Prinzipien-Fanatiker. Ein Gespräch von Hunden, Pferden, richtiger Konstruktion von Oefen ist mir ganz recht und gut genug. Aber das Gemeine! Daß ich durchaus mir nicht abthun kann, alle Menschen für nobel zu nehmen und mich zu wundern, wenn ich das Gegentheil finde! -- Es wird daher kommen, daß ich zu sinnlich bin, um Verkünsteltes zu begreifen, denn das Künstlichste, was es gibt, ist das Gemeine.
Die besseren Menschen sind Gebirgsleute, sie kommen vom Gebirge her, sind gesunde Gebirgsbauern, das Thal mit seiner dumpfen Luft drückt auf ihre Lunge.
Das Gemeine ist künstlich, weil der Mensch als solcher von Adel ist.
Die Menschheit hat sich um dieß Bewußtsein ge¬ bracht, indem sie den Adel als besondern Stand ge¬ schaffen hat. Diesem hat sie aufgetragen, für sie edel zu sein, zu vikariren. Eine der schädlichsten, mensch¬ heitentwürdigendsten Mythenbildungen, die es gibt, und doch so begreiflich wie jeder andere Mythus, und ebenso unvertilgbar.
Prinzipien-Fanatiker. Ein Geſpräch von Hunden, Pferden, richtiger Konſtruktion von Oefen iſt mir ganz recht und gut genug. Aber das Gemeine! Daß ich durchaus mir nicht abthun kann, alle Menſchen für nobel zu nehmen und mich zu wundern, wenn ich das Gegentheil finde! — Es wird daher kommen, daß ich zu ſinnlich bin, um Verkünſteltes zu begreifen, denn das Künſtlichſte, was es gibt, iſt das Gemeine.
Die beſſeren Menſchen ſind Gebirgsleute, ſie kommen vom Gebirge her, ſind geſunde Gebirgsbauern, das Thal mit ſeiner dumpfen Luft drückt auf ihre Lunge.
Das Gemeine iſt künſtlich, weil der Menſch als ſolcher von Adel iſt.
Die Menſchheit hat ſich um dieß Bewußtſein ge¬ bracht, indem ſie den Adel als beſondern Stand ge¬ ſchaffen hat. Dieſem hat ſie aufgetragen, für ſie edel zu ſein, zu vikariren. Eine der ſchädlichſten, menſch¬ heitentwürdigendſten Mythenbildungen, die es gibt, und doch ſo begreiflich wie jeder andere Mythus, und ebenſo unvertilgbar.
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Prinzipien-Fanatiker. Ein Geſpräch von Hunden,
Pferden, richtiger Konſtruktion von Oefen iſt mir ganz
recht und gut genug. Aber das Gemeine! Daß ich
durchaus mir nicht abthun kann, alle Menſchen für
nobel zu nehmen und mich zu wundern, wenn ich das
Gegentheil finde! — Es wird daher kommen, daß ich
zu ſinnlich bin, um Verkünſteltes zu begreifen, denn
das Künſtlichſte, was es gibt, iſt das Gemeine.
Die beſſeren Menſchen ſind Gebirgsleute, ſie kommen
vom Gebirge her, ſind geſunde Gebirgsbauern, das
Thal mit ſeiner dumpfen Luft drückt auf ihre Lunge.
Das Gemeine iſt künſtlich, weil der Menſch als
ſolcher von Adel iſt.
Die Menſchheit hat ſich um dieß Bewußtſein ge¬
bracht, indem ſie den Adel als beſondern Stand ge¬
ſchaffen hat. Dieſem hat ſie aufgetragen, für ſie edel
zu ſein, zu vikariren. Eine der ſchädlichſten, menſch¬
heitentwürdigendſten Mythenbildungen, die es gibt,
und doch ſo begreiflich wie jeder andere Mythus, und
ebenſo unvertilgbar.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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