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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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sondern der rasche oder der warme Blick thut; mit
der Logik kann man ja kein Ganzes einholen.

Anders, wo es auf Logik ankommt, da können sie
abscheulich werden.


Bist du irgend ein Mensch, der gern nachdenkt,
und willst heirathen, so nimm ja kein Weib, außer
ein philosophisches. Unter philosophisch verstehe ich
hier eigentlich das Gegentheil von philosophisch und
doch auch wieder nicht das Gegentheil. Das Weib
soll nur so viel des Ahnenden in sich haben, daß sie
fühlt: mit Gemeinplätzen ist es nicht gethan. Erwischest
du ein Weib -- es mag in weltlichen Dingen noch
so gescheut sein -- in göttlichen Dingen platt rationa¬
listisch (von dumm pietistischen nicht zu reden), so gibt
es im besten Fall eine lahme Ehe, wahrscheinlich eine
unglückselige. Das Weib wird dir zuerst langweilig,
dann nach und nach verhaßt werden. Nun ist aber
die Mehrzahl der Weiber natürlich höchst zufrieden mit
der geläufigen Lösung des Welträthsels: der liebe Gott
hat die Dinge eben so gemacht, Punktum. Und da
das Weib äußerst zur Wohlweisheit neigt, ist es auch
fähig, einen Mann, der weiter denkt, lächerlich zu
finden, sogar ihm noch zu predigen. Ergo: du thust
unter Anderem auch darum gut, nicht zu heirathen.


ſondern der raſche oder der warme Blick thut; mit
der Logik kann man ja kein Ganzes einholen.

Anders, wo es auf Logik ankommt, da können ſie
abſcheulich werden.


Biſt du irgend ein Menſch, der gern nachdenkt,
und willſt heirathen, ſo nimm ja kein Weib, außer
ein philoſophiſches. Unter philoſophiſch verſtehe ich
hier eigentlich das Gegentheil von philoſophiſch und
doch auch wieder nicht das Gegentheil. Das Weib
ſoll nur ſo viel des Ahnenden in ſich haben, daß ſie
fühlt: mit Gemeinplätzen iſt es nicht gethan. Erwiſcheſt
du ein Weib — es mag in weltlichen Dingen noch
ſo geſcheut ſein — in göttlichen Dingen platt rationa¬
liſtiſch (von dumm pietiſtiſchen nicht zu reden), ſo gibt
es im beſten Fall eine lahme Ehe, wahrſcheinlich eine
unglückſelige. Das Weib wird dir zuerſt langweilig,
dann nach und nach verhaßt werden. Nun iſt aber
die Mehrzahl der Weiber natürlich höchſt zufrieden mit
der geläufigen Löſung des Welträthſels: der liebe Gott
hat die Dinge eben ſo gemacht, Punktum. Und da
das Weib äußerſt zur Wohlweisheit neigt, iſt es auch
fähig, einen Mann, der weiter denkt, lächerlich zu
finden, ſogar ihm noch zu predigen. Ergo: du thuſt
unter Anderem auch darum gut, nicht zu heirathen.


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[235/0248] ſondern der raſche oder der warme Blick thut; mit der Logik kann man ja kein Ganzes einholen. Anders, wo es auf Logik ankommt, da können ſie abſcheulich werden. Biſt du irgend ein Menſch, der gern nachdenkt, und willſt heirathen, ſo nimm ja kein Weib, außer ein philoſophiſches. Unter philoſophiſch verſtehe ich hier eigentlich das Gegentheil von philoſophiſch und doch auch wieder nicht das Gegentheil. Das Weib ſoll nur ſo viel des Ahnenden in ſich haben, daß ſie fühlt: mit Gemeinplätzen iſt es nicht gethan. Erwiſcheſt du ein Weib — es mag in weltlichen Dingen noch ſo geſcheut ſein — in göttlichen Dingen platt rationa¬ liſtiſch (von dumm pietiſtiſchen nicht zu reden), ſo gibt es im beſten Fall eine lahme Ehe, wahrſcheinlich eine unglückſelige. Das Weib wird dir zuerſt langweilig, dann nach und nach verhaßt werden. Nun iſt aber die Mehrzahl der Weiber natürlich höchſt zufrieden mit der geläufigen Löſung des Welträthſels: der liebe Gott hat die Dinge eben ſo gemacht, Punktum. Und da das Weib äußerſt zur Wohlweisheit neigt, iſt es auch fähig, einen Mann, der weiter denkt, lächerlich zu finden, ſogar ihm noch zu predigen. Ergo: du thuſt unter Anderem auch darum gut, nicht zu heirathen.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/248>, abgerufen am 23.11.2024.