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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Ich tauge eben nicht in Familiengesellschaften.
Kann ja jetzt auch besser Abends zu Haus bleiben,
seit Frau Hedwig Haus hält, und etwas plaudern.
War das eine verfluchte Geschichte bei dem Stadt¬
pfarrer Zunger, wo ich sonst nicht ungern, weil bür¬
gerliche Bildung. Wieder Choralgespiel. Lachkrampf
über dem "verhärteten". Gerade recht, daß ich durch¬
brennen mußte, so konnte die treffliche Frau Stadt¬
pfarrerin doch ihr unerträgliches Thema nicht fort¬
setzen. Will mir kuppeln. "Es ist nicht gut, daß
der Mensch allein sei" und dergleichen. Hat mich
schon einmal ganz wild gemacht. Frau Hedwig ver¬
steht's besser, begreift, daß man mich damit in Ruhe
lassen soll, daß ich einsamer, freier Mensch sein muß,
gesellig nur, wenn ich mag und bedarf. Liebt die
Thiere; hat mir den jungen Kater eingethan, wahr¬
scheinlich echt ägyptischer Abkunft, blaßgelb, geströmt.
Hilft mir, nachdem es nichts war mit der Ida, bessern
Hund suchen.


Vortreffliche, vernünftige Art, diese hülfreiche Base.
Nüchtern, nie aufgeregt. Kann sogar rechnen. Wenn
es nur nicht vier Spezies gäbe, das ist zu viel; ich
bringe es über Addiren nicht mehr hinaus. -- Und
hat doch auch Phantasietalent. Lernt; versteht die
Tücke des Objekts und wie gerecht dagegen die Justiz¬

Ich tauge eben nicht in Familiengeſellſchaften.
Kann ja jetzt auch beſſer Abends zu Haus bleiben,
ſeit Frau Hedwig Haus hält, und etwas plaudern.
War das eine verfluchte Geſchichte bei dem Stadt¬
pfarrer Zunger, wo ich ſonſt nicht ungern, weil bür¬
gerliche Bildung. Wieder Choralgeſpiel. Lachkrampf
über dem „verhärteten“. Gerade recht, daß ich durch¬
brennen mußte, ſo konnte die treffliche Frau Stadt¬
pfarrerin doch ihr unerträgliches Thema nicht fort¬
ſetzen. Will mir kuppeln. „Es iſt nicht gut, daß
der Menſch allein ſei“ und dergleichen. Hat mich
ſchon einmal ganz wild gemacht. Frau Hedwig ver¬
ſteht's beſſer, begreift, daß man mich damit in Ruhe
laſſen ſoll, daß ich einſamer, freier Menſch ſein muß,
geſellig nur, wenn ich mag und bedarf. Liebt die
Thiere; hat mir den jungen Kater eingethan, wahr¬
ſcheinlich echt ägyptiſcher Abkunft, blaßgelb, geſtrömt.
Hilft mir, nachdem es nichts war mit der Ida, beſſern
Hund ſuchen.


Vortreffliche, vernünftige Art, dieſe hülfreiche Baſe.
Nüchtern, nie aufgeregt. Kann ſogar rechnen. Wenn
es nur nicht vier Spezies gäbe, das iſt zu viel; ich
bringe es über Addiren nicht mehr hinaus. — Und
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[287/0300] Ich tauge eben nicht in Familiengeſellſchaften. Kann ja jetzt auch beſſer Abends zu Haus bleiben, ſeit Frau Hedwig Haus hält, und etwas plaudern. War das eine verfluchte Geſchichte bei dem Stadt¬ pfarrer Zunger, wo ich ſonſt nicht ungern, weil bür¬ gerliche Bildung. Wieder Choralgeſpiel. Lachkrampf über dem „verhärteten“. Gerade recht, daß ich durch¬ brennen mußte, ſo konnte die treffliche Frau Stadt¬ pfarrerin doch ihr unerträgliches Thema nicht fort¬ ſetzen. Will mir kuppeln. „Es iſt nicht gut, daß der Menſch allein ſei“ und dergleichen. Hat mich ſchon einmal ganz wild gemacht. Frau Hedwig ver¬ ſteht's beſſer, begreift, daß man mich damit in Ruhe laſſen ſoll, daß ich einſamer, freier Menſch ſein muß, geſellig nur, wenn ich mag und bedarf. Liebt die Thiere; hat mir den jungen Kater eingethan, wahr¬ ſcheinlich echt ägyptiſcher Abkunft, blaßgelb, geſtrömt. Hilft mir, nachdem es nichts war mit der Ida, beſſern Hund ſuchen. Vortreffliche, vernünftige Art, dieſe hülfreiche Baſe. Nüchtern, nie aufgeregt. Kann ſogar rechnen. Wenn es nur nicht vier Spezies gäbe, das iſt zu viel; ich bringe es über Addiren nicht mehr hinaus. — Und hat doch auch Phantaſietalent. Lernt; verſteht die Tücke des Objekts und wie gerecht dagegen die Juſtiz¬

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/300>, abgerufen am 24.11.2024.