Norwegen. Christiania. Schlimmes kann doch auch Gutes tragen, zum Beispiel Sorge vor Emphysem ein freies Jahr. Möchte schon lang Italien sehen, aber auch Norwegen. Gut, gut, Herr Doktor, Sie wollen mich nach Italien, aber da ist Juli und August zu heiß, dagegen in Norwegen die Zeit der hellen Nächte, also zuerst Norden, dann Süden! Durchgesetzt und -- einmal ein Glück -- ein Stell¬ vertreter geschickt zur Hand, Urlaub herausgeschlagen, fort, fort!
Wie freier schon die Brust, seit ich das Meer wieder gesehen! Eigentlich zum ersten Mal; denn da¬ mals auf Sylt und Föhr habe ich es noch nicht so recht verstanden, brachte noch nicht Ernst genug. Zuerst groß, unendlich in Stille. Dann mäßig bewegt, also Alles sehen dürfen: die Großheit der Horizontale, Helldunkel, Farbe, Durchsichtigkeit, Spiel der Reflexe und der herrlichen, schwanenhalsigen Bogenlinien! Die Seele jauchzte mir. O, da gibt es viel Gott!
Jetzt bald in die Berge! Hinein zu den Asen, den alten Göttern! Brause mir entgegen, Odin, Lebensathem! Zerschmettre, Thor, mit dem Donner¬ hammer meine bösen Geister! Baldur, du Guter, du Schöner, laß meine Seele nicht zu stolz und wild werden, wenn sie unter den alten Riesen wandelt,
Norwegen. Chriſtiania. Schlimmes kann doch auch Gutes tragen, zum Beiſpiel Sorge vor Emphyſem ein freies Jahr. Möchte ſchon lang Italien ſehen, aber auch Norwegen. Gut, gut, Herr Doktor, Sie wollen mich nach Italien, aber da iſt Juli und Auguſt zu heiß, dagegen in Norwegen die Zeit der hellen Nächte, alſo zuerſt Norden, dann Süden! Durchgeſetzt und — einmal ein Glück — ein Stell¬ vertreter geſchickt zur Hand, Urlaub herausgeſchlagen, fort, fort!
Wie freier ſchon die Bruſt, ſeit ich das Meer wieder geſehen! Eigentlich zum erſten Mal; denn da¬ mals auf Sylt und Föhr habe ich es noch nicht ſo recht verſtanden, brachte noch nicht Ernſt genug. Zuerſt groß, unendlich in Stille. Dann mäßig bewegt, alſo Alles ſehen dürfen: die Großheit der Horizontale, Helldunkel, Farbe, Durchſichtigkeit, Spiel der Reflexe und der herrlichen, ſchwanenhalſigen Bogenlinien! Die Seele jauchzte mir. O, da gibt es viel Gott!
Jetzt bald in die Berge! Hinein zu den Aſen, den alten Göttern! Brauſe mir entgegen, Odin, Lebensathem! Zerſchmettre, Thor, mit dem Donner¬ hammer meine böſen Geiſter! Baldur, du Guter, du Schöner, laß meine Seele nicht zu ſtolz und wild werden, wenn ſie unter den alten Rieſen wandelt,
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Norwegen. Chriſtiania. Schlimmes kann
doch auch Gutes tragen, zum Beiſpiel Sorge vor
Emphyſem ein freies Jahr. Möchte ſchon lang Italien
ſehen, aber auch Norwegen. Gut, gut, Herr Doktor,
Sie wollen mich nach Italien, aber da iſt Juli und
Auguſt zu heiß, dagegen in Norwegen die Zeit der
hellen Nächte, alſo zuerſt Norden, dann Süden!
Durchgeſetzt und — einmal ein Glück — ein Stell¬
vertreter geſchickt zur Hand, Urlaub herausgeſchlagen,
fort, fort!
Wie freier ſchon die Bruſt, ſeit ich das Meer
wieder geſehen! Eigentlich zum erſten Mal; denn da¬
mals auf Sylt und Föhr habe ich es noch nicht ſo recht
verſtanden, brachte noch nicht Ernſt genug. Zuerſt groß,
unendlich in Stille. Dann mäßig bewegt, alſo Alles
ſehen dürfen: die Großheit der Horizontale, Helldunkel,
Farbe, Durchſichtigkeit, Spiel der Reflexe und der
herrlichen, ſchwanenhalſigen Bogenlinien! Die Seele
jauchzte mir. O, da gibt es viel Gott!
Jetzt bald in die Berge! Hinein zu den Aſen,
den alten Göttern! Brauſe mir entgegen, Odin,
Lebensathem! Zerſchmettre, Thor, mit dem Donner¬
hammer meine böſen Geiſter! Baldur, du Guter, du
Schöner, laß meine Seele nicht zu ſtolz und wild
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/155>, abgerufen am 21.11.2024.
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