Schwersten immer noch tragisches Stück Menschenleben. Einen Beitrag zu weiterer Lösung brachte mir später ein Zufall, von dem ich berichten werde. An der Stelle, wo im Tagebuch eine große Lücke aufstößt, werde ich als Herausgeber das Wort ergreifen und einfügen, was ich durch diesen Zufall erkundet habe. Alles Dunkel wird freilich auch durch diese Nachhülfe nicht gehoben. Uebrigens war A. E. in dem Versiegeln von Stücken, denen er besonders intime Erlebnisse anvertraut hatte, nicht konsequent. Im offenen Theil der Manuskripte finden sich der Stellen nicht wenige, die sich auf den gewitterdunklen Inhalt jener Blätter beziehen, auf den schrecklichern ihrer Lücke rathen lassen, und man sieht in einen Zusammenhang, der sich weiter¬ hin durch das Ganze dieses schwergeprüften Lebens als nächtliche Stimmung ausbreitet. Ein Leser, den auch der Gedankenernst des Verstorbenen noch nicht mit seinen Launen, seinem barocken Humor versöhnt haben sollte, wird, so darf ich wohl voraussetzen, wenigstens durch Theilnahme an den Stürmen, die durch dieses Leben gefahren sind, zu größerer Nachsicht bewegt werden, um so mehr, da doch in der Schlußstimmung, so viel möglich, die harten Misklänge sich lösen.
Bedauerlich ist, daß man nichts von der Jugend¬ geschichte des Verfassers erfährt; das Tagebuch be¬ ginnt nicht früher, als mit dem Antritt seines ersten Amtes. Man möchte so gern Aufschluß dar¬
Schwerſten immer noch tragiſches Stück Menſchenleben. Einen Beitrag zu weiterer Löſung brachte mir ſpäter ein Zufall, von dem ich berichten werde. An der Stelle, wo im Tagebuch eine große Lücke aufſtößt, werde ich als Herausgeber das Wort ergreifen und einfügen, was ich durch dieſen Zufall erkundet habe. Alles Dunkel wird freilich auch durch dieſe Nachhülfe nicht gehoben. Uebrigens war A. E. in dem Verſiegeln von Stücken, denen er beſonders intime Erlebniſſe anvertraut hatte, nicht konſequent. Im offenen Theil der Manuſkripte finden ſich der Stellen nicht wenige, die ſich auf den gewitterdunklen Inhalt jener Blätter beziehen, auf den ſchrecklichern ihrer Lücke rathen laſſen, und man ſieht in einen Zuſammenhang, der ſich weiter¬ hin durch das Ganze dieſes ſchwergeprüften Lebens als nächtliche Stimmung ausbreitet. Ein Leſer, den auch der Gedankenernſt des Verſtorbenen noch nicht mit ſeinen Launen, ſeinem barocken Humor verſöhnt haben ſollte, wird, ſo darf ich wohl vorausſetzen, wenigſtens durch Theilnahme an den Stürmen, die durch dieſes Leben gefahren ſind, zu größerer Nachſicht bewegt werden, um ſo mehr, da doch in der Schlußſtimmung, ſo viel möglich, die harten Misklänge ſich löſen.
Bedauerlich iſt, daß man nichts von der Jugend¬ geſchichte des Verfaſſers erfährt; das Tagebuch be¬ ginnt nicht früher, als mit dem Antritt ſeines erſten Amtes. Man möchte ſo gern Aufſchluß dar¬
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[87/0100]
Schwerſten immer noch tragiſches Stück Menſchenleben.
Einen Beitrag zu weiterer Löſung brachte mir ſpäter
ein Zufall, von dem ich berichten werde. An der
Stelle, wo im Tagebuch eine große Lücke aufſtößt,
werde ich als Herausgeber das Wort ergreifen und
einfügen, was ich durch dieſen Zufall erkundet habe.
Alles Dunkel wird freilich auch durch dieſe Nachhülfe
nicht gehoben. Uebrigens war A. E. in dem Verſiegeln
von Stücken, denen er beſonders intime Erlebniſſe
anvertraut hatte, nicht konſequent. Im offenen Theil
der Manuſkripte finden ſich der Stellen nicht wenige,
die ſich auf den gewitterdunklen Inhalt jener Blätter
beziehen, auf den ſchrecklichern ihrer Lücke rathen laſſen,
und man ſieht in einen Zuſammenhang, der ſich weiter¬
hin durch das Ganze dieſes ſchwergeprüften Lebens als
nächtliche Stimmung ausbreitet. Ein Leſer, den auch
der Gedankenernſt des Verſtorbenen noch nicht mit
ſeinen Launen, ſeinem barocken Humor verſöhnt haben
ſollte, wird, ſo darf ich wohl vorausſetzen, wenigſtens
durch Theilnahme an den Stürmen, die durch dieſes
Leben gefahren ſind, zu größerer Nachſicht bewegt
werden, um ſo mehr, da doch in der Schlußſtimmung,
ſo viel möglich, die harten Misklänge ſich löſen.
Bedauerlich iſt, daß man nichts von der Jugend¬
geſchichte des Verfaſſers erfährt; das Tagebuch be¬
ginnt nicht früher, als mit dem Antritt ſeines
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/100>, abgerufen am 29.11.2024.
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