hagerer Pfaff. Wir kommen auf Klosterwesen, Cölibat, weiter auf anderes Ungesunde der katholischen Kirche zu sprechen, ganz gesetzt, ernsthaft. Der Pfaff drau¬ ßen horcht mit halbgewendetem Kopf. Der Wagen hält einige Minuten. Schaut der Pfaff herein mit durchbohrendem Blick und ruft mit Stentorstimme: "Signori, la morte!" -- Er meinte, er dürfe das Wort nur nennen, so werde es uns wie ein Donner¬ wetter in die Eingeweide fahren. -- Es war nicht möglich, nicht zu lachen. -- Aber belehrend: da sieht man, an was die Schauspieler den armen, feigen Menschenpöbel packen. -- Fürchte den Tod nicht und dir kann kein Pfaff bei! --
Einer der Italiener hat etwas höchst Treffendes gesagt. Ich lobte die Reformation, ich sagte, sie sei die unentbehrliche sittliche Ergänzung zur Renaissance; die Italiener sollten sie irgendwie nachholen, sich beeilen, aus ihrer Kirche hinauszukommen. "Va bene," sagt der Herr, "ma poi anderemo piu lontano che voi Tedeschi, che vi siete fermati nella prima osteria." Wie wahr! Wie hat es die Reformation verderbt, daß sie sich gleich wieder in eine Kirche einschloß mit Dogmengezänk, wie ein Fußreisender, der im ersten Wirthshaus hängen bleibt.
hagerer Pfaff. Wir kommen auf Kloſterweſen, Cölibat, weiter auf anderes Ungeſunde der katholiſchen Kirche zu ſprechen, ganz geſetzt, ernſthaft. Der Pfaff drau¬ ßen horcht mit halbgewendetem Kopf. Der Wagen hält einige Minuten. Schaut der Pfaff herein mit durchbohrendem Blick und ruft mit Stentorſtimme: „Signori, la morte!“ — Er meinte, er dürfe das Wort nur nennen, ſo werde es uns wie ein Donner¬ wetter in die Eingeweide fahren. — Es war nicht möglich, nicht zu lachen. — Aber belehrend: da ſieht man, an was die Schauſpieler den armen, feigen Menſchenpöbel packen. — Fürchte den Tod nicht und dir kann kein Pfaff bei! —
Einer der Italiener hat etwas höchſt Treffendes geſagt. Ich lobte die Reformation, ich ſagte, ſie ſei die unentbehrliche ſittliche Ergänzung zur Renaiſſance; die Italiener ſollten ſie irgendwie nachholen, ſich beeilen, aus ihrer Kirche hinauszukommen. „Va bene,“ ſagt der Herr, „ma poi anderemo più lontano che voi Tedeschi, che vi siete fermati nella prima osteria.“ Wie wahr! Wie hat es die Reformation verderbt, daß ſie ſich gleich wieder in eine Kirche einſchloß mit Dogmengezänk, wie ein Fußreiſender, der im erſten Wirthshaus hängen bleibt.
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hagerer Pfaff. Wir kommen auf Kloſterweſen, Cölibat,
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zu ſprechen, ganz geſetzt, ernſthaft. Der Pfaff drau¬
ßen horcht mit halbgewendetem Kopf. Der Wagen
hält einige Minuten. Schaut der Pfaff herein mit
durchbohrendem Blick und ruft mit Stentorſtimme:
„Signori, la morte!“ — Er meinte, er dürfe das
Wort nur nennen, ſo werde es uns wie ein Donner¬
wetter in die Eingeweide fahren. — Es war nicht
möglich, nicht zu lachen. — Aber belehrend: da ſieht
man, an was die Schauſpieler den armen, feigen
Menſchenpöbel packen. — Fürchte den Tod nicht und
dir kann kein Pfaff bei! —
Einer der Italiener hat etwas höchſt Treffendes
geſagt. Ich lobte die Reformation, ich ſagte, ſie ſei
die unentbehrliche ſittliche Ergänzung zur Renaiſſance;
die Italiener ſollten ſie irgendwie nachholen, ſich beeilen,
aus ihrer Kirche hinauszukommen. „Va bene,“ ſagt
der Herr, „ma poi anderemo più lontano che voi
Tedeschi, che vi siete fermati nella prima osteria.“
Wie wahr! Wie hat es die Reformation verderbt,
daß ſie ſich gleich wieder in eine Kirche einſchloß mit
Dogmengezänk, wie ein Fußreiſender, der im erſten
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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