sondern der rasche oder der warme Blick thut; mit der Logik kann man ja kein Ganzes einholen.
Anders, wo es auf Logik ankommt, da können sie abscheulich werden.
Bist du irgend ein Mensch, der gern nachdenkt, und willst heirathen, so nimm ja kein Weib, außer ein philosophisches. Unter philosophisch verstehe ich hier eigentlich das Gegentheil von philosophisch und doch auch wieder nicht das Gegentheil. Das Weib soll nur so viel des Ahnenden in sich haben, daß sie fühlt: mit Gemeinplätzen ist es nicht gethan. Erwischest du ein Weib -- es mag in weltlichen Dingen noch so gescheut sein -- in göttlichen Dingen platt rationa¬ listisch (von dumm pietistischen nicht zu reden), so gibt es im besten Fall eine lahme Ehe, wahrscheinlich eine unglückselige. Das Weib wird dir zuerst langweilig, dann nach und nach verhaßt werden. Nun ist aber die Mehrzahl der Weiber natürlich höchst zufrieden mit der geläufigen Lösung des Welträthsels: der liebe Gott hat die Dinge eben so gemacht, Punktum. Und da das Weib äußerst zur Wohlweisheit neigt, ist es auch fähig, einen Mann, der weiter denkt, lächerlich zu finden, sogar ihm noch zu predigen. Ergo: du thust unter Anderem auch darum gut, nicht zu heirathen.
ſondern der raſche oder der warme Blick thut; mit der Logik kann man ja kein Ganzes einholen.
Anders, wo es auf Logik ankommt, da können ſie abſcheulich werden.
Biſt du irgend ein Menſch, der gern nachdenkt, und willſt heirathen, ſo nimm ja kein Weib, außer ein philoſophiſches. Unter philoſophiſch verſtehe ich hier eigentlich das Gegentheil von philoſophiſch und doch auch wieder nicht das Gegentheil. Das Weib ſoll nur ſo viel des Ahnenden in ſich haben, daß ſie fühlt: mit Gemeinplätzen iſt es nicht gethan. Erwiſcheſt du ein Weib — es mag in weltlichen Dingen noch ſo geſcheut ſein — in göttlichen Dingen platt rationa¬ liſtiſch (von dumm pietiſtiſchen nicht zu reden), ſo gibt es im beſten Fall eine lahme Ehe, wahrſcheinlich eine unglückſelige. Das Weib wird dir zuerſt langweilig, dann nach und nach verhaßt werden. Nun iſt aber die Mehrzahl der Weiber natürlich höchſt zufrieden mit der geläufigen Löſung des Welträthſels: der liebe Gott hat die Dinge eben ſo gemacht, Punktum. Und da das Weib äußerſt zur Wohlweisheit neigt, iſt es auch fähig, einen Mann, der weiter denkt, lächerlich zu finden, ſogar ihm noch zu predigen. Ergo: du thuſt unter Anderem auch darum gut, nicht zu heirathen.
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0248"n="235"/>ſondern der raſche oder der warme Blick thut; mit<lb/>
der Logik kann man ja kein Ganzes einholen.</p><lb/><p>Anders, wo es auf Logik ankommt, da können ſie<lb/>
abſcheulich werden.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Biſt du irgend ein Menſch, der gern nachdenkt,<lb/>
und willſt heirathen, ſo nimm ja kein Weib, außer<lb/>
ein philoſophiſches. Unter philoſophiſch verſtehe ich<lb/>
hier eigentlich das Gegentheil von philoſophiſch und<lb/>
doch auch wieder nicht das Gegentheil. Das Weib<lb/>ſoll nur ſo viel des Ahnenden in ſich haben, daß ſie<lb/>
fühlt: mit Gemeinplätzen iſt es nicht gethan. Erwiſcheſt<lb/>
du ein Weib — es mag in weltlichen Dingen noch<lb/>ſo geſcheut ſein — in göttlichen Dingen platt rationa¬<lb/>
liſtiſch (von dumm pietiſtiſchen nicht zu reden), ſo gibt<lb/>
es im beſten Fall eine lahme Ehe, wahrſcheinlich eine<lb/>
unglückſelige. Das Weib wird dir zuerſt langweilig,<lb/>
dann nach und nach verhaßt werden. Nun iſt aber<lb/>
die Mehrzahl der Weiber natürlich höchſt zufrieden mit<lb/>
der geläufigen Löſung des Welträthſels: der liebe Gott<lb/>
hat die Dinge eben ſo gemacht, Punktum. Und da<lb/>
das Weib äußerſt zur Wohlweisheit neigt, iſt es auch<lb/>
fähig, einen Mann, der weiter denkt, lächerlich zu<lb/>
finden, ſogar ihm noch zu predigen. <hirendition="#fr">Ergo</hi>: du thuſt<lb/>
unter Anderem auch darum gut, nicht zu heirathen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[235/0248]
ſondern der raſche oder der warme Blick thut; mit
der Logik kann man ja kein Ganzes einholen.
Anders, wo es auf Logik ankommt, da können ſie
abſcheulich werden.
Biſt du irgend ein Menſch, der gern nachdenkt,
und willſt heirathen, ſo nimm ja kein Weib, außer
ein philoſophiſches. Unter philoſophiſch verſtehe ich
hier eigentlich das Gegentheil von philoſophiſch und
doch auch wieder nicht das Gegentheil. Das Weib
ſoll nur ſo viel des Ahnenden in ſich haben, daß ſie
fühlt: mit Gemeinplätzen iſt es nicht gethan. Erwiſcheſt
du ein Weib — es mag in weltlichen Dingen noch
ſo geſcheut ſein — in göttlichen Dingen platt rationa¬
liſtiſch (von dumm pietiſtiſchen nicht zu reden), ſo gibt
es im beſten Fall eine lahme Ehe, wahrſcheinlich eine
unglückſelige. Das Weib wird dir zuerſt langweilig,
dann nach und nach verhaßt werden. Nun iſt aber
die Mehrzahl der Weiber natürlich höchſt zufrieden mit
der geläufigen Löſung des Welträthſels: der liebe Gott
hat die Dinge eben ſo gemacht, Punktum. Und da
das Weib äußerſt zur Wohlweisheit neigt, iſt es auch
fähig, einen Mann, der weiter denkt, lächerlich zu
finden, ſogar ihm noch zu predigen. Ergo: du thuſt
unter Anderem auch darum gut, nicht zu heirathen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/248>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.