Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.pvi_1342.001 2. Die Arten der lyrischen Dichtung. pvi_1342.002§. 889. pvi_1342.003Der Eintheilungsgrund für die Arten der lyrischen Poesie liegt in den pvi_1342.004 Der innere Grund der bekannten Schwierigkeit der Eintheilung des pvi_1342.014 pvi_1342.001 2. Die Arten der lyrischen Dichtung. pvi_1342.002§. 889. pvi_1342.003Der Eintheilungsgrund für die Arten der lyrischen Poesie liegt in den pvi_1342.004 Der innere Grund der bekannten Schwierigkeit der Eintheilung des pvi_1342.014 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0204" n="1342"/> <lb n="pvi_1342.001"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c">2. Die Arten der lyrischen Dichtung.</hi> </head> <lb n="pvi_1342.002"/> <div n="4"> <p> <hi rendition="#c">§. 889.</hi> </p> <lb n="pvi_1342.003"/> <p> Der Eintheilungsgrund für die Arten der lyrischen Poesie liegt in den <lb n="pvi_1342.004"/> verschiedenen Schritten des Prozesses, durch welchen das Gemüth den Weltinhalt <lb n="pvi_1342.005"/> in sein inneres Leben verwandelt; der Unterschied des Objectiven und <lb n="pvi_1342.006"/> Subjectiven tritt also hier in eigenthümlicher Bedeutung auf und begründet <lb n="pvi_1342.007"/> drei Formen: eine Lyrik des <hi rendition="#g">Aufschwungs</hi> zum Gegenstande, eine andere <lb n="pvi_1342.008"/> des reinen <hi rendition="#g">Aufgehens</hi> des letzteren im Subjecte und eine dritte der beginnenden <lb n="pvi_1342.009"/> und wachsenden <hi rendition="#g">Ablösung</hi> aus ihm oder der <hi rendition="#g">Betrachtung.</hi> Die andern <lb n="pvi_1342.010"/> Eintheilungsmomente (vergl. §. 864), namentlich das auf den Unterschied der <lb n="pvi_1342.011"/> Style begründete, berühren sich vielfach mit diesem entscheidenden, ohne mit ihm <lb n="pvi_1342.012"/> zusammenzufallen, sie treten vielmehr wesentlich auch neben ihm in Geltung.</p> <lb n="pvi_1342.013"/> <p> <hi rendition="#et"> Der innere Grund der bekannten Schwierigkeit der Eintheilung des <lb n="pvi_1342.014"/> lyrischen Gebiets ist natürlich der Mangel des eigentlich Objectiven: wo <lb n="pvi_1342.015"/> ein gegenständliches Weltbild gegeben wird, treten eingreifende Unterschiede <lb n="pvi_1342.016"/> des Standpuncts mit dem Erfolg auf, daß die Welt in verschiedenem Ausschnitt, <lb n="pvi_1342.017"/> Umfang, daher in erkennbar festem Unterschiede der Composition, <lb n="pvi_1342.018"/> der Behandlung, der ganzen Form zur Darstellung kommt; wo dagegen <lb n="pvi_1342.019"/> das Subject nur die Welt in sich, als in Empfindung verwandelte ausspricht, <lb n="pvi_1342.020"/> da geräth Alles in's Fließende und ist die nothwendige Folge eine <lb n="pvi_1342.021"/> unübersehliche Vielheit der Formen, deren jede Stimmung in jedem Moment <lb n="pvi_1342.022"/> eine neue erfinden kann. Die Stimmungen selbst aber sind unendlich nach <lb n="pvi_1342.023"/> Jndividuen und Momenten und jede einzelne wieder unendlich gemischt; nur <lb n="pvi_1342.024"/> Ein großer Haupt-Unterschied läßt sich aufweisen, nämlich eben derjenige, den <lb n="pvi_1342.025"/> der §. aufstellt und den wir sogleich erläutern, aber mit dem Vorbehalte, <lb n="pvi_1342.026"/> daß die genauere Benennung der Formen nicht eine bestimmte Gestalt, <lb n="pvi_1342.027"/> sondern nur einen Ton, einen Charakter bezeichnen kann: das Hymnen=, <lb n="pvi_1342.028"/> das Lieder=<hi rendition="#g">artige</hi> u. s. w. Wir haben die epische Poesie nach dem <lb n="pvi_1342.029"/> Unterschiede der <hi rendition="#g">Style</hi> eingetheilt und dadurch gewonnen, daß die logische <lb n="pvi_1342.030"/> Folge im Allgemeinen zugleich als die geschichtliche erschien. Jn einer <lb n="pvi_1342.031"/> Kunstform ohne eigentliche Objectivität kann der Styl-Gegensatz eine so <lb n="pvi_1342.032"/> durchgreifende Bedeutung nicht haben. Es wird ein solcher natürlich auftreten: <lb n="pvi_1342.033"/> der plastisch=ideale Styl wird objectiver in seiner ganzen Haltung <lb n="pvi_1342.034"/> sein und ebendarum mehr entwickelnd, weniger unruhig verfahren, mehr </hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1342/0204]
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2. Die Arten der lyrischen Dichtung. pvi_1342.002
§. 889.
