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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Etwas -- Triumph und Schadenfreude wären ein
plumper Ausdruck; auch wenn ich es umschreiben
wollte "dahin kann ein Weib einen Mann bringen",
es wäre nackt und roh übersetzt, o, es war unheimlich
und doch unwiderstehlich! -- Die letzten Töne ver¬
klangen im Echo der Felsen und jetzt sah sie wieder
zurück, dießmal auf mich. Wer kann sagen, was über
ihr Angesicht zuckte! Ein Schatten von Ernst, dann
wieder Lust, Reiz, Wonne, Muthwille, Witzgeist, Spott,
Uebermuth, helles Siegesfrohlocken, das beim Himmel
noch etwas Anderes besagte, als: "so kann ich singen!"
Aber wer hätte das triplex aes circa pectus be¬
wahrt! Ja, so konnte sie singen -- und? --

"Jetzt aber rasch an's Land!" rief Dyring, "es
wird bedenklich; und sitze jetzt zu uns!" Sie gab das
Ruder ab, die zwei Bootsmänner strebten mit Macht
vorwärts, hinaus aus dem Felsengefängniß, Sanden
zu. Goldrun setzt sich aber nicht, sie schaukelt den
ohnedieß taumelnden Kahn, trunken von Lust schnalzt
sie mit den Fingern, als schlüge sie Castagnetten, und
jauchzt in den brausenden Wind hinaus: Evoe! Evoe!
Iakkhe, Iakkhe! Wie blitzen ihre großen Augen! Noch
muthwilliger als vorhin, halbwild trifft mich ihr
Strahl! -- Angst wegen des Sturms kann sie mir
nicht ansehen. Darum kann sie mich nicht auslachen.

Ein entzückend Weib.

Aber warum fuhr mitten im Entzücken ein paar¬

Etwas — Triumph und Schadenfreude wären ein
plumper Ausdruck; auch wenn ich es umſchreiben
wollte „dahin kann ein Weib einen Mann bringen“,
es wäre nackt und roh überſetzt, o, es war unheimlich
und doch unwiderſtehlich! — Die letzten Töne ver¬
klangen im Echo der Felſen und jetzt ſah ſie wieder
zurück, dießmal auf mich. Wer kann ſagen, was über
ihr Angeſicht zuckte! Ein Schatten von Ernſt, dann
wieder Luſt, Reiz, Wonne, Muthwille, Witzgeiſt, Spott,
Uebermuth, helles Siegesfrohlocken, das beim Himmel
noch etwas Anderes beſagte, als: „ſo kann ich ſingen!“
Aber wer hätte das triplex aes circa pectus be¬
wahrt! Ja, ſo konnte ſie ſingen — und? —

„Jetzt aber raſch an's Land!“ rief Dyring, „es
wird bedenklich; und ſitze jetzt zu uns!“ Sie gab das
Ruder ab, die zwei Bootsmänner ſtrebten mit Macht
vorwärts, hinaus aus dem Felſengefängniß, Sanden
zu. Goldrun ſetzt ſich aber nicht, ſie ſchaukelt den
ohnedieß taumelnden Kahn, trunken von Luſt ſchnalzt
ſie mit den Fingern, als ſchlüge ſie Caſtagnetten, und
jauchzt in den brauſenden Wind hinaus: Evoë! Evoë!
Ἰάϰχε, Ἰάϰχε! Wie blitzen ihre großen Augen! Noch
muthwilliger als vorhin, halbwild trifft mich ihr
Strahl! — Angſt wegen des Sturms kann ſie mir
nicht anſehen. Darum kann ſie mich nicht auslachen.

Ein entzückend Weib.

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[148/0161] Etwas — Triumph und Schadenfreude wären ein plumper Ausdruck; auch wenn ich es umſchreiben wollte „dahin kann ein Weib einen Mann bringen“, es wäre nackt und roh überſetzt, o, es war unheimlich und doch unwiderſtehlich! — Die letzten Töne ver¬ klangen im Echo der Felſen und jetzt ſah ſie wieder zurück, dießmal auf mich. Wer kann ſagen, was über ihr Angeſicht zuckte! Ein Schatten von Ernſt, dann wieder Luſt, Reiz, Wonne, Muthwille, Witzgeiſt, Spott, Uebermuth, helles Siegesfrohlocken, das beim Himmel noch etwas Anderes beſagte, als: „ſo kann ich ſingen!“ Aber wer hätte das triplex aes circa pectus be¬ wahrt! Ja, ſo konnte ſie ſingen — und? — „Jetzt aber raſch an's Land!“ rief Dyring, „es wird bedenklich; und ſitze jetzt zu uns!“ Sie gab das Ruder ab, die zwei Bootsmänner ſtrebten mit Macht vorwärts, hinaus aus dem Felſengefängniß, Sanden zu. Goldrun ſetzt ſich aber nicht, ſie ſchaukelt den ohnedieß taumelnden Kahn, trunken von Luſt ſchnalzt ſie mit den Fingern, als ſchlüge ſie Caſtagnetten, und jauchzt in den brauſenden Wind hinaus: Evoë! Evoë! Ἰάϰχε, Ἰάϰχε! Wie blitzen ihre großen Augen! Noch muthwilliger als vorhin, halbwild trifft mich ihr Strahl! — Angſt wegen des Sturms kann ſie mir nicht anſehen. Darum kann ſie mich nicht auslachen. Ein entzückend Weib. Aber warum fuhr mitten im Entzücken ein paar¬

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/161>, abgerufen am 21.11.2024.