Ernst, und derlei mehr. Ich sag' ihr, das Wort habe sie aus einem Brief Wilh. Schlegel's aufge¬ schnappt, der sei aber auch schon tief genug im Lügen¬ quark gesteckt, nahe genug am Versinken, verlogenes Pack sei das ganze Gelichter gewesen -- Wahrhaftig¬ keit, rufe ich, Wahrhaftigkeit! mit gehobenem Finger. Sie wird schnell bös, fährt vom Sessel auf, ruft mit Furienblick: Prediger! -- und dabei in der kurzen Bewegung ein Rauschen der Kleider, so stark wie bei sausendem Fluge. -- Wenn das Stachelschwein drohen will, so treibt es den Wald seiner Kiele auf, man vernimmt dabei ein Rauschen, viel zu stark, als daß es aus dem Aneinanderschlagen der vielen Hornspieße erklärt werden könnte, das Thier vermag Luft in die Röhren dieser Organe zu treiben, um durch den winds¬ brautähnlichen Ton den Feind zu schrecken. Eine ähn¬ liche Vorrichtung müssen die dämonischen Weiber in den Poren haben, um bei heftigem Aufzucken Luft in ihre Gewänder zu pumpen, daß sie geisterhaft rauschen und sausen. -- Sie wird mir physiologisch unheim¬ lich, monströs. Und der Zorn, weil ich an Wahr¬ haftigkeit mahne! Weiß, warum so beleidigt. Dieß Weib ist nicht wahr.
Tagelang wieder gemieden. Gestern Nacht am Haus hin und her gestreift. Sie sang. Das Olaf's¬
Ernſt, und derlei mehr. Ich ſag' ihr, das Wort habe ſie aus einem Brief Wilh. Schlegel's aufge¬ ſchnappt, der ſei aber auch ſchon tief genug im Lügen¬ quark geſteckt, nahe genug am Verſinken, verlogenes Pack ſei das ganze Gelichter geweſen — Wahrhaftig¬ keit, rufe ich, Wahrhaftigkeit! mit gehobenem Finger. Sie wird ſchnell bös, fährt vom Seſſel auf, ruft mit Furienblick: Prediger! — und dabei in der kurzen Bewegung ein Rauſchen der Kleider, ſo ſtark wie bei ſauſendem Fluge. — Wenn das Stachelſchwein drohen will, ſo treibt es den Wald ſeiner Kiele auf, man vernimmt dabei ein Rauſchen, viel zu ſtark, als daß es aus dem Aneinanderſchlagen der vielen Hornſpieße erklärt werden könnte, das Thier vermag Luft in die Röhren dieſer Organe zu treiben, um durch den winds¬ brautähnlichen Ton den Feind zu ſchrecken. Eine ähn¬ liche Vorrichtung müſſen die dämoniſchen Weiber in den Poren haben, um bei heftigem Aufzucken Luft in ihre Gewänder zu pumpen, daß ſie geiſterhaft rauſchen und ſauſen. — Sie wird mir phyſiologiſch unheim¬ lich, monſtrös. Und der Zorn, weil ich an Wahr¬ haftigkeit mahne! Weiß, warum ſo beleidigt. Dieß Weib iſt nicht wahr.
Tagelang wieder gemieden. Geſtern Nacht am Haus hin und her geſtreift. Sie ſang. Das Olaf's¬
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0184"n="171"/>
Ernſt, und derlei mehr. Ich ſag' ihr, das Wort<lb/>
habe ſie aus einem Brief Wilh. Schlegel's aufge¬<lb/>ſchnappt, der ſei aber auch ſchon tief genug im Lügen¬<lb/>
quark geſteckt, nahe genug am Verſinken, verlogenes<lb/>
Pack ſei das ganze Gelichter geweſen — Wahrhaftig¬<lb/>
keit, rufe ich, Wahrhaftigkeit! mit gehobenem Finger.<lb/>
Sie wird ſchnell bös, fährt vom Seſſel auf, ruft mit<lb/>
Furienblick: Prediger! — und dabei in der kurzen<lb/>
Bewegung ein Rauſchen der Kleider, ſo ſtark wie bei<lb/>ſauſendem Fluge. — Wenn das Stachelſchwein drohen<lb/>
will, ſo treibt es den Wald ſeiner Kiele auf, man<lb/>
vernimmt dabei ein Rauſchen, viel zu ſtark, als daß<lb/>
es aus dem Aneinanderſchlagen der vielen Hornſpieße<lb/>
erklärt werden könnte, das Thier vermag Luft in die<lb/>
Röhren dieſer Organe zu treiben, um durch den winds¬<lb/>
brautähnlichen Ton den Feind zu ſchrecken. Eine ähn¬<lb/>
liche Vorrichtung müſſen die dämoniſchen Weiber in<lb/>
den Poren haben, um bei heftigem Aufzucken Luft in<lb/>
ihre Gewänder zu pumpen, daß ſie geiſterhaft rauſchen<lb/>
und ſauſen. — Sie wird mir phyſiologiſch unheim¬<lb/>
lich, monſtrös. Und der Zorn, weil ich an Wahr¬<lb/>
haftigkeit mahne! Weiß, warum ſo beleidigt. Dieß<lb/>
Weib iſt nicht wahr.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Tagelang wieder gemieden. Geſtern Nacht am<lb/>
Haus hin und her geſtreift. Sie ſang. Das Olaf's¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[171/0184]
Ernſt, und derlei mehr. Ich ſag' ihr, das Wort
habe ſie aus einem Brief Wilh. Schlegel's aufge¬
ſchnappt, der ſei aber auch ſchon tief genug im Lügen¬
quark geſteckt, nahe genug am Verſinken, verlogenes
Pack ſei das ganze Gelichter geweſen — Wahrhaftig¬
keit, rufe ich, Wahrhaftigkeit! mit gehobenem Finger.
Sie wird ſchnell bös, fährt vom Seſſel auf, ruft mit
Furienblick: Prediger! — und dabei in der kurzen
Bewegung ein Rauſchen der Kleider, ſo ſtark wie bei
ſauſendem Fluge. — Wenn das Stachelſchwein drohen
will, ſo treibt es den Wald ſeiner Kiele auf, man
vernimmt dabei ein Rauſchen, viel zu ſtark, als daß
es aus dem Aneinanderſchlagen der vielen Hornſpieße
erklärt werden könnte, das Thier vermag Luft in die
Röhren dieſer Organe zu treiben, um durch den winds¬
brautähnlichen Ton den Feind zu ſchrecken. Eine ähn¬
liche Vorrichtung müſſen die dämoniſchen Weiber in
den Poren haben, um bei heftigem Aufzucken Luft in
ihre Gewänder zu pumpen, daß ſie geiſterhaft rauſchen
und ſauſen. — Sie wird mir phyſiologiſch unheim¬
lich, monſtrös. Und der Zorn, weil ich an Wahr¬
haftigkeit mahne! Weiß, warum ſo beleidigt. Dieß
Weib iſt nicht wahr.
Tagelang wieder gemieden. Geſtern Nacht am
Haus hin und her geſtreift. Sie ſang. Das Olaf's¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/184>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.