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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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steinigen Abhang, und zwar ohne Anstoß, aber auf
der bequemen Landstraße angekommen, machte er durch
unnöthiges Zockeln sein Pferd unruhig, es scheute an
einem Papierblatt auf dem Wege, stieg, croupirte, fiel
mit ihm und er konnte noch von Glück sagen, daß er
mit verletzten Fußsehnen davonkam. So erfuhr man
es von einem Augenzeugen, er selbst wetterte auf die
bösen Geister, die ihm Solches angethan, während er
doch so vorsichtig sei. Sie können sich denken, wie
schlecht er die Geduldprobe des langen Stillhaltens,
Schonens, nachdauernden Hinkens in so drangvoller
Zeit bestanden hat. Inzwischen wurde das kriegerische
Vorhaben ohnedieß vereitelt, da die Regierung, nachdem
sie sich zuerst geneigt erwiesen, am Ende doch abschlägig
beschied. So war es denn kein Wunder, wenn die
klare und freie Stimmung, die A. E. von der Reise
mitgebracht hatte, nicht vorhielt. Aber es war da
noch etwas Anderes, als Mislaune; wäre es diese
allein gewesen, sie hätte den Siegesbotschaften, wie sie
sich auf dem Fuße folgten, doch nicht zu widerstehen
vermocht. Sie entzückten ihn auch, aber dahinter stieg
ein dunkler Geist in ihm auf, den ich anfangs nicht
enträthseln konnte, der erst nach und nach durch bestimm¬
tere Aeußerungen mir verständlich wurde. ,Ich bin der
Eulenspiegel,' sagte er einmal, ,der heult, wann's lustig
bergab geht.' Als der Tag von Sedan kam, rief er,
sichtbar den Jubel der Seele unterdrückend: ,Ach Gott,

ſteinigen Abhang, und zwar ohne Anſtoß, aber auf
der bequemen Landſtraße angekommen, machte er durch
unnöthiges Zockeln ſein Pferd unruhig, es ſcheute an
einem Papierblatt auf dem Wege, ſtieg, croupirte, fiel
mit ihm und er konnte noch von Glück ſagen, daß er
mit verletzten Fußſehnen davonkam. So erfuhr man
es von einem Augenzeugen, er ſelbſt wetterte auf die
böſen Geiſter, die ihm Solches angethan, während er
doch ſo vorſichtig ſei. Sie können ſich denken, wie
ſchlecht er die Geduldprobe des langen Stillhaltens,
Schonens, nachdauernden Hinkens in ſo drangvoller
Zeit beſtanden hat. Inzwiſchen wurde das kriegeriſche
Vorhaben ohnedieß vereitelt, da die Regierung, nachdem
ſie ſich zuerſt geneigt erwieſen, am Ende doch abſchlägig
beſchied. So war es denn kein Wunder, wenn die
klare und freie Stimmung, die A. E. von der Reiſe
mitgebracht hatte, nicht vorhielt. Aber es war da
noch etwas Anderes, als Mislaune; wäre es dieſe
allein geweſen, ſie hätte den Siegesbotſchaften, wie ſie
ſich auf dem Fuße folgten, doch nicht zu widerſtehen
vermocht. Sie entzückten ihn auch, aber dahinter ſtieg
ein dunkler Geiſt in ihm auf, den ich anfangs nicht
enträthſeln konnte, der erſt nach und nach durch beſtimm¬
tere Aeußerungen mir verſtändlich wurde. ‚Ich bin der
Eulenſpiegel,' ſagte er einmal, ‚der heult, wann's luſtig
bergab geht.' Als der Tag von Sedan kam, rief er,
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[20/0033] ſteinigen Abhang, und zwar ohne Anſtoß, aber auf der bequemen Landſtraße angekommen, machte er durch unnöthiges Zockeln ſein Pferd unruhig, es ſcheute an einem Papierblatt auf dem Wege, ſtieg, croupirte, fiel mit ihm und er konnte noch von Glück ſagen, daß er mit verletzten Fußſehnen davonkam. So erfuhr man es von einem Augenzeugen, er ſelbſt wetterte auf die böſen Geiſter, die ihm Solches angethan, während er doch ſo vorſichtig ſei. Sie können ſich denken, wie ſchlecht er die Geduldprobe des langen Stillhaltens, Schonens, nachdauernden Hinkens in ſo drangvoller Zeit beſtanden hat. Inzwiſchen wurde das kriegeriſche Vorhaben ohnedieß vereitelt, da die Regierung, nachdem ſie ſich zuerſt geneigt erwieſen, am Ende doch abſchlägig beſchied. So war es denn kein Wunder, wenn die klare und freie Stimmung, die A. E. von der Reiſe mitgebracht hatte, nicht vorhielt. Aber es war da noch etwas Anderes, als Mislaune; wäre es dieſe allein geweſen, ſie hätte den Siegesbotſchaften, wie ſie ſich auf dem Fuße folgten, doch nicht zu widerſtehen vermocht. Sie entzückten ihn auch, aber dahinter ſtieg ein dunkler Geiſt in ihm auf, den ich anfangs nicht enträthſeln konnte, der erſt nach und nach durch beſtimm¬ tere Aeußerungen mir verſtändlich wurde. ‚Ich bin der Eulenſpiegel,' ſagte er einmal, ‚der heult, wann's luſtig bergab geht.' Als der Tag von Sedan kam, rief er, ſichtbar den Jubel der Seele unterdrückend: ‚Ach Gott,

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/33>, abgerufen am 21.11.2024.