zum Fest, ein alter, dicker geistlicher Herr steht dabei und fädelt ihr ein, mit großer Brille auf der Nase.
Und nun heut Abend! In der Kapelle der ganze neue Kindszeug ausgestellt: Häubchen, Kittelchen für's Christkind. Gedräng dahin von Mädchen, Frauen. "Ma, quanto grazioso! che carino!" -- Man muß immer wieder lachen. Die Menschen bleiben Kinder.
Bologna. Akademie. Wie wird mir nun meine Vorstellung von diesem Pietro Perugino zur Wahrheit! Zu den Menschen da unten, die in unsagbarer Sehn¬ sucht hinaufweinen, wie, mit welchem Blick der Un¬ endlichkeit neigt aus geöffnetem Himmel die Jungfrau sich herab! Dabei Alles noch grundnaiv, auch die mandorla, die Mandelform der Oeffnung des Him¬ mels. Und doch Farbe schon tief warm, leuchtend von Seele.
Florenz. Hier Nachts im Mondschein! Da wandle mit Andacht! Wo wären wir ohne diesen Quellpunkt aller neueren Bildung? Barbaren, nichts weiter. Dort im Garten lehrten die Griechen. Dann all' die Dichter und Künstler! Die Geisterluft, die von
zum Feſt, ein alter, dicker geiſtlicher Herr ſteht dabei und fädelt ihr ein, mit großer Brille auf der Naſe.
Und nun heut Abend! In der Kapelle der ganze neue Kindszeug ausgeſtellt: Häubchen, Kittelchen für's Chriſtkind. Gedräng dahin von Mädchen, Frauen. „Ma, quanto grazioso! che carino!“ — Man muß immer wieder lachen. Die Menſchen bleiben Kinder.
Bologna. Akademie. Wie wird mir nun meine Vorſtellung von dieſem Pietro Perugino zur Wahrheit! Zu den Menſchen da unten, die in unſagbarer Sehn¬ ſucht hinaufweinen, wie, mit welchem Blick der Un¬ endlichkeit neigt aus geöffnetem Himmel die Jungfrau ſich herab! Dabei Alles noch grundnaiv, auch die mandorla, die Mandelform der Oeffnung des Him¬ mels. Und doch Farbe ſchon tief warm, leuchtend von Seele.
Florenz. Hier Nachts im Mondſchein! Da wandle mit Andacht! Wo wären wir ohne dieſen Quellpunkt aller neueren Bildung? Barbaren, nichts weiter. Dort im Garten lehrten die Griechen. Dann all' die Dichter und Künſtler! Die Geiſterluft, die von
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zum Feſt, ein alter, dicker geiſtlicher Herr ſteht dabei
und fädelt ihr ein, mit großer Brille auf der Naſe.
Und nun heut Abend! In der Kapelle der ganze
neue Kindszeug ausgeſtellt: Häubchen, Kittelchen für's
Chriſtkind. Gedräng dahin von Mädchen, Frauen.
„Ma, quanto grazioso! che carino!“ — Man muß
immer wieder lachen. Die Menſchen bleiben Kinder.
Bologna. Akademie. Wie wird mir nun meine
Vorſtellung von dieſem Pietro Perugino zur Wahrheit!
Zu den Menſchen da unten, die in unſagbarer Sehn¬
ſucht hinaufweinen, wie, mit welchem Blick der Un¬
endlichkeit neigt aus geöffnetem Himmel die Jungfrau
ſich herab! Dabei Alles noch grundnaiv, auch die
mandorla, die Mandelform der Oeffnung des Him¬
mels. Und doch Farbe ſchon tief warm, leuchtend
von Seele.
Florenz. Hier Nachts im Mondſchein! Da
wandle mit Andacht! Wo wären wir ohne dieſen
Quellpunkt aller neueren Bildung? Barbaren, nichts
weiter. Dort im Garten lehrten die Griechen. Dann
all' die Dichter und Künſtler! Die Geiſterluft, die von
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/266>, abgerufen am 27.11.2024.
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