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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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als Eigenthum A. E.'s, denn wenn sich bedeutende
Stunden in unserem Gedächtniß festsetzen, so gräbt
sich ja gern auch unwichtig Aeußerliches als geläufige
Zubehör der Persönlichkeit in die geistige Tafel mit ein.
Ich begab mich mit meinem Fund auf das Zimmer
des Inspektors. Er öffnete vor meinen Augen die
Brieftasche und zog neben einigen Blättern und Briefen
eine Paßkarte hervor; sie war 1869 ausgestellt nach
Italien (und Sicilien), daneben aber lag ein älterer,
ganz vergilbter Paß von 1865, der wohl mitgenommen
war für den Fall, daß die Paßkarte nicht genügen
sollte. Er lautete ebenfalls nach Italien. Ganz merk¬
würdig: der Name hieß Albert Einhart; also die
Anfangsbuchstaben ebendie, womit ich mir nur zur
Aushülfe, die Bedeutung: "Auch Einer" hineinlegend,
bisher den Mann bezeichnet hatte. Alter auf dem
Paß: fünfzig Jahre, Paßkarte demgemäß: vierundfünfzig.
Stand: Vogt außer Diensten. Flugs fiel mir dabei
der Auftritt mit den zwei Strolchen auf dem Gotthard¬
paß ein. -- Den Wohnort wollen wir übergehen: er
thut nichts zur Sache und der Leser, wenn ihn etwa die
Neugierde hinreizte, würde den Mann doch nicht mehr
finden. Ich schrieb auf eine Karte mit meinem Namen:
"Der glückliche Finder, der Reisekamerad von 1865,
grüßt;" ich bat den Beamten, die Karte zu den Sachen
zu legen; er erklärte, daß er am übernächsten Tage,
wo sich die Ankunft des Eigenthümers in seinem Wohn¬

als Eigenthum A. E.'s, denn wenn ſich bedeutende
Stunden in unſerem Gedächtniß feſtſetzen, ſo gräbt
ſich ja gern auch unwichtig Aeußerliches als geläufige
Zubehör der Perſönlichkeit in die geiſtige Tafel mit ein.
Ich begab mich mit meinem Fund auf das Zimmer
des Inſpektors. Er öffnete vor meinen Augen die
Brieftaſche und zog neben einigen Blättern und Briefen
eine Paßkarte hervor; ſie war 1869 ausgeſtellt nach
Italien (und Sicilien), daneben aber lag ein älterer,
ganz vergilbter Paß von 1865, der wohl mitgenommen
war für den Fall, daß die Paßkarte nicht genügen
ſollte. Er lautete ebenfalls nach Italien. Ganz merk¬
würdig: der Name hieß Albert Einhart; alſo die
Anfangsbuchſtaben ebendie, womit ich mir nur zur
Aushülfe, die Bedeutung: „Auch Einer“ hineinlegend,
bisher den Mann bezeichnet hatte. Alter auf dem
Paß: fünfzig Jahre, Paßkarte demgemäß: vierundfünfzig.
Stand: Vogt außer Dienſten. Flugs fiel mir dabei
der Auftritt mit den zwei Strolchen auf dem Gotthard¬
paß ein. — Den Wohnort wollen wir übergehen: er
thut nichts zur Sache und der Leſer, wenn ihn etwa die
Neugierde hinreizte, würde den Mann doch nicht mehr
finden. Ich ſchrieb auf eine Karte mit meinem Namen:
„Der glückliche Finder, der Reiſekamerad von 1865,
grüßt;“ ich bat den Beamten, die Karte zu den Sachen
zu legen; er erklärte, daß er am übernächſten Tage,
wo ſich die Ankunft des Eigenthümers in ſeinem Wohn¬

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[8/0021] als Eigenthum A. E.'s, denn wenn ſich bedeutende Stunden in unſerem Gedächtniß feſtſetzen, ſo gräbt ſich ja gern auch unwichtig Aeußerliches als geläufige Zubehör der Perſönlichkeit in die geiſtige Tafel mit ein. Ich begab mich mit meinem Fund auf das Zimmer des Inſpektors. Er öffnete vor meinen Augen die Brieftaſche und zog neben einigen Blättern und Briefen eine Paßkarte hervor; ſie war 1869 ausgeſtellt nach Italien (und Sicilien), daneben aber lag ein älterer, ganz vergilbter Paß von 1865, der wohl mitgenommen war für den Fall, daß die Paßkarte nicht genügen ſollte. Er lautete ebenfalls nach Italien. Ganz merk¬ würdig: der Name hieß Albert Einhart; alſo die Anfangsbuchſtaben ebendie, womit ich mir nur zur Aushülfe, die Bedeutung: „Auch Einer“ hineinlegend, bisher den Mann bezeichnet hatte. Alter auf dem Paß: fünfzig Jahre, Paßkarte demgemäß: vierundfünfzig. Stand: Vogt außer Dienſten. Flugs fiel mir dabei der Auftritt mit den zwei Strolchen auf dem Gotthard¬ paß ein. — Den Wohnort wollen wir übergehen: er thut nichts zur Sache und der Leſer, wenn ihn etwa die Neugierde hinreizte, würde den Mann doch nicht mehr finden. Ich ſchrieb auf eine Karte mit meinem Namen: „Der glückliche Finder, der Reiſekamerad von 1865, grüßt;“ ich bat den Beamten, die Karte zu den Sachen zu legen; er erklärte, daß er am übernächſten Tage, wo ſich die Ankunft des Eigenthümers in ſeinem Wohn¬

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/21>, abgerufen am 23.11.2024.