporſteigt,“
„Ja, wie würden Sie denn nun aber die Tellſage behandeln, wenn Sie glauben, daß ſie überhaupt be¬ handelt werden könne?“
A. E. ſchien nur auf dieſe Einladung gewartet zu haben, es ſchien ihm ſehr zu gefallen, daß ich mich ſo läßlich und eingehend zu ihm verhielt. „Was vor¬ geht bis zur Einſchiffung Tell's mit Geßler und Ge¬ folge,“ ſo begann er, „das mag im Weſentlichen ſtehen bleiben, wiewohl zum Styl, zur ganzen Behand¬ lung viel und Weſentliches zu bemerken wäre. Jener Realismus, welcher überhaupt allein der echte Idea¬ lismus iſt, müßte ja natürlich im Ganzen walten;
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ſtoßen? Im Sturm? Ich bitte! Das iſt keine Kunſt,
ſogenannte Tragödien, Dramen des hohen Styls zu
dichten, wenn man den Zuſchauern Sand in die Augen
ſtreut! Das iſt leichter Idealismus, ſo hoch daher¬
fahren. Sehen Sie, was ich doch aber auch nicht aus¬
ſtehen kann, das iſt, wenn man die Dinge ungenau
nimmt. Die Sage iſt naiv, ſie weiß nicht, wie ſie das
höhere Geſetz umgeht, der Dichter ſoll bewußt handeln,
nicht blind, leichtſinnig über den Punkt weghuſchen,
wo das wahrhaft Tragiſche ruht. Das aber iſt der
Krieg des Menſchen mit den Geiſtern, dort werden
die wahrhaft erhabenen Schlachten und Wunden ge¬
ſchlagen, dort erfolgen die furchtbaren Niederlagen, aus
deren Schauern das tragiſche Grundgefühl, das heißt
das ganze Gefühl unſerer Endlichkeit emporſteigt,“
„Ja, wie würden Sie denn nun aber die Tellſage
behandeln, wenn Sie glauben, daß ſie überhaupt be¬
handelt werden könne?“
A. E. ſchien nur auf dieſe Einladung gewartet
zu haben, es ſchien ihm ſehr zu gefallen, daß ich mich
ſo läßlich und eingehend zu ihm verhielt. „Was vor¬
geht bis zur Einſchiffung Tell's mit Geßler und Ge¬
folge,“ ſo begann er, „das mag im Weſentlichen ſtehen
bleiben, wiewohl zum Styl, zur ganzen Behand¬
lung viel und Weſentliches zu bemerken wäre. Jener
Realismus, welcher überhaupt allein der echte Idea¬
lismus iſt, müßte ja natürlich im Ganzen walten;
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/60>, abgerufen am 22.12.2024.
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