Wir Alle -- wer nämlich in Wahrheit lebt. Wunden¬ male Christi -- erfahren haben, was heißt: Mensch sein. Nur aber fort mit dem Heiligengeruch! -- Warum mußte er heilig werden, genügte es nicht, daß er gut war? Ich mag ihn, seit ich seinen Hymnus kenne, jenen Hochgesang, worin er in seinem ehrlichen Altitalienisch den Allmächtigen preist, daß er geschaffen hat Herrn Bruder Sonn -- misser lu frate Sol --, der da schön und strahlend ist mit viel Glanz, daß er uns erleuchte für ihn, und Schwester Luna und die Sterne, die er am Himmel gebildet hat klar und kostbar und schön, Bruder Wind und Luft und Wolken und heiteres und jeder Art Wetter, die den Kreaturen ihren Unterhalt geben, Schwester Wasser, welche sehr nützlich und niedrig und köstlich und keusch ist, und Bruder Feuer, welcher ist schön und lustig und gewaltig stark, und unsre Mutter Erde, die uns trägt und führt und hervorbringt mancherlei Früchte und farbige Blumen und Kräuter. -- Und am Schluß preist er den Herrn noch für den Tod, er ist ihm weiblich (la morte) und er nennt ihn unsere Schwester.
Die Tante gefunden, gesprochen. Frau Cornelia Ruggieri. Entfernte Aehnlichkeit, mehr latinisch. Gute Frau, echt katholisch, doch ohne Gift. Man sei sich etwas fremd geworden, seit ihre Schwester nach Schott¬
Wir Alle — wer nämlich in Wahrheit lebt. Wunden¬ male Chriſti — erfahren haben, was heißt: Menſch ſein. Nur aber fort mit dem Heiligengeruch! — Warum mußte er heilig werden, genügte es nicht, daß er gut war? Ich mag ihn, ſeit ich ſeinen Hymnus kenne, jenen Hochgeſang, worin er in ſeinem ehrlichen Altitalieniſch den Allmächtigen preist, daß er geſchaffen hat Herrn Bruder Sonn — misser lu frate Sol —, der da ſchön und ſtrahlend iſt mit viel Glanz, daß er uns erleuchte für ihn, und Schweſter Luna und die Sterne, die er am Himmel gebildet hat klar und koſtbar und ſchön, Bruder Wind und Luft und Wolken und heiteres und jeder Art Wetter, die den Kreaturen ihren Unterhalt geben, Schweſter Waſſer, welche ſehr nützlich und niedrig und köſtlich und keuſch iſt, und Bruder Feuer, welcher iſt ſchön und luſtig und gewaltig ſtark, und unſre Mutter Erde, die uns trägt und führt und hervorbringt mancherlei Früchte und farbige Blumen und Kräuter. — Und am Schluß preiſt er den Herrn noch für den Tod, er iſt ihm weiblich (la morte) und er nennt ihn unſere Schweſter.
Die Tante gefunden, geſprochen. Frau Cornelia Ruggieri. Entfernte Aehnlichkeit, mehr latiniſch. Gute Frau, echt katholiſch, doch ohne Gift. Man ſei ſich etwas fremd geworden, ſeit ihre Schweſter nach Schott¬
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0276"n="263"/>
Wir Alle — wer nämlich in Wahrheit lebt. Wunden¬<lb/>
male Chriſti — erfahren haben, was heißt: Menſch<lb/>ſein. Nur aber fort mit dem Heiligengeruch! —<lb/>
Warum mußte er heilig werden, genügte es nicht, daß<lb/>
er gut war? Ich mag ihn, ſeit ich ſeinen Hymnus<lb/>
kenne, jenen Hochgeſang, worin er in ſeinem ehrlichen<lb/>
Altitalieniſch den Allmächtigen preist, daß er geſchaffen<lb/>
hat Herrn Bruder Sonn —<hirendition="#aq">misser lu frate Sol</hi><lb/>—, der da ſchön und ſtrahlend iſt mit viel Glanz,<lb/>
daß er uns erleuchte <hirendition="#g">für ihn</hi>, und Schweſter Luna<lb/>
und die Sterne, die er am Himmel gebildet hat klar<lb/>
und koſtbar und ſchön, Bruder Wind und Luft und<lb/>
Wolken und heiteres und jeder Art Wetter, die den<lb/>
Kreaturen ihren Unterhalt geben, Schweſter Waſſer,<lb/>
welche ſehr nützlich und niedrig und köſtlich und keuſch<lb/>
iſt, und Bruder Feuer, welcher iſt ſchön und luſtig<lb/>
und gewaltig ſtark, und unſre Mutter Erde, die uns<lb/>
trägt und führt und hervorbringt mancherlei Früchte<lb/>
und farbige Blumen und Kräuter. — Und am Schluß<lb/>
preiſt er den Herrn noch für den Tod, er iſt ihm<lb/>
weiblich (<hirendition="#aq">la morte</hi>) und er nennt ihn unſere Schweſter.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die Tante gefunden, geſprochen. Frau Cornelia<lb/>
Ruggieri. Entfernte Aehnlichkeit, mehr latiniſch. Gute<lb/>
Frau, echt katholiſch, doch ohne Gift. Man ſei ſich<lb/>
etwas fremd geworden, ſeit ihre Schweſter nach Schott¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[263/0276]
Wir Alle — wer nämlich in Wahrheit lebt. Wunden¬
male Chriſti — erfahren haben, was heißt: Menſch
ſein. Nur aber fort mit dem Heiligengeruch! —
Warum mußte er heilig werden, genügte es nicht, daß
er gut war? Ich mag ihn, ſeit ich ſeinen Hymnus
kenne, jenen Hochgeſang, worin er in ſeinem ehrlichen
Altitalieniſch den Allmächtigen preist, daß er geſchaffen
hat Herrn Bruder Sonn — misser lu frate Sol
—, der da ſchön und ſtrahlend iſt mit viel Glanz,
daß er uns erleuchte für ihn, und Schweſter Luna
und die Sterne, die er am Himmel gebildet hat klar
und koſtbar und ſchön, Bruder Wind und Luft und
Wolken und heiteres und jeder Art Wetter, die den
Kreaturen ihren Unterhalt geben, Schweſter Waſſer,
welche ſehr nützlich und niedrig und köſtlich und keuſch
iſt, und Bruder Feuer, welcher iſt ſchön und luſtig
und gewaltig ſtark, und unſre Mutter Erde, die uns
trägt und führt und hervorbringt mancherlei Früchte
und farbige Blumen und Kräuter. — Und am Schluß
preiſt er den Herrn noch für den Tod, er iſt ihm
weiblich (la morte) und er nennt ihn unſere Schweſter.
Die Tante gefunden, geſprochen. Frau Cornelia
Ruggieri. Entfernte Aehnlichkeit, mehr latiniſch. Gute
Frau, echt katholiſch, doch ohne Gift. Man ſei ſich
etwas fremd geworden, ſeit ihre Schweſter nach Schott¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/276>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.