ihr vor Augen und fragte: "Kennen Sie denn das?" -- "Ach freilich, freilich!" war die Antwort, "das war's ja eben! Ich weiß noch, als wär's heute, wie er anfieng, sich oben einzuschließen, ganz zergrübelt, in allen Nerven gespannt aussah, wenn er zu Tische eintrat, wie er einmal herabgesprungen kam und den Bedienten fortjagte, ihm einen Reißzeug zu kaufen, -- er müsse eine geometrische Figur ausführen --, dann wie er ebenso hastig des andern Tags nach einer Farbenschachtel schickte! Wie es immer ärger mit ihm wurde, hab' ich dann nicht geruht, bis er mir seine Arbeit gestand und zeigte. Ich begieng anfangs die Thorheit, ihm helfen zu wollen, wurde aber selbst darüber fast verrückt. Und nun erkannte ich, daß es hohe Zeit sei, ihn herauszureißen, denn wirklich, er war nah' am Ueberschnappen; so erreichte ich es denn mit viel Bitten und Drängen, daß er nach Italien abreiste durch die Schweiz über den Gotthard, und nun sehen Sie, in dieser Periode haben Sie ihn kennen gelernt!"
Ich gehe nun mit Seufzen an die Aufgabe, dem geneigten Leser ein, nach Möglichkeit abgekürztes, Bild von dem Bilde des harmonischen Weltalls vorzuführen. Was gegeben werden sollte, war eine klar geordnete Uebersicht der Durchkreuzungen, denen das Leben und Thun des armen Sterblichen durch die Tücke jenes Etwas unterliegt, das wir in Kürze den kleinen Zufall
ihr vor Augen und fragte: „Kennen Sie denn das?“ — „Ach freilich, freilich!“ war die Antwort, „das war's ja eben! Ich weiß noch, als wär's heute, wie er anfieng, ſich oben einzuſchließen, ganz zergrübelt, in allen Nerven geſpannt ausſah, wenn er zu Tiſche eintrat, wie er einmal herabgeſprungen kam und den Bedienten fortjagte, ihm einen Reißzeug zu kaufen, — er müſſe eine geometriſche Figur ausführen —, dann wie er ebenſo haſtig des andern Tags nach einer Farbenſchachtel ſchickte! Wie es immer ärger mit ihm wurde, hab' ich dann nicht geruht, bis er mir ſeine Arbeit geſtand und zeigte. Ich begieng anfangs die Thorheit, ihm helfen zu wollen, wurde aber ſelbſt darüber faſt verrückt. Und nun erkannte ich, daß es hohe Zeit ſei, ihn herauszureißen, denn wirklich, er war nah' am Ueberſchnappen; ſo erreichte ich es denn mit viel Bitten und Drängen, daß er nach Italien abreiste durch die Schweiz über den Gotthard, und nun ſehen Sie, in dieſer Periode haben Sie ihn kennen gelernt!“
Ich gehe nun mit Seufzen an die Aufgabe, dem geneigten Leſer ein, nach Möglichkeit abgekürztes, Bild von dem Bilde des harmoniſchen Weltalls vorzuführen. Was gegeben werden ſollte, war eine klar geordnete Ueberſicht der Durchkreuzungen, denen das Leben und Thun des armen Sterblichen durch die Tücke jenes Etwas unterliegt, das wir in Kürze den kleinen Zufall
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[61/0074]
ihr vor Augen und fragte: „Kennen Sie denn das?“
— „Ach freilich, freilich!“ war die Antwort, „das
war's ja eben! Ich weiß noch, als wär's heute, wie
er anfieng, ſich oben einzuſchließen, ganz zergrübelt,
in allen Nerven geſpannt ausſah, wenn er zu Tiſche
eintrat, wie er einmal herabgeſprungen kam und den
Bedienten fortjagte, ihm einen Reißzeug zu kaufen, —
er müſſe eine geometriſche Figur ausführen —, dann
wie er ebenſo haſtig des andern Tags nach einer
Farbenſchachtel ſchickte! Wie es immer ärger mit ihm
wurde, hab' ich dann nicht geruht, bis er mir ſeine
Arbeit geſtand und zeigte. Ich begieng anfangs die
Thorheit, ihm helfen zu wollen, wurde aber ſelbſt
darüber faſt verrückt. Und nun erkannte ich, daß es
hohe Zeit ſei, ihn herauszureißen, denn wirklich, er
war nah' am Ueberſchnappen; ſo erreichte ich es denn
mit viel Bitten und Drängen, daß er nach Italien
abreiste durch die Schweiz über den Gotthard, und
nun ſehen Sie, in dieſer Periode haben Sie ihn
kennen gelernt!“
Ich gehe nun mit Seufzen an die Aufgabe, dem
geneigten Leſer ein, nach Möglichkeit abgekürztes, Bild
von dem Bilde des harmoniſchen Weltalls vorzuführen.
Was gegeben werden ſollte, war eine klar geordnete
Ueberſicht der Durchkreuzungen, denen das Leben und
Thun des armen Sterblichen durch die Tücke jenes
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/74>, abgerufen am 26.11.2024.
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