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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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zum Nachdenken über gemischte hälftige Schönheit und
über Schließbarkeit auf eine schönere Hälfte, denn der
Hunger war groß und ebenso ergieng es sichtlich meinem
Tischkameraden.

Es begann nach Stillung des ersten Bedürfnisses
ein wachsend heiteres, belebtes Gespräch. Ich sah ihn
zum ersten Mal eigentlich hell in seiner Stimmung.
Seine Athmungsorgane erschienen mir unbelästigt, das
starke Ereignis; hatte wohl eine gute Krisis mit sich
geführt. Er fieng wie dort am Axen vom Wetter
an: "Der Föhn legt sich, will sehen, wann der Regen
kommt; ich glaube, viel wird's nicht sein, er wird wohl
dießmal die Hauptmasse des Feuchten drüben überm
Bodensee hinunterschütten. Können Sie denn den
Wind ausstehen?" Ich hütete mich wie billig, von
der physikalischen Nothwendigkeit der Luftbewegung an¬
zufangen, und A. E. fuhr auch fort, ohne Antwort
abzuwarten: "Geduld bei allem andern übeln Wetter,
aber der Wind ist spezifisch unverschämt, betäubt die
feinsten Sinne, Auge und Ohr, macht durch den un¬
nöthigen Lärm das Hirn trunken, wild, ist wie ein Kerl,
der mich mit Ohrfeigenregen begleitet, mir auf Tritt
und Schritt vorheult, der Teufel sei los, kurz, kann
mich geradezu ganz wüthig machen."

Dieß war die einzige Andeutung, das einzige,
entfernte, sehr nur mittelbare Geständniß; der Unver¬
nunft der Szene, dir er am Fels aufgeführt. Der

zum Nachdenken über gemiſchte hälftige Schönheit und
über Schließbarkeit auf eine ſchönere Hälfte, denn der
Hunger war groß und ebenſo ergieng es ſichtlich meinem
Tiſchkameraden.

Es begann nach Stillung des erſten Bedürfniſſes
ein wachſend heiteres, belebtes Geſpräch. Ich ſah ihn
zum erſten Mal eigentlich hell in ſeiner Stimmung.
Seine Athmungsorgane erſchienen mir unbeläſtigt, das
ſtarke Ereignis; hatte wohl eine gute Kriſis mit ſich
geführt. Er fieng wie dort am Axen vom Wetter
an: „Der Föhn legt ſich, will ſehen, wann der Regen
kommt; ich glaube, viel wird's nicht ſein, er wird wohl
dießmal die Hauptmaſſe des Feuchten drüben überm
Bodenſee hinunterſchütten. Können Sie denn den
Wind ausſtehen?“ Ich hütete mich wie billig, von
der phyſikaliſchen Nothwendigkeit der Luftbewegung an¬
zufangen, und A. E. fuhr auch fort, ohne Antwort
abzuwarten: „Geduld bei allem andern übeln Wetter,
aber der Wind iſt ſpezifiſch unverſchämt, betäubt die
feinſten Sinne, Auge und Ohr, macht durch den un¬
nöthigen Lärm das Hirn trunken, wild, iſt wie ein Kerl,
der mich mit Ohrfeigenregen begleitet, mir auf Tritt
und Schritt vorheult, der Teufel ſei los, kurz, kann
mich geradezu ganz wüthig machen.“

Dieß war die einzige Andeutung, das einzige,
entfernte, ſehr nur mittelbare Geſtändniß; der Unver¬
nunft der Szene, dir er am Fels aufgeführt. Der

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[85/0098] zum Nachdenken über gemiſchte hälftige Schönheit und über Schließbarkeit auf eine ſchönere Hälfte, denn der Hunger war groß und ebenſo ergieng es ſichtlich meinem Tiſchkameraden. Es begann nach Stillung des erſten Bedürfniſſes ein wachſend heiteres, belebtes Geſpräch. Ich ſah ihn zum erſten Mal eigentlich hell in ſeiner Stimmung. Seine Athmungsorgane erſchienen mir unbeläſtigt, das ſtarke Ereignis; hatte wohl eine gute Kriſis mit ſich geführt. Er fieng wie dort am Axen vom Wetter an: „Der Föhn legt ſich, will ſehen, wann der Regen kommt; ich glaube, viel wird's nicht ſein, er wird wohl dießmal die Hauptmaſſe des Feuchten drüben überm Bodenſee hinunterſchütten. Können Sie denn den Wind ausſtehen?“ Ich hütete mich wie billig, von der phyſikaliſchen Nothwendigkeit der Luftbewegung an¬ zufangen, und A. E. fuhr auch fort, ohne Antwort abzuwarten: „Geduld bei allem andern übeln Wetter, aber der Wind iſt ſpezifiſch unverſchämt, betäubt die feinſten Sinne, Auge und Ohr, macht durch den un¬ nöthigen Lärm das Hirn trunken, wild, iſt wie ein Kerl, der mich mit Ohrfeigenregen begleitet, mir auf Tritt und Schritt vorheult, der Teufel ſei los, kurz, kann mich geradezu ganz wüthig machen.“ Dieß war die einzige Andeutung, das einzige, entfernte, ſehr nur mittelbare Geſtändniß; der Unver¬ nunft der Szene, dir er am Fels aufgeführt. Der

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/98>, abgerufen am 22.12.2024.