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Der Eintheilungsgrund für die Arten der lyrischen Poesie liegt in den pvi_1342.004
verschiedenen Schritten des Prozesses, durch welchen das Gemüth den Weltinhalt pvi_1342.005
in sein inneres Leben verwandelt; der Unterschied des Objectiven und pvi_1342.006
Subjectiven tritt also hier in eigenthümlicher Bedeutung auf und begründet pvi_1342.007
drei Formen: eine Lyrik des Aufschwungs zum Gegenstande, eine andere pvi_1342.008
des reinen Aufgehens des letzteren im Subjecte und eine dritte der beginnenden pvi_1342.009
und wachsenden Ablösung aus ihm oder der Betrachtung. Die andern pvi_1342.010
Eintheilungsmomente (vergl. §. 864), namentlich das auf den Unterschied der pvi_1342.011
Style begründete, berühren sich vielfach mit diesem entscheidenden, ohne mit ihm pvi_1342.012
zusammenzufallen, sie treten vielmehr wesentlich auch neben ihm in Geltung.
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Der innere Grund der bekannten Schwierigkeit der Eintheilung des pvi_1342.014
lyrischen Gebiets ist natürlich der Mangel des eigentlich Objectiven: wo pvi_1342.015
ein gegenständliches Weltbild gegeben wird, treten eingreifende Unterschiede pvi_1342.016
des Standpuncts mit dem Erfolg auf, daß die Welt in verschiedenem Ausschnitt, pvi_1342.017
Umfang, daher in erkennbar festem Unterschiede der Composition, pvi_1342.018
der Behandlung, der ganzen Form zur Darstellung kommt; wo dagegen pvi_1342.019
das Subject nur die Welt in sich, als in Empfindung verwandelte ausspricht, pvi_1342.020
da geräth Alles in's Fließende und ist die nothwendige Folge eine pvi_1342.021
unübersehliche Vielheit der Formen, deren jede Stimmung in jedem Moment pvi_1342.022
eine neue erfinden kann. Die Stimmungen selbst aber sind unendlich nach pvi_1342.023
Jndividuen und Momenten und jede einzelne wieder unendlich gemischt; nur pvi_1342.024
Ein großer Haupt-Unterschied läßt sich aufweisen, nämlich eben derjenige, den pvi_1342.025
der §. aufstellt und den wir sogleich erläutern, aber mit dem Vorbehalte, pvi_1342.026
daß die genauere Benennung der Formen nicht eine bestimmte Gestalt, pvi_1342.027
sondern nur einen Ton, einen Charakter bezeichnen kann: das Hymnen=, pvi_1342.028
das Lieder=artige u. s. w. Wir haben die epische Poesie nach dem pvi_1342.029
Unterschiede der Style eingetheilt und dadurch gewonnen, daß die logische pvi_1342.030
Folge im Allgemeinen zugleich als die geschichtliche erschien. Jn einer pvi_1342.031
Kunstform ohne eigentliche Objectivität kann der Styl-Gegensatz eine so pvi_1342.032
durchgreifende Bedeutung nicht haben. Es wird ein solcher natürlich auftreten: pvi_1342.033
der plastisch=ideale Styl wird objectiver in seiner ganzen Haltung pvi_1342.034
sein und ebendarum mehr entwickelnd, weniger unruhig verfahren, mehr
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