die Masse, um das Volk, das sich auf Symbolik ein- für allemal nicht versteht. Und da stehen wir vor einer noch ganz andern, stehen wir erst vor der eigentlichen, verzweifelten Amphibolie -- :
Ein Satz: Die Masse braucht in alle Ewigkeit ein ge¬ glaubtes Bilderbuch. Wie viel immer das Pigment schaden mag, es ist doch auch Stütze. -- Religion fort: auch Moral fort. Gefärbte Religion doch besser als keine.
Anderer Satz: Ein sehr großer Theil des Volks ist allerdings aus der Bilderwelt herausgewachsen, das nimmt nun aber zu in geflügelter Progression; noch ist es nicht die Mehrheit, aber bald wird sie in die Strömung gezogen sein. Wer nur irgend sich etwas umsieht, Handwerker, Arbeiter, Kaufmann, wer immer von Physik und Geschichte auch nur einigen Lichtstrahl empfängt, ist rein fertig mit Allem, was übersinnliche Figur, was Regierung des Universums von außen, was Wunder heißt, kurz mit dem ganzen Pigment. Nun sind aber alle diese hülflos in's Leere geworfen. Die gefärbte Religion sind sie los, zur reinen reicht es bei ihnen nicht, und wenn es reichte, wer reicht sie ihnen? Niemand. Unsere Priester bieten nimmer¬ mehr Religion ohne Pigment, und man muß auf Grund des ersten Satzes zugeben: es wäre nicht mög¬ lich. Eigentlich ist die reine Religion allerdings nicht farblos. Zur Farbe hat sie nichts Geringeres als die Weltgeschichte, die mythenlos wahre. Das aber ist
Vischer, Auch Einer. II. 26
die Maſſe, um das Volk, das ſich auf Symbolik ein- für allemal nicht verſteht. Und da ſtehen wir vor einer noch ganz andern, ſtehen wir erſt vor der eigentlichen, verzweifelten Amphibolie — :
Ein Satz: Die Maſſe braucht in alle Ewigkeit ein ge¬ glaubtes Bilderbuch. Wie viel immer das Pigment ſchaden mag, es iſt doch auch Stütze. — Religion fort: auch Moral fort. Gefärbte Religion doch beſſer als keine.
Anderer Satz: Ein ſehr großer Theil des Volks iſt allerdings aus der Bilderwelt herausgewachſen, das nimmt nun aber zu in geflügelter Progreſſion; noch iſt es nicht die Mehrheit, aber bald wird ſie in die Strömung gezogen ſein. Wer nur irgend ſich etwas umſieht, Handwerker, Arbeiter, Kaufmann, wer immer von Phyſik und Geſchichte auch nur einigen Lichtſtrahl empfängt, iſt rein fertig mit Allem, was überſinnliche Figur, was Regierung des Univerſums von außen, was Wunder heißt, kurz mit dem ganzen Pigment. Nun ſind aber alle dieſe hülflos in's Leere geworfen. Die gefärbte Religion ſind ſie los, zur reinen reicht es bei ihnen nicht, und wenn es reichte, wer reicht ſie ihnen? Niemand. Unſere Prieſter bieten nimmer¬ mehr Religion ohne Pigment, und man muß auf Grund des erſten Satzes zugeben: es wäre nicht mög¬ lich. Eigentlich iſt die reine Religion allerdings nicht farblos. Zur Farbe hat ſie nichts Geringeres als die Weltgeſchichte, die mythenlos wahre. Das aber iſt
Viſcher, Auch Einer. II. 26
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die Maſſe, um das Volk, das ſich auf Symbolik ein- für
allemal nicht verſteht. Und da ſtehen wir vor einer
noch ganz andern, ſtehen wir erſt vor der eigentlichen,
verzweifelten Amphibolie — :
Ein Satz: Die Maſſe braucht in alle Ewigkeit ein ge¬
glaubtes Bilderbuch. Wie viel immer das Pigment
ſchaden mag, es iſt doch auch Stütze. — Religion fort:
auch Moral fort. Gefärbte Religion doch beſſer als keine.
Anderer Satz: Ein ſehr großer Theil des Volks
iſt allerdings aus der Bilderwelt herausgewachſen, das
nimmt nun aber zu in geflügelter Progreſſion; noch
iſt es nicht die Mehrheit, aber bald wird ſie in die
Strömung gezogen ſein. Wer nur irgend ſich etwas
umſieht, Handwerker, Arbeiter, Kaufmann, wer immer
von Phyſik und Geſchichte auch nur einigen Lichtſtrahl
empfängt, iſt rein fertig mit Allem, was überſinnliche
Figur, was Regierung des Univerſums von außen,
was Wunder heißt, kurz mit dem ganzen Pigment.
Nun ſind aber alle dieſe hülflos in's Leere geworfen.
Die gefärbte Religion ſind ſie los, zur reinen reicht
es bei ihnen nicht, und wenn es reichte, wer reicht
ſie ihnen? Niemand. Unſere Prieſter bieten nimmer¬
mehr Religion ohne Pigment, und man muß auf
Grund des erſten Satzes zugeben: es wäre nicht mög¬
lich. Eigentlich iſt die reine Religion allerdings nicht
farblos. Zur Farbe hat ſie nichts Geringeres als die
Weltgeſchichte, die mythenlos wahre. Das aber iſt
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/414>, abgerufen am 04.12.2024.
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