Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Bellen kann sehr störend sein, wohl! aber
viel öfter muß es erfreuen. Es ist so etwas Resolutes
darin. Ein Schuß. Wie oft, wenn ich in Zweifeln
hieng und zappelte, in Brüten klebte, hat es mir wohl¬
gethan, mich erfrischt, gelabt, wenn ich den entschlossenen,
unzögernden, frischweg vorbrechenden Laut vernahm!
Es ist auch der Stolz des Hundes. Ich bin über¬
zeugt, eine Hundsmutter, wenn sie ihren Sohn zum
ersten Mal bellen hört, fühlt dasselbe, was eine mensch¬
liche Mutter, wenn sie ihrem Sohn, welcher Theologie
studirt und welcher die erste Predigt thut, mit Mann,
Vetter und Base hineingeht.


Da erfahre ich, daß Einer, sonst ein ordentlicher
Herr, mir einen Polizeidiener besticht, und zwar erst
noch ganz unnöthig, da der Mann doch ganz dienst¬
eifrig ist und von selbst bereit war, auf begründete
Klage über störenden Lärm gegen den Nachbar einzu¬
schreiten. Ich habe die zulässig schärfste Strafe gegen
Bestechungsversuch in Anwendung gebracht. -- So sind
die Menschen! Der A besticht, der B noch flotter, der
C überbietet Beide, die Menschen in Dienst und Amt
werden verderbt und thun endlich ihre Pflicht nicht
mehr, wenn ein Armer, der nicht bestechen kann, oder
ein Redlicher, der es nicht will, ihrer Dienste bedarf.

Das Bellen kann ſehr ſtörend ſein, wohl! aber
viel öfter muß es erfreuen. Es iſt ſo etwas Reſolutes
darin. Ein Schuß. Wie oft, wenn ich in Zweifeln
hieng und zappelte, in Brüten klebte, hat es mir wohl¬
gethan, mich erfriſcht, gelabt, wenn ich den entſchloſſenen,
unzögernden, friſchweg vorbrechenden Laut vernahm!
Es iſt auch der Stolz des Hundes. Ich bin über¬
zeugt, eine Hundsmutter, wenn ſie ihren Sohn zum
erſten Mal bellen hört, fühlt daſſelbe, was eine menſch¬
liche Mutter, wenn ſie ihrem Sohn, welcher Theologie
ſtudirt und welcher die erſte Predigt thut, mit Mann,
Vetter und Baſe hineingeht.


Da erfahre ich, daß Einer, ſonſt ein ordentlicher
Herr, mir einen Polizeidiener beſticht, und zwar erſt
noch ganz unnöthig, da der Mann doch ganz dienſt¬
eifrig iſt und von ſelbſt bereit war, auf begründete
Klage über ſtörenden Lärm gegen den Nachbar einzu¬
ſchreiten. Ich habe die zuläſſig ſchärfſte Strafe gegen
Beſtechungsverſuch in Anwendung gebracht. — So ſind
die Menſchen! Der A beſticht, der B noch flotter, der
C überbietet Beide, die Menſchen in Dienſt und Amt
werden verderbt und thun endlich ihre Pflicht nicht
mehr, wenn ein Armer, der nicht beſtechen kann, oder
ein Redlicher, der es nicht will, ihrer Dienſte bedarf.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0141" n="128"/>
        <p>Das Bellen kann &#x017F;ehr &#x017F;törend &#x017F;ein, wohl! aber<lb/>
viel öfter muß es erfreuen. Es i&#x017F;t &#x017F;o etwas Re&#x017F;olutes<lb/>
darin. Ein Schuß. Wie oft, wenn ich in Zweifeln<lb/>
hieng und zappelte, in Brüten klebte, hat es mir wohl¬<lb/>
gethan, mich erfri&#x017F;cht, gelabt, wenn ich den ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen,<lb/>
unzögernden, fri&#x017F;chweg vorbrechenden Laut vernahm!<lb/>
Es i&#x017F;t auch der Stolz des Hundes. Ich bin über¬<lb/>
zeugt, eine Hundsmutter, wenn &#x017F;ie ihren Sohn zum<lb/>
er&#x017F;ten Mal bellen hört, fühlt da&#x017F;&#x017F;elbe, was eine men&#x017F;ch¬<lb/>
liche Mutter, wenn &#x017F;ie ihrem Sohn, welcher Theologie<lb/>
&#x017F;tudirt und welcher die er&#x017F;te Predigt thut, mit Mann,<lb/>
Vetter und Ba&#x017F;e hineingeht.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Da erfahre ich, daß Einer, &#x017F;on&#x017F;t ein ordentlicher<lb/>
Herr, mir einen Polizeidiener be&#x017F;ticht, und zwar er&#x017F;t<lb/>
noch ganz unnöthig, da der Mann doch ganz dien&#x017F;<lb/>
eifrig i&#x017F;t und von &#x017F;elb&#x017F;t bereit war, auf begründete<lb/>
Klage über &#x017F;törenden Lärm gegen den Nachbar einzu¬<lb/>
&#x017F;chreiten. Ich habe die zulä&#x017F;&#x017F;ig &#x017F;chärf&#x017F;te Strafe gegen<lb/>
Be&#x017F;techungsver&#x017F;uch in Anwendung gebracht. &#x2014; So &#x017F;ind<lb/>
die Men&#x017F;chen! Der <hi rendition="#aq">A</hi> be&#x017F;ticht, der <hi rendition="#aq">B</hi> noch flotter, der<lb/><hi rendition="#aq">C</hi> überbietet Beide, die Men&#x017F;chen in Dien&#x017F;t und Amt<lb/>
werden verderbt und thun endlich ihre Pflicht nicht<lb/>
mehr, wenn ein Armer, der nicht be&#x017F;techen kann, oder<lb/>
ein Redlicher, der es nicht will, ihrer Dien&#x017F;te bedarf.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0141] Das Bellen kann ſehr ſtörend ſein, wohl! aber viel öfter muß es erfreuen. Es iſt ſo etwas Reſolutes darin. Ein Schuß. Wie oft, wenn ich in Zweifeln hieng und zappelte, in Brüten klebte, hat es mir wohl¬ gethan, mich erfriſcht, gelabt, wenn ich den entſchloſſenen, unzögernden, friſchweg vorbrechenden Laut vernahm! Es iſt auch der Stolz des Hundes. Ich bin über¬ zeugt, eine Hundsmutter, wenn ſie ihren Sohn zum erſten Mal bellen hört, fühlt daſſelbe, was eine menſch¬ liche Mutter, wenn ſie ihrem Sohn, welcher Theologie ſtudirt und welcher die erſte Predigt thut, mit Mann, Vetter und Baſe hineingeht. Da erfahre ich, daß Einer, ſonſt ein ordentlicher Herr, mir einen Polizeidiener beſticht, und zwar erſt noch ganz unnöthig, da der Mann doch ganz dienſt¬ eifrig iſt und von ſelbſt bereit war, auf begründete Klage über ſtörenden Lärm gegen den Nachbar einzu¬ ſchreiten. Ich habe die zuläſſig ſchärfſte Strafe gegen Beſtechungsverſuch in Anwendung gebracht. — So ſind die Menſchen! Der A beſticht, der B noch flotter, der C überbietet Beide, die Menſchen in Dienſt und Amt werden verderbt und thun endlich ihre Pflicht nicht mehr, wenn ein Armer, der nicht beſtechen kann, oder ein Redlicher, der es nicht will, ihrer Dienſte bedarf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/141
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/141>, abgerufen am 18.05.2024.