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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Recht. Habe mich doch oft vergessen, bin aufgethaut,
wenn ich von Gram und Verdruß zu Stein, zur
starren Maske gefroren unter die Menschen kam, eine
Mehrheit von Augen wirkt erweckend auf mich.


Das war ein Tag! Wetter: oberer Föhn bei
unterem unverschämtem, injuriösem, rechtsverletzendem
Nordwestwind, der mir meinen Hut nimmt, den ich
doch um mein Geld erstanden habe und daher als recht¬
mäßiger Eigenthümer besitze. Nerven und Gehirn elek¬
trisch durchzuckt, Blut kochend, Haut stechend. Den¬
noch und auch unterschiedlichen Teufeln zum Trotz den
ganzen Tag scharf gearbeitet. Abends sehr Erholung,
Ausspannung bedurft. In Gesellschaft. Und hier?
fängt erst die rechte Folter an. Zu acht an einem
Tisch, eine Zahl, durchaus nicht zu groß, um recht
gut noch eine gemeinschaftliche Unterhaltung zu erlau¬
ben. Beginnt folgendes liebliche Spiel:

A eröffnet mit C ein Sondergespräch, dann E
mit G, dann H mit F, und D foltert mich B, ich
soll mit ihm eines führen. Da jedes dieser vier
Sondergespräche das andere übertrommelt, so fangen
Alle das Schreien an und nun hört man das eigene
Wort nicht mehr. Ich suche auszuwickeln, suche laut
ein Gespräch für Alle auf's Tapet zu bringen, --
vergeblich, Niemand begreift mich.

Recht. Habe mich doch oft vergeſſen, bin aufgethaut,
wenn ich von Gram und Verdruß zu Stein, zur
ſtarren Maske gefroren unter die Menſchen kam, eine
Mehrheit von Augen wirkt erweckend auf mich.


Das war ein Tag! Wetter: oberer Föhn bei
unterem unverſchämtem, injuriöſem, rechtsverletzendem
Nordweſtwind, der mir meinen Hut nimmt, den ich
doch um mein Geld erſtanden habe und daher als recht¬
mäßiger Eigenthümer beſitze. Nerven und Gehirn elek¬
triſch durchzuckt, Blut kochend, Haut ſtechend. Den¬
noch und auch unterſchiedlichen Teufeln zum Trotz den
ganzen Tag ſcharf gearbeitet. Abends ſehr Erholung,
Ausſpannung bedurft. In Geſellſchaft. Und hier?
fängt erſt die rechte Folter an. Zu acht an einem
Tiſch, eine Zahl, durchaus nicht zu groß, um recht
gut noch eine gemeinſchaftliche Unterhaltung zu erlau¬
ben. Beginnt folgendes liebliche Spiel:

A eröffnet mit C ein Sondergeſpräch, dann E
mit G, dann H mit F, und D foltert mich B, ich
ſoll mit ihm eines führen. Da jedes dieſer vier
Sondergeſpräche das andere übertrommelt, ſo fangen
Alle das Schreien an und nun hört man das eigene
Wort nicht mehr. Ich ſuche auszuwickeln, ſuche laut
ein Geſpräch für Alle auf's Tapet zu bringen, —
vergeblich, Niemand begreift mich.

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[316/0329] Recht. Habe mich doch oft vergeſſen, bin aufgethaut, wenn ich von Gram und Verdruß zu Stein, zur ſtarren Maske gefroren unter die Menſchen kam, eine Mehrheit von Augen wirkt erweckend auf mich. Das war ein Tag! Wetter: oberer Föhn bei unterem unverſchämtem, injuriöſem, rechtsverletzendem Nordweſtwind, der mir meinen Hut nimmt, den ich doch um mein Geld erſtanden habe und daher als recht¬ mäßiger Eigenthümer beſitze. Nerven und Gehirn elek¬ triſch durchzuckt, Blut kochend, Haut ſtechend. Den¬ noch und auch unterſchiedlichen Teufeln zum Trotz den ganzen Tag ſcharf gearbeitet. Abends ſehr Erholung, Ausſpannung bedurft. In Geſellſchaft. Und hier? fängt erſt die rechte Folter an. Zu acht an einem Tiſch, eine Zahl, durchaus nicht zu groß, um recht gut noch eine gemeinſchaftliche Unterhaltung zu erlau¬ ben. Beginnt folgendes liebliche Spiel: A eröffnet mit C ein Sondergeſpräch, dann E mit G, dann H mit F, und D foltert mich B, ich ſoll mit ihm eines führen. Da jedes dieſer vier Sondergeſpräche das andere übertrommelt, ſo fangen Alle das Schreien an und nun hört man das eigene Wort nicht mehr. Ich ſuche auszuwickeln, ſuche laut ein Geſpräch für Alle auf's Tapet zu bringen, — vergeblich, Niemand begreift mich.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/329>, abgerufen am 24.11.2024.